25.06.2015, 15:52 Uhr
Schweizer Versicherer priorisieren Digitalisierung
Das Geschäftsumfeld für Versicherungsunternehmen in der Schweiz wird zunehmend anspruchsvoller. Nun sollen Digitalisierung und IT-Outsourcing helfen.
Auf die Schweizer Versicherungskonzerne kommen grosse Veränderungen zu. Die steigende Regulation und das herausfordernde finanzielle Umfeld erschweren profitables Wirtschaften. Zusätzlich ändert sich das Kundenverhalten: Die Verbraucher wollen keine pauschalen Policen, sondern individualisierte Produkte. Diese Angebote möchten sie ausserdem via Web oder kurzfristig am Smartphone buchen können. Wie sich Schweizer Versicherungen in dieser Realität positionieren, hat das Wirtschaftsberatungsunternehmen Ernst & Young im «Versicherungsbarometer» ermittelt.
IT als Kostenbremse
Gemäss der Umfrage unter 15 Geschäftsleitungsmitgliedern der grössten Schweizer Gesellschaften fällt es den Konzernen zunehmend schwer, im Negativzins-Umfeld die den Kunden garantierten Zinsen zu erwirtschaften. Für 93 Prozent hat der regulatorische Aufwand über die letzten Monate zugenommen. Sparmassnahmen geraten ins Blickfeld. Zwei Drittel der Befragten erachten eine Kostenreduktion von 10 bis 30 Prozent als nötig, um konkurrenzfähig zu bleiben.
Der IT-Betrieb ist der erste Bereich, in dem die Versicherungsunternehmen Sparpotenzial sehen. Für 71 Prozent eignet sich die Informationstechnologie am besten für Outsourcing. Mit Abstand folgen standardisierte Geschäftsprozesse (29 Prozent) und HR sowie Service und Vertrieb (je 21 Prozent). Den IT-Abteilungen geht es offenbar nun vermehrt an den Kragen. Die grossen Outsourcing-Projekte von Sanitas und beispielsweise Zurich könnten (dürften) erst der Anfang sein.
Investitionen in Digitalisierung
Geld in die Hand nehmen müssen Versicherungen für die Digitalisierung. Das Management hat mittlerweile erkannt, dass die Konzerne ohne digitale Angebote die künftigen Kunden nur noch schwer erreichen werden. «Digitalisierung hatte letztes Jahr keine Prioritt, heute ist das Thema nach Regulierung die zweiwichtigste Herausforderung», sagt Professor Hans-Jürgen Wolter, Leiter Aktuariat bei EY. Sein Kollege Andrew Gallacher sieht die Schweizer Versicherungen bei der Digitalisierung und der Multi-Channel-Strategie noch hinter den Banken zurückhinken. Laut dem Leiter Versicherungsberatung bei EY haben 60 Prozent noch keine Projekte zur Digitalisierung implementiert, sondern sind erst mit deren Aufbau beschäftigt. Das soll sich jedoch demnächst ändern: Bis in fünf Jahren wollen 87 Prozent in der Digitalisierung eine fortgeschrittene oder sogar führende Position einnehmen. Dabei sollen primär die internen Prozesse, der Vertrieb und der Kundenservice verbessert werden. «Um die Digitalisierung voranzutreiben, sind nicht nur grosse Investitionen verlangt. Die Geschäftsmodelle sind neu auszurichten, weshalb die Versicherer sehr agil und flexibel sein müssen. Sonst besteht die Gefahr, von fremden Anbietern überholt zu werden», sagt Gallacher. Als potenzielle Wettbewerber werden hauptsächlich Autohändler und IT-Branchengrössen wie Amazon oder Google angesehen.
Big (Data) Potenzial
Ebenfalls erst am Anfang stehen die Versicherer bei der Auswertung und Anwendung von Big Data: Nur ein Fünftel verfügt über die Systeme, um vorhandene Daten auszuwerten und so Hinweise auf Kundenbedürfnisse und Produktgestaltung zu erhalten. Wie Gallacher sagt, sind sich die Geschäftsführer noch uneins, ob Big Data nur ein Hype oder ein echter Treiber des zukünftigen Geschäfts ist. Entsprechend zurückhaltend sind die Geschäftsleitungen beim Sprechen von Geld für Big-Data-Projekte. Nur ein Drittel der befragten Manager rechnet damit, in fünf Jahren bei der Datennutzung fortgeschritten oder marktführend zu sein.