17.06.2010, 16:01 Uhr
«Das Schlimmste ist, wenn die Informatik die IT zum Selbstzweck betreibt»
Fünfzehn IT-Manager aus Schweizer Unternehmen stellen im Buch «Erfolgreiches IT-Management in der Praxis» ihre Lösungen für aktuelle Herausforderungen von CIOs vor. Computerworld fragte die Herausgeber Mario Crameri und Uwe Heck nach erprobten Rezepten.
Die Abstimmung zwischen IT und Business, der Wertbeitrag der Informatik zum Geschäftserfolg und Trends wie Cloud Computing - alles heisse Eisen, mit denen CIOs zurzeit jonglieren müssen. Mario Crameri von Credit Suisse und Uwe Heck von der Fachhochschule St. Gallen haben weitere 13 Kollegen gebeten aufzuzeichnen, wie sie diese angepackt haben. Das Resultat haben sie in einem «CIO-Leitfaden» zusammengefasst. Computerworld diskutiert mit den Herausgebern über diese Thesen.
CW: Kann IT-Management funktionieren, wenn der IT-Leiter nicht mit dem Chef des Fachbereichs auf Augenhöhe reden kann? Gehört der CIO in die Geschäftsleitung?
CW: Kann IT-Management funktionieren, wenn der IT-Leiter nicht mit dem Chef des Fachbereichs auf Augenhöhe reden kann? Gehört der CIO in die Geschäftsleitung?
Crameri: Ganz klar muss der CIO in die Geschäftsleitung. Insbesondere in Branchen, die ohne IT nicht funktionieren - wie in der Finanzindustrie - wäre es absurd, wenn das Business sämtliche strategische Entscheidungen ohne die Informatik treffen würde. Umgekehrt gilt aber auch: IT-Beschlüsse ohne Konsultation des Fachbereichs darf es nicht geben.
Heck: IT ist von unternehmensweiter Bedeutung und deren gezielte Gestaltung ist zunehmend erfolgskritisch für das Unternehmen. Es braucht daher eine Planung & Steuerung der IT aus der Perspektive der Geschäftsleitung und daher den Einsitz des CIO auf oberster Management-Ebene. Dabei muss er/sie als Gesprächspartner das alleinige «Techniker-Image» ablegen und Business-/Unternehmer-Know-how belegen können.
Die «Swiss IT»-Studie der Computerworld ergab, dass sich die IT als grössten Business-treiber sieht. Aus Sicht des Business' treibt die IT aber nicht genug. Wie erklären Sie diesen Widerspruch?
Crameri: Es ist heute modern, sich als Businesstreiber zu positionieren. Wenn die Fachabteilung das anders sieht, geht sie von falschen Voraussetzungen aus. Denn die IT ist zudem noch damit beschäftigt, die Basis bereitzustellen. Dieser Teil wird gerne vergessen - oder als so selbstverständlich wahrgenommen wie der Strom aus der Steckdose. Niemand ruft beim Abwart an und lobt ihn dafür, dass Strom fliesst. Man ruft erst an, wenn kein Strom mehr fliesst. Dies ist ein Wahrnehmungsfehler, der häufig gemacht wird. Die IT ist stolz auf einen stabilen Betrieb, das Business kümmert das schlicht nicht. Der erste Ansatz für den CIO ist es, diese Leistung dem Business zu verkaufen. Auch IT-Betrieb ist ein Wert - und damit Business.
Schwierigkeiten entstehen ausserdem dadurch, dass Business und IT nicht die gleiche Sprache sprechen. Hier kann ein Intermediator helfen. PostFinance hat zum Beispiel eine Stelle für IT-Kommunikation installiert. Dort verkauft ein Marketingspezialist intern die Leistungen der Informatik. Damit kann der IT-Manager technische Probleme lösen und muss sich nicht um den Verkauf kümmern. Auf der anderen Seite muss sich das Business nicht in die Position der IT hineinversetzen. Beides übernimmt der IT-Kommunikationsexperte. Dieses Modell gewinnt an Popularität.
Bei der Selbsteinschätzung des CIO ist häufig auch der Wunsch Vater des Gedankens. Natürlich möchte jeder CIO als Businesstreiber wahrgenommen werden. In der Realität ist es aber häufig schwierig, sich als Innovator zu positionieren - insbesondere wenn die IT eine reine Kostenstelle ist.
