Swisscom-Privatisierung 05.01.2016, 14:35 Uhr

Warum der Bund auf 23 Milliarden verzichten sollte

Einmal mehr steht die Forderung im Raum, die Swisscom zu privatisieren. Gründe dagegen sind immer schwieriger zu finden. Ein Kommentar von Fabian Vogt.
Soll die Swisscom privatisiert werden, wie es die OECD fordert? Wie es Bundesräte und Konkurrenten seit Jahren verlangen? Ich sage ja. Und versuche in dem Kommentar darzulegen, weshalb.
Erst einmal die Contra-Seite einer Privatisierung: Der Bund hat mit der Swisscom seit der Liberalisierung 23,9 Milliarden Franken verdient. Davon knapp die Hälfte durch Dividenden. Einnahmen, auf die der Bund verzichten müsste. Zudem würde er den Sitz im Swisscom-Verwaltungsrat verlieren und könnte die strategische Richtung nicht mehr mitbestimmen. Die Swisscom wäre nicht mehr «verpflichtet», die Telko-Grundversorgung zu gewährleisten und könnte sich auf Ballungszentren konzentrieren. Swisscom könnte auch an einen ausländischen Anbieter verkauft werden, womit die Bundesverwaltung, die kritische Infrastruktur am liebsten nur noch aus Schweizer Hand beziehen möchte, vor einem grsseren Problem stehen wrde. Doch zu jedem dieser Argumente gibt es auch eins auf der Pro-Seite. Die Bundesbeteiligung an der Swisscom besitzt derzeit einen Wert von rund 13 Milliarden Franken. Verliert die Aktie zehn Prozent, verliert der Bund 1,3 Milliarden Franken. Das Argument spielt natürlich auch, wenn der Aktienkurs steigt, trotzdem geht der Bund mit der Beteiligung ein enormes finanzielles Risiko ein. Würden die gut 26 Millionen Aktien dagegen nach und nach kontrolliert abgestossen, könnte der Bund mittelfristige sehr lukrative Erträge generieren.

Grundversorgung wird bleiben

Sehr oft wird die Befürchtung geäussert, dass Swisscom die Grundversorgung nach einer Privatisierung nicht mehr übernehmen würde. Eine unbegründete Sorge. Zwar kann der Bundesrat der Swisscom heute in den strategischen Zielen vorschreiben, die Grundversorgung übernehmen zu müssen (und hat das auch schon getan), der Nutzen davon ist aber gering. Die Aufsichtsbehörde ComCom kann bereits heute per Gesetz eine oder mehrere Anbieterinnen zur Grundversorgung verpflichten. Zudem ist Swisscom ökonomisch ohnehin auf gute Netze angewiesen, hat also ein Eigeninteresse an flächendeckender Netzabdeckung. Würde sie darauf verzichten, ihre Infrastruktur in ländlichen Gegenden auszubauen, würde sie Kunden verlieren. Denn der Infrastrukturwettbewerb in der Schweiz funktioniert besser als irgendwo sonst, beispielsweise haben Orange und Sunrise ihre LTE-Abdeckung in kürzester Zeit auf über 90 Prozent ausgebaut. Auch in Sachen Geschwindigkeit und genereller Netzabdeckung unterscheiden sich die drei Mobilfunkanbieter nur marginal. Zudem besitzt die Swisscom durch die gesetzliche Grundversorgung eine Cash-Cow, die sie sicher nicht hergeben möchte: Jedem Festnetzkunden darf sie maximal 25.35 Franken pro Anschluss verrechnen ? und reizt das aus. Das bringt ihr im Jahr abzüglich Unterhalt und Instandhaltung einen Reingewinn von rund 600 Millionen Franken.  Grundversorgung fällt als Argument also weg, was bleibt ist, dass der Bund die Möglichkeit verliert, alle vier Jahre eine Strategie vorzugeben. Doch sogar Swisscom-CEO Urs Schaeppi sagt, dass man in dem Bereich unternehmerischen Freiraum habe. Der, das muss jeder Kritiker zugestehen, in den letzten gut 15 Jahren sehr erfolgreich genutzt wurde. Der Umsatz der Swisscom ist gleich gross wie nach der Liberalisierung, obwohl mittlerweile 70 Prozent davon durch Produkte generiert wird, die es vor zehn Jahren nicht gab. Ende 2013 besass Swisscom einen Anteil am Mobilfunkmarkt von 54,2 Prozent. Die ehemaligen Telekommonopolisten der EU15-Länder (zB. BT, Deutsche Telekom, Telefonica, Telecom Italia) kamen auf durchschnittlich 40,4 Prozent. Und das sind nur die Zahlen der Privatkunden. Im Geschäftskundenbereich dürfte der Swisscom-Anteil zwischen 70 und 80 Prozent liegen. Weltweit muss zuerst ein Unternehmen gefunden werden, dem die Transformation vom Staatsbetrieb derart erfolgreich gelungen ist.

Konkurrenz muss schauen, wo sie bleibt

Doch der Schweizer Markt ist durch diese Dominanz kaum in Bewegung, die Konkurrenz muss nehmen, was die Swisscom übrig lässt. Dass sie unter den Voraussetzungen eine derart gute Infrastruktur schafft, kann ihr nicht hoch genug angerechnet zu werden. Und scheint sich an der Marktsituation etwas ändern zu können, beispielsweise als Orange und Sunrise vor einigen Jahren fusionieren wollten, gibt es sicher eine Behörde ? in dem Fall die Weko ? die Gründe findet, das zu verhindern. Denn die Swisscom besitzt den mit Abstand grössten Lobbyapparat der Telkos und es ist eine ihrer Lieblingsbeschäftigungen, die Gegner so lange mit Gerichtsverfahren zu überladen, bis die daraus resultierenden Strafen die Gewinne lcherlich erscheinen lassen. Das ist im Rahmen des Gesetzes und unternehmerisch legitim. Allerdings kann es nicht sein, dass der Steuerzahler solche Spielchen finanziert. Wie es auch nicht sein kann, dass die Swisscom die Gelder nutzt, um in immer neue Bereiche vorzustossen in denen Private konkurriert werden, beispielsweise ins Stromgeschäft. Es ist darum an der Zeit für den Bund, die Zeichen der Zeit zu erkennen und die Swisscom loszulassen.



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