04.03.2016, 14:30 Uhr

Wie ein Geheimdienstinformatiker mit 570 GB Daten rausspazierte und von der UBS am Verkauf gestoppt wurde

Vor 4 Jahren wurde ein Informatiker erwischt, der Daten des Schweizer Geheimdiensts ins Ausland verkaufen wollte. Mittlerweile ist die Anklageschrift veröffentlicht, welche das ganze Ausmass des Falls zeigt.
Im April und Mai 2012 tat ein Mitarbeiter des Nachrichtendienstes des Bundes (NDB) etwas, das wohl nicht viele tun würden: Er ging jeden Tag zur Arbeit, obwohl er krankgeschrieben war. Das hatte allerdings nichts damit zu tun, dass die Loyalität des Mannes, nennen wir ihn G.H., gegenüber dem Geheimdienst besonders gross war. Das Gegenteil war der Fall: Er beklaute in dieser Zeit seinen Arbeitgeber. Der 47-Jährige Informatiker kopierte während dieser Tage riesige Datenberge auf seine Festplatten, um anschliessend mit ihnen durch die Tür hinaus zu spazieren. Der Fall wurde im Herbst 2012 zum Missfallen des Geheimdiensts bekannt, der hoffte, mit einer kleinen Meldung auf der Webseite sei die Sache erledigt. Die  Anklageschrift der Bundesanwaltschaft zeigt nun, vier Jahre später, warum der Bund die Sache klein halten wollte; Sie ist ziemlich gross.

570 GB für 1 Million

507.1 Gigabytes an Daten soll H. kopiert haben. Geheime, klassifizierte und besonders schützenswerten Daten und virtuellen Festplatten aus dem Sicherheitssystem des NDB, berichtet das SRF. Dazu gehören gemäss Anklageschrift detaillierte Informationen über die nachrichtendienstliche Zusammenarbeit mit ausländischen Diensten, Daten über geheimdienstlichen Operationen und Informationen zur Führung von Quellen. Kopiert wurden auch sämtliche E-Mail-Postfächer und Mailserver der internen und externen Kommunikation mit dem gesamten E-Mail-Verkehr aller Mitarbeitenden des NDB, inklusive Geschäftsleitung und Direktion. Diese Daten wollten H. ins Ausland verkaufen. Gemäss Anklageschrift soll er eine Offerte in englischer Sprache verfasst haben, in der er Daten in einzelnen Tranchen ab einem Betrag von 100 000 Franken anbot. Er rechnete, damit bis zu einer Millionen Franken erhalten zu können, berichtete 10vor10. Wen genau H. * als Abnehmer der Daten vorsah, ist nicht bekannt. Die Bundesanwaltschaft schreibt in der Anklageschrift von «ausländischen Stellen (ausländischen Parteien oder Organisationen)».

Nummernkonto doch nicht so sicher

Nun könnte argumentiert werden, das könne jeder Organisation geschehen. Und der Täter wurde ja gefasst. Aber hier reden wir vom Geheimdienst, der völlig intransparent ist, weil er aufgrund seiner besonders sensiblen und schützenswerten Daten dauernd auf die Geheimhaltungspflicht verweisen kann. Da müssten im Umkehrschluss auch deutlich höhere Sicherheitsvorkehrungen erwartet werden dürfen. Ein Untersuchungsbericht der Geschftsprfungsdelegation des Bundes (GPDel) zeigte in der Nachbearbeitung auch auf, dass in Sachen Informatiksicherheit im Geheimdienst sehr viel Verbesserungspotenzial besteht. Besonders NDB-Chef Markus Seiler geriet in die Kritik, blieb aber im Sessel. Ob sich die Sicherheit beim Geheimdienst inzwischen verbessert hat, wollte man telefonisch gegenüber Computerworld nicht kommentieren. Offenbar war der NDB auf Hilfe von aussen angewiesen, um dem Täter auf die Schliche zu kommen. G. machte den Fehler, wenige Tage nach dem Diebstahl auf eine UBS-Filiale gegangen zu sein, um sich nach einem Nummernkonto zu erkundigen. Er habe dem Kundenrberater mitgeteilt, er erwarte eine Überweisung von 100?000 bis einer Millionen Franken, und zwar aus einem bevorstehenden Datenverkauf. Der Berater den Vorfall intern und die Polizei hat die Polizei eingeschaltet, schreibt «SRF» mit Verweis auf andere Medien (in der Anklageschrift steht über den genauen Prozess der Anzeige nichts). So wurde der Informatiker am 25. Mai verhaftet und tags darauf durchsuchten Bundeskriminalpolizisten das Büro des Informatikers im NDB. Der Mann verbrachte 40 Tage in Untersuchungshaft. Er lebt heute in Italien. Letztes Jahr beschloss die Bundesanwaltschaft, gegen G. Anzeige zu erheben. Zu den Vergehen, die dem Ex-Informatiker des Nachrichtendienstes zur Last gelegt werden, zählen gemäss der Bundesanwaltschaft «Verbotener Nachrichtendienst», eventuell wirtschaftlicher Nachrichtendienst sowie Verletzung des Amtsgeheimnisses. Dem Mann drohen mehrere Jahre Haft.



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