Die «Swiss IT»-Studie der Computerworld ergab, dass sich die IT als grössten Business-treiber sieht. Aus Sicht des Business' treibt die IT aber nicht genug. Wie erklären Sie diesen Widerspruch?
Crameri: Es ist heute modern, sich als Businesstreiber zu positionieren. Wenn die Fachabteilung das anders sieht, geht sie von falschen Voraussetzungen aus. Denn die IT ist zudem noch damit beschäftigt, die Basis bereitzustellen. Dieser Teil wird gerne vergessen - oder als so selbstverständlich wahrgenommen wie der Strom aus der Steckdose. Niemand ruft beim Abwart an und lobt ihn dafür, dass Strom fliesst. Man ruft erst an, wenn kein Strom mehr fliesst. Dies ist ein Wahrnehmungsfehler, der häufig gemacht wird. Die IT ist stolz auf einen stabilen Betrieb, das Business kümmert das schlicht nicht. Der erste Ansatz für den CIO ist es, diese Leistung dem Business zu verkaufen. Auch IT-Betrieb ist ein Wert - und damit Business.
Schwierigkeiten entstehen ausserdem dadurch, dass Business und IT nicht die gleiche Sprache sprechen. Hier kann ein Intermediator helfen. PostFinance hat zum Beispiel eine Stelle für IT-Kommunikation installiert. Dort verkauft ein Marketingspezialist intern die Leistungen der Informatik. Damit kann der IT-Manager technische Probleme lösen und muss sich nicht um den Verkauf kümmern. Auf der anderen Seite muss sich das Business nicht in die Position der IT hineinversetzen. Beides übernimmt der IT-Kommunikationsexperte. Dieses Modell gewinnt an Popularität.
Bei der Selbsteinschätzung des CIO ist häufig auch der Wunsch Vater des Gedankens. Natürlich möchte jeder CIO als Businesstreiber wahrgenommen werden. In der Realität ist es aber häufig schwierig, sich als Innovator zu positionieren - insbesondere wenn die IT eine reine Kostenstelle ist.
Wie erklären Sie Ihrem Chef, dass er nicht jedem IT-Trend folgen muss? Was entgegnen Sie, wenn er etwa ein iPhone haben möchte?
Crameri: Der wichtigste Aspekt ist, die IT- mit der Businessstrategie abzustimmen. Wenn die Geschäftsleitung die Strategien einmal abgenommen hat, kann der CIO diese Übereinkünfte immer wieder vorlegen. Damit erübrigen sich Diskussionen wie die um iPhones fürs Kader oftmals schon, denn das iPhone passt sicher in keine Standardisierungsstrategie.
Eine andere Argumentation als die strategische ist die operative: Wenn ein Unternehmen sich mit Standards begnügt, profitiert es von tiefen Kosten. Alle Abweichungen vom Standard kosten extra. Wenn der CIO den Chef mit diesen Kosten konfrontiert, nimmt dieser häufig Abstand von seinen Forderungen. Hier schliesst die Diskussion an, wie detailliert IT-Kosten umgelegt werden. Ideal ist sicher, wenn es eine Abrechnung pro Mitarbeiter gibt. Im Beispiel hiesse das: Ein BlackBerry wäre Standard, der 100 Franken im Jahr kostet, ein iPhone kostet 1000 Franken. So überzeugt jeder CIO seinen Chef, wenn er Extrawünsche hat.
Eine andere Argumentation als die strategische ist die operative: Wenn ein Unternehmen sich mit Standards begnügt, profitiert es von tiefen Kosten. Alle Abweichungen vom Standard kosten extra. Wenn der CIO den Chef mit diesen Kosten konfrontiert, nimmt dieser häufig Abstand von seinen Forderungen. Hier schliesst die Diskussion an, wie detailliert IT-Kosten umgelegt werden. Ideal ist sicher, wenn es eine Abrechnung pro Mitarbeiter gibt. Im Beispiel hiesse das: Ein BlackBerry wäre Standard, der 100 Franken im Jahr kostet, ein iPhone kostet 1000 Franken. So überzeugt jeder CIO seinen Chef, wenn er Extrawünsche hat.
Welche Zukunft sehen Sie für Cloud Computing in Ihrer Branche? Wird eine Schweizer Bank jemals Kundendaten auslagern?
