Aufwendig, aber doch unverzichtbar

Corona-Auswirkungen noch kaum spürbar

Noch kaum scheint sich der Einfluss der Corona-Krise in den öffentlichen Ausschreibungen dieses Jahres zu spiegeln. Jedenfalls ist es laut Matthias Stürmer, dem Leiter der Forschungsstelle Digitale Nachhaltigkeit an der Uni Bern, «schwierig, einen klaren Trend in den Corona-Wochen zu identifizieren». Einen leichten Einbruch bei den IT- und CT-Beschaffungen (Communication Technologies) habe es im März 2020 gegeben, der sich «aber nicht sehr deutlich» in den Zahlen abbilden lasse. Ein ähnliches Resultat zeige sich selbst bei den Zuschlägen von Corona-spezifischen Beschaffungen wie Schutzkleidung, Einweghandschuhen, Geräten für Hygieneüberwachung und -prüfung oder auch allgemein Hygienediensten. Mögliche Corona-Auswirkungen seien nur, sagt Stürmer weiter, im Mai zu beobachten gewesen. Denn in diesem einen Monat habe es «mit 71 IT-Ausschreibungen so viele IT-Beschaffungen wie bisher noch nie seit Beginn von simap.ch im Jahr 2009» gegeben. Einen Trend könne man daraus derzeit zwar nicht ableiten, doch «möglicherweise gibt es bei den Ausschreibungen von Corona-Beschaffungen einen baldigen Anstieg».
“Es ist schwierig, einen klaren Trend in den Corona-Wochen zu identifizieren„
Matthias Stürmer, Forschungsstelle Digitale Nachhaltigkeit, Universität Bern
Stürmer fügt an, dass sich am aktuellen Beschaffungsgeschehen noch kaum Auswirkungen des 2019 vom Parlament verabschiedeten revidierten Bundesgesetzes über das öffentliche Beschaffungswesen ablesen lasse. Das werde sich aber ab 2021 ändern, wenn auch die vom Bundesrat im Februar verabschiedete Revision des WTO-Übereinkommens über das öffentliche Beschaffungswesen und die revidierte Verordnung über das öffentliche Beschaffungswesen in Kraft treten. Entsprechende Umsetzungsarbeiten würden sowohl beim Bund als auch bei ersten Kantonen laufen.

Mit eigener Organisation punkten

Schaut man hinter die Kulissen selektiv ausgewählter Unternehmen, so zeigt sich rasch, wie sehr gerade grössere Betriebe von öffentlichen Aufträgen abhängig sind. Sunrise, Lenovo oder Ricoh unterstreichen etwa, dass öffentliche Ausschreibungen im B2B-Umfeld täglicher Bestandteil beziehungsweise wichtiger respektive sehr wichtiger Teil des Geschäfts seien, das teilweise sogar von einer eigenen Organisation adressiert wird. So betont der für öffentliche Ausschreibungen zuständige Pascal Bruni von Lenovo Schweiz, dass man als Personal-Computing- und Data-Center-Anbieter viele namhafte öffentliche Institutionen beliefere und «die öffentlichen Ausschreibungen daher als wichtigen Teil unseres Business» ansehe. Genau quantifizieren will er den Umfang dieses Geschäftsbereichs nicht, sieht aber «in der Summe eine sehr positive Entwicklung» – auch, weil in den letzten Quartalen viele gewonnene Deals mit Schulen hinzugekommen seien. Auch seien in der Corona-Krise «häufiger schnellere Entscheide getroffen und Budgets frei­gemacht worden, um das mobile Arbeiten zu unterstützen».Bruni meint zudem, dass gerade ganz grosse öffentliche Ausschreibungen zum Teil sehr komplex sind. Allerdings fügt er an: «Ansonsten sehen wir keine allzu grosse Komplexität, aber eine Vereinfachung ist immer anzustreben, um den Aufwand für beide Seiten zu optimieren.» Nur seien die meisten Ausschreibungen sehr vom Preis bestimmt, «was sicherlich kostenoptimierte Anbieter bevorzugt», qualitative Kriterien hingegen in den Hintergrund dränge.
Kaum anders beurteilt man bei Sunrise die Situation. So gehören auch für Chief Business Officer Robert Wigger öffentliche Ausschreibungen im B2B-Umfeld zum Tages­geschäft und sind «entsprechend sehr wichtig», wie er sagt. Auch würden sie den Wettbewerb anregen und Chancengleichheit für alle Unternehmen gewährleisten. Da aber derartige Projekte in «unserem Umfeld meist alle drei, fünf oder acht Jahre wiederkehren», mache das die Anzahl öffentlicher Ausschreibungen und die entsprechende Auftragssituation bei Sunrise variabel. Im Vergleich zum Gesamtgeschäft sei dieses Business-Segment eher klein,
obwohl Aufträge von Bund, Kantonen und Gemeinden in der Schweizer Wirtschaft insgesamt einen beachtlichen Stellenwert einnehmen. Während der Corona-Krise habe es jedenfalls keine neuen, ausserordentlichen Behördenaufträge über öffentliche Ausschreibungen gegeben, sagt Wigger.



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