24.02.2014, 09:59 Uhr

Ein Schweizer Datacenter am Polarkreis

Der Schweizer IT-Dienstleister Inserto hat sein Datacenter in Zug aufgelöst und komplett neu aufgebaut – in Island. Motivation und Erfahrungen eines ungewöhnlichen Umzugs.
Der Schweizer IT-Dienstleister Inserto hat sein Datacenter in Zug aufgelöst und am Polarkreis komplett neu aufgebaut.
Der Autor ist Geschäftsleiter der Inserto AG. Das Unternehmen ist auf Consulting- und Engineering-Dienstleistungen rund um den Aufbau von IT-Infrastrukturen für Mittel- und Grossbetriebe spezialisiert.
Wer seinen Kunden empfiehlt, in ein Datacenter auszulagern, sollte die Situation aus eigener Erfahrung kennen. Nur so weiss man als Dienstleister, wovon man redet, kann die Bedürfnisse der Kunden besser verstehen und sehen, wohin sich die Technik bewegt. Die Inserto AG hat sich daher – nach intensiven internen Diskussionen – zu einem radikalen Schritt entschlossen: Der Rechnerraum in Zug wurde aufgelöst und stattdessen in Island ein eigenes Datacenter aufgebaut. Aktuell werden dort 35 physische Hosts mit total rund 300 CPU Cores und 3 TB RAM sowie vier Storage Server mit total 110 TB Storage betrieben und remote verwaltet. Zwei getrennte, unterbrechungsfreie Stromversorgungen (USV) mit 120 Batterien und ein Dieselaggregat mit 45 kW sowie zwei physisch redundante Zugänge ins Internet (50 MB Glas und 20 MB Radio-Link) erlauben einen unterbrechungsfreien Betrieb. Derzeit laufen rund 400 virtuelle Maschinen für Labs und Konzeptverifikationen in unterschiedlichen Konfigurationen. Von Zug aus kann innert Sekunden online und von überall her mit einem Live-Datacenter-Link auf wichtige Betriebsdaten und drei Kamera-Aussenansichten zugegriffen werden, um eine erste, schnelle Einschätzung des Zustands des Datacenters zu erhalten. Liegt ein Wert ausserhalb der Norm, erfolgt per E-Mail automatisch eine Benachrichtigung. Über einen Internetzugang kann der Administrator sofort die Steuerungen aufrufen und die nötigen Handlungsschritte vornehmen.

Wo sind die Daten?

Ob die Daten anonym in einer Cloud oder in einem bekannten Datacenter gespeichert werden, kann für einen Betrieb entscheidend sein. Grundsätzlich vertreten wir die Meinung, dass eine Schweizer Firma zumindest wissen muss, an welchem geografischen Ort die Unternehmensdaten gespeichert werden und wer diesen Speicherplatz betreibt. Bei vielen Datacenter-Angeboten ist für den Nutzer nicht klar, wo der phy­sische Speicherort liegt, noch weniger Transparenz herrscht naturgemäss bei Cloud-Lösungen. Die Zusammenarbeit mit einem Schweizer Partner bedeutet schliesslich nicht per se, dass die
Daten auch auf Servern in der Schweiz liegen. Zukunftsorientiert ist eine Datacenter-Strategie nur dann, wenn sie unterschiedliche Nutzungsmodelle kombiniert. Die Anwenderinnen und Anwender sollten also in der Wahl der Services (On-Premise, Private oder Public Cloud) grösstmögliche Flexibilität haben und die Rechenleistung optimal an ihre individuellen Bedürfnisse anpassen können. Lesen Sie auf der nächsten Seite: warum gerade Island?

Warum gerade Island?

Das Datacenter von Inserto wird in der Nähe von Akureyri betrieben, im Norden Islands. Mit rund 17 600 Einwohnern stellt die Hafenstadt das grösste Bevölkerungszentrum ausserhalb der Hauptstadt Reykjavik und das grösste Dienstleistungszentrum im nördlichen Teil der Insel dar. Die 320 000 Isländerinnen und Isländer haben eine erstaunlich hohe IT-Affinität. Reykjavik weist zum Beispiel eine der höchsten Mobiltelefondichten einer Hauptstadt auf. Mehr als 83 Prozent der isländischen Haushalte verfügen gemäss OECD über einen Internet-breitbandanschluss. Damit nimmt das Land weltweit einen Spitzenplatz ein. Ein weiteres wichtiges Kriterium bei der Standortwahl – nicht nur mitten im Nordatlantik – ist die Erschliessung. In Island folgt ein doppelter Glasfaserring grob dem Küstenlauf. In der Hauptstadt Reykjavik befindet sich seit 1999 einer von weltweit 340 Internetknoten (RIX, Reykjavik Internet Exchange). Die Verbindung nach Europa stellt «Danice» sicher, eine 2250 Kilometer lange Untersee-Kabelverbindung zwischen Landeyjarsandur, Island, und Blaabjerg, Dänemark. Sie besteht aus vier Glasfaserpaaren, die zusammen bis zu 35,2 Tbit/s transportieren können (pro Strang 8,8 Tbit/s). Zudem weist Island einen Energieüberschuss auf. Der Strom ist günstig und stammt mit Erdwärme und Wasserkraft zu 100 Prozent aus erneuerbaren Quellen. Dank der tiefen Lufttemperaturen braucht das Rechenzentrum keine aktive Kühlung, sondern lediglich Aussenluft. Der Kühlaufwand ist also viel geringer als in der Schweiz. Da rund 50 Prozent der Betriebskosten eines Datacenters auf die Energie entfallen, fällt dieses Kriterium ins Gewicht. Inserto spart so pro Jahr rund 130000 kWh Strom. Lesen Sie auf der nächsten Seite: praktische Umsetzung

Praktische Umsetzung

On-Premise aufgebaut ist bei Inserto eine lokale, minimale Zugriffsinfrastruktur am Firmensitz in Zug. Das eigene Datacenter in Island wird für die tägliche Konzept- und Entwicklungsarbeit eingesetzt. Die Cloud-Lösungen von «Windows Azure» (Microsofts Cloud-Computing-Plattform) mit Anwendungen, Datenbanken und Leistungen nutzen die IT-Fachleute für das Backup (Desaster Recovery Services) und für temporäre Bedürfnisse, da sich Azure perfekt den gerade aktuellen Anforderungen anpasst. Insgesamt investierte das Unternehmen 2013 250000 Franken in den Auf- und Ausbau des Rechenzentrums am Polarkreis.
Externes Datacenter: Darauf sollten Sie achten
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Service Level Agreement: SLA für alle systemrelevanten Komponenten wie Energie, Klimatisierung, Internet etc.
Skalierbare Lösung: Flexibel auf künftige Anforderungen reagieren können (Performance und Kapazität).
Monitoring: Monitoring der systemrele­vanten Komponenten und regelmässige Tests, proaktive Information der Kunden.
Verfügbarkeit: Technischer Support und Zutrittszeiten während 7 x 24 Stunden.


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