Digital Business
23.09.2019, 13:05 Uhr
Transformation von analog nach digital
Bei der Digitalisierung muss nicht das gesamte Geschäftsmodell umstrukturiert werden. Selbst kleine Projekte ebnen einen erfolgreichen Start in die Transformation, wenn das Management mitspielt.
Bei der Umsetzung digitaler Geschäftsmodelle gibt es durchaus noch Luft nach oben. Das zeigt eine Studie von Tata Consultancy Services (TCS). Das Beratungshaus hat analysiert, welchen Erfolg digitale Business-Modelle von Unternehmen in den vergangenen zehn Jahren hatten. Befragt wurden Chief Information Officer (CIOs) von Unternehmen in Deutschland, den USA, Kanada, Grossbritannien und den Niederlanden. Ergebnis: Rund 36 Prozent der Firmen waren mit Geschäftsmodellen, Produkten und Dienstleistungen erfolgreich, die einen rein digitalen Ansatz verfolgten oder auf digitalen Technologien basierten. Dagegen meldeten 38 Prozent der Befragten keinen oder nur einen geringen Erfolg.
“Die Digitalisierung von Produkten und Dienstleistungen an sich generiert noch nicht notwendigerweise neue Umsatzpotenziale „
Kay Müller-Jones, Leiter Consulting und Services Integration bei Tata Consultancy Services
«Die Erfahrungen überraschen nicht. Denn digitale Geschäftsmodelle erschliessen sich nicht sofort, sondern sind oft Ergebnis eines längeren Transformationsprozesses im Unternehmen», erläutert Kay Müller-Jones, Leiter Consulting und Services Integration bei TCS. «Zu beachten ist ausserdem, dass die Digitalisierung von Produkten und Dienstleistungen an sich noch nicht notwendigerweise neue Umsatzpotenziale generiert», so Müller-Jones weiter. Vielmehr müssten die digitalen Services bei Produktherstellern ein zentraler Bestandteil des Kernprodukts selbst werden, um dessen langfristige Wettbewerbsfähigkeit sicherzustellen.
Analog, digital, hybrid
Das Beratungsunternehmen Horváth & Partners differenziert in einer Studie zum Thema digitale Geschäftsmodelle zwischen drei Gruppen:
Analoge Ansätze: Sie nutzen traditionelle Vertriebskanäle für den Verkauf von Produkten und Services, die sich durch die Digitalisierung kaum verändert haben.
Digitalisierte Modelle: Ein Teil des Umsatzes wird mit traditionellen Angeboten generiert, ein Teil mit digitalen Produkten und Dienstleistungen. Die Produktpalette wird in Richtung Digitalisierung und Steigerung des Kundennutzens entwickelt.
Digitale Geschäftsmodelle: Ein Merkmal digitaler Geschäftsmodelle ist, dass überwiegend nicht physische Produkte oder Dienstleistungen angeboten werden. Horváth & Partners legt dabei drei Kriterien an: So müssen über 75 Prozent der Produktpalette nur aufgrund der Verwendung und Integration von digitalen Lösungen bestehen. Des Weiteren entsteht hier durch Anwendung und Integration neuer Technologien, Methoden und Prozesse ein völlig neuer Kundennutzen. Und schliesslich liegt der Fokus auf dem Kunden und seinen Daten, weniger auf dem Produkt.
Diese Aufteilung bedeutet nicht, dass es ein Entweder-oder zwischen digitaler und analoger Welt gibt. «Geschäftsmodelle kommen heute meist als Hybride vor. Das heisst, Produkte werden durch Smart Services ergänzt», so Oliver Fuhrmann, Head of Business Development des Nürnberger Beratungshauses Trevisto in einem Vortrag. Maschinenbau-Unternehmen, Automobilhersteller sowie Banken und Versicherungen erweiterten herkömmliche Angebote um digitale Komponenten. Beispiele sind Smart-Maintenance-Dienste in der Fertigung, die nutzungsbezogen abgerechnet werden (Pay per Use).
“Mischunternehmen mit analogen und digitalen Geschäftsmodellen werden nicht umhinkönnen, zwei Steuerungssysteme in ihrer Organisation zu etablieren und zu integrieren„
Christian Huck, Principal bei Horváth & Partners
Allerdings bringen Hybrid-Modelle einen erhöhten Aufwand mit sich: «Mischunternehmen mit analogen und digitalen Geschäftsmodellen werden nicht umhinkommen, zwei Steuerungssysteme in ihrer Organisation zu etablieren und zu integrieren», erklärt Christian Huck, Controlling-Experte bei Horváth & Partners. Das liegt vor allem daran, dass analoge Geschäftsmodelle meist produktbasiert sind. Die Unternehmen haben vergleichsweise hohe Herstellungskosten und generieren mit ihren Produkten direkte Umsätze.
Auch digitale Geschäftsmodelle zielen laut Huck auf den Vertrieb eines Produkts beziehungsweise zugehöriger Services ab. Die Produktkosten sind im Schnitt jedoch um mindestens 15 Prozent geringer, wie die Studie von Horváth zeigt. «Viele Entscheider aus digitalen Unternehmen rechnen in die Produktkosten auch die Entwicklungskosten mit ein, weil die reine ‹Herstellung› eines einzelnen digitalen Produkts, welches im Prinzip aus daten-, nutzungs- und standortbasierten Informationen basiert, auf der Kostenseite kaum eine Rolle spielt», so Huck. Diese Unschärfe ist dem Experten zufolge ein ideales Beispiel für die Grenzen traditioneller Kostenrechnungen, mit denen sich Unternehmen konfrontiert sehen, die auf digitale Produkte setzen.