Schweiz
11.03.2016, 15:10 Uhr
Fax statt digitales Patientendossier
Im Schweizer Gesundheitswesen dominiert die analoge Kommunikationstechnologie. Daten werden per Fax oder Telefon ausgetauscht, sagten Experten am «Swiss eHealth Forum».
Schweizer Mediziner nutzen für den Datenaustausch heute hauptsächlich das Fax oder das Telefon. Die Leistungserbringer sollen mit dem im Vorjahr verabschiedeten Bundesgesetz über das elektronische Patientendossier auch im digitalen Zeitalter ankommen. Bis das Gesetz jedoch in Kraft tritt, werden noch einige Monate (Jahre) vergehen. Adrian Schmid, Leiter des Koordinationsorgans Bund-Kantone, sagte am «Swiss eHealth Forum» in Bern, er rechne frühestens 2017 mit dem Start.
Bis dahin werden die Ärzte weiter faxen. Nur eine knappe Mehrheit von 54 Prozent befürwortet die generell die Einführung des Patientendossiers, sagte Lukas Golder vom Marktforschungsinstitut gfs.bern. Er zitierte Ergebnisse des diesjährigen «Swiss eHealth Barometer», das an dem Anlass vorgestellt wurde. Ähnlich skeptisch wie die Mediziner ist auch die Bevölkerung: 55 Prozent wollen ein elektronisches Dossier. Die knappe Zustimmung gab es schon in den vergangenen Jahren (2015: 54 Prozent, 2014: 55 Prozent, 2013: 59 Prozent). Die Krux dabei: Mehrheitlich (77 Prozent) wollen die Bürger, dass ihr Hausarzt das Dossier führt. Gerade die Hausärzte sind aber die grössten Skeptiker bei der Einführung. Nur 21 Prozent wollen ihren Patienten in Zukunft eine digitale Krankenakte anbieten (zum Vergleich: bei den Spitalärzten sind es 40 Prozent).
Der grösste Kritikpunkt der Akteure im Gesundheitswesen am Patientendossier sind nicht die Kosten. Denn 75 Prozent wünschen sich zunächst Aufklärungs- und Bildungsmassnahmen. Einheitliche Standards fordern 69 Prozent, erst danach folgt der Ruf nach Geld. 69 Prozent wollen ein Budget für den Aufbau von Leistungserbringergemeinschaften, 55 Prozent fordern einen Zuschuss für die Betriebskosten. Die finanziellen Mittel könnten sogar von den Patienten kommen, denn 36 Prozent der interessierten Bürger wären bereit, für ihre digitale Krankenakte zu zahlen. Nächste Seite: selbst ist der Patient – und die Ärztin Die grosse Verbreitung von Smartphone-Apps und Wearables in der Schweiz dokumentiert das grundsätzliche Interesse der Bevölkerung an Gesundheitsthemen. Der Zuspruch zu Apps für Bergrettung, Fitness und zum Beispiel Organspenden steigt kontinuierlich, sagte Marktforscher Golder. Professor Jürgen Holm von der Berner Fachhochschule für Technik und Informatik ergänzte, dass hierzulande 2014 rund 300'000 Wearables verkauft worden seien. Für dieses Jahr werde mit einem Absatz von circa 700'000 Fitnessbändern und «smarten» Uhren gerechnet.
Die Zahlungsbereitschaft und selbständige Nutzung von Gesundheits-Gadgets in der Bevölkerung sprechen dafür, dass ein Bedürfnis nach medizinischen Anwendungen vorhanden ist. Wenn das offizielle Patientendossier nun weiter auf sich warten lässt, öffnet das den Markt für Anbieter wie beispielsweise Facebook oder Google. Die kommerziellen Unternehmen könnten mit attraktiven (kostenlosen) Zusatzleistungen womöglich noch Benutzer anlocken. Der Widerstand gegen Gesundheitsinformatik bei den Bürgern scheint gebrochen. Bei den niedergelassenen (Haus-)Ärzten sei es eine Frage der Zeit, sagte Andreas Schoepke am «Swiss eHealth Forum». Der IT-Verantwortliche bei der Ärztevereinigung Argomed beobachtet, dass die künftige Medizinergeneration stark auf Computer setze. «Die jungen Assistenzärzte kennen aus den Spitälern die moderne Informationstechnologie. Die digitalen Arbeitsmitteln nehmen sie mit in ihre eigene Praxis», berichtete er. Die in Zukunft hauptsächlich weiblichen Mediziner würden vermehrt in Teilzeit in Gemeinschaftspraxen arbeiten und auch beim Datenaustausch mit Kollegen auf Computer setzen, so Schoepke. Dann könnten bestenfalls auch einige Faxgeräte abgeschaltet werden.