swissICT Booster 50+ 20.10.2020, 07:21 Uhr

«Ich bin überrascht, wie innovativ Menschen und Firmen mit Krisen umgehen»

Wie geht es weiter mit dem swissICT Booster 50+? Im Interview gibt Reto Bättig, CEO der M+F Engineering, der Partnerfirma für dieses Projekt, eine Einschätzung. Und er reflektiert über die Auswirkungen der Corona-Krise.
Reto Bättig, CEO, M+F Engineering
(Quelle: M+F Engineering)
Computerworld: Es gibt Stimmen, die sagen, dass die 50+ Fachkräfte die grossen Verlierer der aktuellen Corona-Krise sind. Andere sagen, dass es die jungen Fachkräfte sind. Was ist Ihre Wahrnehmung?
Reto Bättig: Im Moment ist es aus meiner Sicht zu früh, um wirklich zu wissen, was passieren wird. In unserem industrienahen Umfeld waren die Firmen bis jetzt sehr zurückhaltend mit Kündigungen dank dem Instrument der Kurzarbeit, von dem sie kräftig Gebrauch gemacht haben. Ich könnte mir aber gut vorstellen, dass wir noch ein paar Kündigungswellen vor uns haben, in denen es sicher auch Fachkräfte 50+ treffen wird.
CW: Wie hat M&F Engineering als Firma die Corona-Krise bisher bewältigt? Gab es spezielle Erlebnisse?
Bättig: Als Software-Dienstleister waren wir natürlich prädestiniert für Homeoffice und konnten problemlos umstellen. Wir hatten grosses Glück, dass unsere Kunden die Projekte nicht sofort gestoppt haben und dass wir die meisten Projekte noch wie geplant zu Ende bringen durften. Wir konnten auch alle Termine einhalten. Die Akquisition von neuen Projekten ist aber sehr viel schwieriger als letztes Jahr um diese Zeit. Wir sind bis jetzt aber noch einigermassen glimpflich davongekommen.
“Das Trainee-Programm ist eine strategische und langfristige Massnahme, um kontinuierlich gute Fachkräfte zu finden„
Reto Bättig, M+F Engineering
CW: Sie bieten ein firmenübergreifendes Trainee-Programm für junge Fachkräfte an. Wie hat sich die Ausgangslage hier verändert im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit?
Bättig: Halbjährlich wechseln die jungen Software-Ingenieure jeweils die Einsatz-Firma im Partnernetzwerk. Bei der letzten Rochade im Mai hatten wir ziemlich Mühe, alle Trainees wieder zu platzieren, da einige Partnerfirmen selbst Kurzarbeit und Einstellungsstopp hatten. Entsprechend waren mehrere Trainees für einige Monate nicht verrechenbar. Ein weiteres Problem war, dass eine Einarbeitung in eine neue Firma mit Homeoffice nicht so praktikabel ist. Die Trainees haben dies jedoch professionell gemeistert und glücklicherweise haben wir unterdessen für alle Trainees wieder einen spannenden Einsatz gefunden.
Wir hören aber auch, dass es für einige Firmen wieder einfacher geworden ist, qualifizierte Fachkräfte zu finden. Dies macht das Trainee-Programm natürlich kurzfristig etwas weniger attraktiv. Das Trainee-Programm ist aber so oder so als strategische und langfristige Massnahme gedacht, um kontinuierlich gute Fachkräfte zu finden und nicht als kurzfristige Entlastung.
CW: Beim Trainee-Programm zusammen mit swissICT, der swissICT Booster 50+, sind noch Vorbereitungsarbeiten für eine erste Durchführung im Gang. Wie hat sich die Ausgangslage hier verändert?
Bättig: Von März bis im Juli waren wir leider stark beschäftigt mit der Corona-Krise und konnten nur sehr wenig konkrete Gespräche mit potenziellen Partnerfirmen führen. Der swissICT Booster 50+ ist effektiv durch Corona einige Monate auf Eis gelegt worden. Nun sind wir aber wieder sehr aktiv und werden versuchen, das Programm per Anfang 2021 effektiv starten zu können. Wir sind zurzeit in intensiven Gesprächen und Verhandlungen um Sponsoring-Möglichkeiten.
Gleichzeitig sind wir nach wie vor auf der Suche nach ersten Partnerfirmen, die bereit sind, mit unserem Programm und unseren Kandidaten einen Versuch zu starten. Das Problem wird – wie wir vorher schon diskutiert haben – mit potentiellen weiteren Entlassungswellen umso aktueller!
CW: Die Corona-Krise hat die Digitalisierung der Wirtschaft und Gesellschaft weiter beschleunigt. Wie nehmen Sie das als Software-Dienstleister auf dem ICT-Markt Schweiz wahr?
Bättig: Wir sehen eine viel grössere Bereitschaft, Meetings virtuell durchzuführen. Unsere Mitarbeitenden dürfen auch öfter von uns oder sogar von zu Hause aus arbeiten, statt zum Kunden zu fahren. Ich glaube, dass dies sowohl ökonomisch wie auch ökologisch eine sehr sinnvolle Entwicklung ist. Wir haben aber auch gemerkt, wie wichtig trotzdem gelegentliche persönliche und auch ungezwungene Kontakte sind, damit Beziehungen gut funktionieren.
Bei unseren Industriekunden direkt haben wir aber keine Beschleunigung der Digitalisierung bemerkt. Ganz im Gegenteil mussten viele Digitalisierungsprojekte gestoppt oder verschoben werden, um Kosten zu sparen, weil die Umsätze der Firmen so drastisch gesunken sind. Diejenigen Digitalisierungsprojekte, die beschleunigt wurden, waren eher einfacher Natur wie beispielsweise verbesserte VPN-Zugänge und (Video-)Telefonielösungen sowie einfache Kollaborationslösungen wie Microsoft Teams, Zoom & Co..
“Bei unseren Industriekunden direkt haben wir keine Beschleunigung der Digitalisierung bemerkt. Ganz im Gegenteil: Viele Digitalisierungsprojekte mussten gestoppt oder verschoben werden, um Kosten zu sparen„
Reto Bättig, M+F Engineering
CW: Was nehmen Sie persönlich als Learning mit aus dem bisher doch recht ungewöhnlichen Jahr?
Bättig: Persönlich mache ich mir etwas Sorgen, dass einmal eine wirklich schlimme Pandemie kommt, bei der noch viel mehr Leute sterben werden. Was können wir dann noch mehr tun? Hier müssen wir unbedingt am Ball bleiben und sinnvolle Szenarien und Massnahmen ausarbeiten.
Für die Firma haben wir sehr schnell verschiedene Szenarien ausgearbeitet, damit wir je nach Entwicklung darauf reagieren können und das hat uns eine grosse Sicherheit gegeben im Umgang mit der Krise. Dies würde ich als Learning sicher mitnehmen und wieder anwenden in Zukunft. Ich bin aber auch immer wieder positiv überrascht, wie innovativ die Menschen und Firmen sind im Umgang mit Krisen.
Ich finde es beruhigend zu sehen, dass es immer wieder weiter geht – manchmal einfach etwas anders als ursprünglich gedacht.



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