Design Thinking: Kundenbedürfnisse stehen im Mittelpunkt
Scheitern muss erlaubt sein
Um dieses Ziel zu erreichen, empfiehlt Prislin, ein «interdisziplinäres, autonom agierendes Team» zu bilden, «das die Aufgabenstellung aus unterschiedlichsten Blickwinkeln beleuchtet». Das Problem sei nur, dass dies in vielen Unternehmen mit ihren abgeschlossenen Abteilungen meist ebenso wenig vorgesehen sei wie eine Kultur des Scheiterns. Genau diese sei aber bei der Entwicklung neuer Lösungen unabdingbar. Man müsse auch beachten, dass Design Thinking nicht zu einer Betrachtung der Wirtschaftlichkeit von Lösungen geeignet sei.
Prislin rät zum Einsatz von Design Thinking immer dann, wenn «Unternehmen und Auftraggeber ernsthaft an ungewöhnlichen Lösungen und Ansätzen interessiert sind, die auch wirklich den Bedarf von Nutzern respektive Kunden treffen sollen». Bei kontinuierlichen Weiterentwicklungen bestehender Lösungen sollte man jedoch lieber auf vertraute Methoden wie den Wasserfall setzen. Das Wasserfallmodell ist ein strikt lineares System, das in aufeinanderfolgenden Phasen organisiert ist. Jede Phase hat dabei vordefinierte Start- und Endpunkte mit eindeutig bestimmten Zielen. Nach Ansicht von Prislin lässt sich Design Thinking dagegen «überall dort einsetzen, wo man die Ausgangssituation, also den Bedarf des Kunden, noch nicht wirklich kennt». Er nennt als Beispiele «neue haptische Produkte, digitale oder analoge Services, aber auch Prozesse, die für den jeweiligen Nutzer neu ausgerichtet werden sollen». Auf die digitale Transformation angesprochen, ist Prislin auch hier von Design Thinking überzeugt. Die Methodik passt seiner Meinung nach «explizit auch auf die Anwendung innerhalb der digitalen Transformation».
Design Thinking scheitere nur dann, wenn «dem Team vom Start weg die Lösung eigentlich schon innerhalb der Aufgabenstellung vorgeschrieben» worden sei. Das gelte auch für Fälle, bei denen auf relevante Erkenntnisse aus der Beschäftigung mit dem Nutzer keinen Wert gelegt wurde. Positiv wirke sich dagegen aus, wenn von Anfang an offen mit der jeweiligen Aufgabenstellung umgegangen werde. Dazu zähle insbesondere die Möglichkeit, diese im Bedarfsfall bei neuen, relevanten Erkenntnissen abändern oder anderweitig justieren zu können.
Nicht immer passend
«Viele Unternehmen glauben, dass nur flink eine neue Methode eingeführt und der passende Kreativraum eingerichtet werden muss, und schwupps ändert sich alles. Das ist nicht der Fall», ergänzt Miriam Soltwedel. Design Thinking sei viel mehr eine Haltung als eine Methode. Ihrer Ansicht nach ist die Herausforderung eher, «die Fokussierung auf die Nutzerbedürfnisse in die Köpfe der Kollegen zu bekommen». Als Positivbeispiel für den erfolgreichen Einsatz von Design Thinking nennt sie Bosch. Der Hersteller habe sich in einem Experiment auf Frauen als Nutzergruppe von Baumaschinen fokussiert und sei deren besonderen Bedürfnissen und Ansprüchen nachgegangen. «Daraus ist der sehr erfolgreiche Mini-Akkuschrauber IXO entstanden», sagt Soltwedel. «Bei jeglicher Entwicklung, ob Produkte, Services oder Dienstleistungen, muss der erste Schritt sein, das Problem und die Nutzerbedürfnisse zu identifizieren.» Wichtig sei dabei besonders der «Rückhalt von ganz oben», der sei «Gold wert». Die Praxis zeige, dass «viele Projekte versanden, wenn der Nutzer nicht im Fokus behalten und dieses ‹Mindset› nicht ernst genommen wird». Dann gelte es, «auszuprobieren und gewissenhaft und ehrlich zu reflektieren, was passt und was nicht».
Fazit
Beim Design Thinking gehört das Chaos zum Prinzip. Mit «Design» hat die Methodik dabei nur relativ wenig zu tun. Stattdessen geht es darum, den Menschen und seine Bedürfnisse ins Zentrum von Neuentwicklungen zu stellen. Wenn dann noch die Geschäftsführung mitmacht, ihren Mitarbeitern genügend Freiraum lässt und auch – zumindest gelegentliches – Scheitern zulässt, dann hat Design Thinking das Potenzial, die Entwicklung neuer Produkte zu revolutionieren und für mehr Erfolge zu sorgen. Ausserdem landen dann künftig möglicherweise weniger «bahnbrechende» Produkte im Museum of Failure in Schweden.
Autor(in)
Andreas
Fischer