13.04.2016, 06:45 Uhr
Schweizer CIOs diskutieren Digitalisierung
An der «Swiss IT Conference» von IDC und Computerworld diskutierten Schweizer CIOs und Branchenvertreter Ansätze sowie Ideen zur Digitalisierung der Wirtschaft.
Bei 91 Prozent der Schweizer Anwenderunternehmen steht die digitale Transformation auf der Agenda. Das ist ein Ergebnis der Studie «Swiss IT», für die Computerworld rund 800 einheimische IT- sowie Businessentscheider befragt hat. Matthias Zacher, Senior Consultant beim Beratungsunternehmen IDC, sah Schweizer Firmen damit auf Augenhöhe mit den Unternehmen in Deutschland, aber hinter den USA zurück.
An der «Swiss IT Conference» am Dienstag in Zürich ermutigte er die rund 110 CIOs und Branchenvertreter, die digitale Transformation des Geschäfts voranzutreiben. Die Schritte aus Sicht von IDC sind: Das Erhöhen von Effizienz der internen Geschäftsprozesse, das Verbessern der Kundenbeziehungen sowie das Umsetzen technologiebasierter Produkte sowie Services. Dafür ist es laut Zacher ratsam, auch öffentlichkeitswirksam mit neuen Technologien zu experimentieren, bestehende Organisationsstrukturen zu hinterfragen und mutige Entscheidungen zu treffen (bevor es andere tun). Nächste Seite: Vorzeigeunternehmen SBB Eines der Schweizer Vorzeigeunternehmen bei der Digitalisierung ist die SBB. CIO Peter Kummer betonte an der Konferenz, dass das Thema digitale Transformation einen hohen Stellenwert bei den Schweizerischen Bundesbahnen habe. «Digitalisierung ist ein roter Faden in der Konzernstrategie der SBB, nicht nur in der IT-Strategie», sagte er. Die verschiedenen Projekte zielten auf drei Bereiche: neue Kundenanforderungen, die eigenen Angestellten und die Optimierung des Bahnbetriebs.
SBB: Kunden, Mitarbeiter, Züge
Als Beispiel für Digitalprojekte führte Kummer an, dass der Konzern gemeinsam mit den Telekommunikationsfirmen Salt, Sunrise und Swisscom kontinuierlich an der Verbesserung des Handyempfangs im Zug arbeite. Ein länderübergreifender Test habe ergeben, dass die Massnahmen erfolgreich sind: In der Schweiz gibt es auf 98 Prozent der Strecken Empfang, in Österreich nur auf 87 Prozent und in Deutschland sogar nur auf 75 Prozent. Der Deutschen Bahn helfe es wenig, wenn sie ihre ICEs gross mit «WLAN» beschrifte, auf den Strecken aber keine Verbindung anbieten könne, weil die Aussenversorgung nicht ausreicht, scherzte der CIO.
In den Zügen, auf den Perrons und im Gleisbett mobil erreichbar sind mittlerweile die rund 33'000 Mitarbeiter der SBB. Wie Kummer sagte, seien unterdessen alle Angestellten mit Smartphones ausgestattet. Die einheitliche Mobilplattform mache es für die circa 1000 IT-Mitarbeiter der SBB einfacher, die Geräte zu verwalten und zu warten. Nun stünde die Optimierung der Arbeitsabläufe und Prozesse an.
Den Bahnbetrieb optimiert die SBB seit nunmehr drei Jahren mit dem «Rail Control System». Die selbst entwickelte Plattform verarbeite pro Sekunde circa 10'000 Statusmeldungen und Daten aus über 780 Bahnhöfen sowie von 1000 Zügen, sagte der CIO. Mithilfe der Funktion «Adaptive Lenkung» würden Millionensummen an Stromkosten eingespart, etwa durch weniger Stopps an Rotsignalen. Die früher 2000 Halte pro Tag sollen kontinuierlich auf 200 reduziert werden. Solche Resultate erregen nach den Worten Kummers auch im Ausland Aufmerksamkeit. So haben unter anderem die Bahnbetriebe in Belgien und Deutschland mittlerweile die Technologie bei der SBB eingekauft. «Entwicklungen wie das Rail Control System sind wichtig für die Schweizer Volkswirtschaft», betonte der CIO. Nächste Seite: Mitarbeiter und Roboter Die Wichtigkeit der Mitarbeiter bei Digitalisierungsprojekten hob Dropbox-Landeschef Oliver Blüher an dem Anlass hervor. Ein engerer Kundenkontakt, mehr Rückmeldungsschleifen und neue, allenfalls erklärungsbedürftige Produkte würden schnelle Kommunikationswege benötigen. Der Austausch (auch von Daten) müsste unabhängig von Device und Plattform sowie auch über Standorte und Kontinente hinweg funktionieren. Dafür empfahl Blüher die Installation einer unternehmensweiten Kollaborationsplattform. Die Zeit zum Handeln sei gekommen. «Unternehmen sollten sich nicht vom Markt treiben lassen sondern mit Bedacht selbst in die Initiative gehen», empfahl er.
Speziell die Software-Entwickler werden gemäss Egon Steinkasserer, Head of Innovation & Enabling Services bei Swisscom, heute nicht genug wertgeschätzt. Das müsse sich jetzt ändern, denn Software könne zum wettbewerbsentscheidenden Vorteil werden. Die Mehrheit der heute als disruptiv geltenden Firmen basieren rein auf Software, etwa Airbnb, Facebook, Tesla und Uber. Den Schweizer IT-Kollegen rief Steinkasserer zu: «Bauen Sie Software-Know-how im Kerngeschäft auf.» Für alle anderen Unternehmensbereiche könnte Software zugebucht oder zugekauft werden.
«Sie müssen keine Angst haben.»
Eine neue Art von Software-Programmen sieht Prafull Sharma auf die Anwenderfirmen zukommen. Wie der Head of Digital and CIO Advisory beim Beratungsunternehmen KPMG an der Konferenz sagte, «lernen» Computer heute aus Abläufen und Regeln mit dem Ziel, die Prozesse anschliessend zu automatisieren. Die «selbstlernenden» Programme (oder Roboter) seien die Vorstufe zu «kognitiven» Systemen – wie IBMs Supercomputer Watson.
Die Maschinen sind nach den Worten Sharmas in Zukunft in der Lage, wie Menschen zu reagieren und zu agieren. Die Entwicklung einer «Digital Labor» sei im vollem Gange. «Sie müssen keine Angst haben vor den kognitiven Maschinen», meinte er. Jedoch äusserte er sich auch überzeugt, dass die Technologie die Jobs von einem Drittel der weltweit rund 300 Millionen Wissensarbeiter bedrohe. Service Provider wie Cognizant und Tata würden etwa in Zukunft weniger Personal einstellen und stattdessen die Dienste von Computern nutzen. Auch KPMG als reine Service-Organisation ist laut Sharma ebenfalls betroffen: Die auf das nationale Steuerrecht spezialisierten Berater müssten lernen, dass der Computer eine Expertise nicht nur in einem Land, sondern in vielen Ländern habe.