Crameri: Banken diskutieren intensiv über Cloud Computing - allerdings muss man unterscheiden zwischen Private und Public Cloud. Eine Public Cloud ist in den nächsten Jahren kein ernsthaftes Thema für den Bankensektor, insbesondere wenn es um Kundendaten geht. Allerdings überlegen die meisten Banken, welchen Nutzen Cloud Computing für sie haben kann. Etwa gibt es abseits der Kunden- und Mitarbeiterdaten noch die Parkplatzverwaltung, welche die Banken-IT bisher selbst betreibt und durchaus in die Cloud auslagern könnte. Alle anderen Initiativen in unserem Sektor sind ausschliesslich Private Clouds. Zudem ist Cloud Computing ein sehr weiter Begriff - von Software as a Service bis zur Public Cloud. Valorenkurse von Telekurs können auch Banken aus der Cloud beziehen, aber viel weiter wird es nicht gehen.
Gibt es andere Branchen, in denen das Cloud-Modell rentieren würde, aber aufgrund von Sicherheitsbedenken nicht angewendet wird?
Carmeri: Das ist eine oft zitierte Ausrede der IT-Manager, die sich gegen das Auslagern wehren - auch beim Outsourcing. Sie lässt sich nur mit dem Widerstand gegen Veränderungen erklären. Ein Beispiel wäre aber die Pharmaindustrie, die bei Medikamententests nur für eine kurze Zeit viel Rechenleistung benötigt. Dies ist die ideale Anwendung für Cloud Computing.
Heck: Ein anderes Beispiel sind die öffentlichen Verwaltungen und Hochschulen. Hier könnte man durch die Nutzung gemeinsamer Infrastrukturen und Anwendungen Kosten sparen und gleichzeitig behörden- und/oder hochschulübergreifende Geschäftsprozesse unterstützen. Zudem hätte das den Vorteil, dass die Systeme abgesichert und hoch verfügbar sind - verglichen mit einem Server im Keller des Gemeindehauses.
Konsolidieren, Sourcing und Standardisieren sind Kernaufgaben des IT-Leiters. Welche drei Tipps haben Sie für Ihre Kollegen?
Crameri: Sie sollten nie den Business-Nutzen aus den Augen verlieren. Heisst: Das Konsolidieren und Standardisiern muss immer ein Business-Case aufweisen. Tödlich ist auch das Folgen von Branchen-Trends. Wenn zum Beispiel alle Mitbewerber Outsourcen, muss dies nicht zwingend eine Option für das eigene Unternehmen sein. Und nicht zuletzt sollten IT-Leiter auch den Faktor Mensch beachten - am Ende ist eine IT Organisation nur so gut, wie es die Leute sind.
In grossen Unternehmen sind teils sehr viele selbst entwickelte Lösungen im Einsatz, die massig Ressourcen kosten. Sehen Sie einen Trend zur Ablösung und Standardisierung?
Crameri: Ja, den Trend sieht man klar. Kleinere und mittlere Firmen können es sich nicht leisten, alles selbst zu entwickeln. Grossunternehmen stehen jedoch vor der Herausforderung, dass viele Standardlösungen nicht für ihre Volumen skalieren, sodass sie am Ende doch selbst entwickeln müssen.
In der Schweiz gibt es weiterhin zu wenig hoch qualifizierte Mitarbeiter. Wie werben Sie und Ihre Kollegen um Fachkräfte aus dem In- und Ausland?
Crameri: Hier kann ich für die Credit Suisse sprechen. Wir beginnen vor dem «Werben», d.h. beim «Entwickeln». Wir bilden jedes Jahr beispielsweise Informatiklehrlinge aus. In der IT in der Schweiz wird die Credit Suisse die Anzahl Career Starter und Lehrlinge in den nächsten fünf Jahren markant erhöhen, zum Beispiel die Anzahl an IT-Lehrlingen von heute insgesamt 50 Auszubildenden auf über 100. Zudem sind wir auch sehr aktiv an Fachhochschulen sowie Universitäten, und wir investieren bis zu 10 Millionen Franken in die Förderung der IT Berufsbildung Es muss uns gelingen, den Beruf des Informatikers den Schulabgängern wieder schmackhafter zu machen.
Heck: Das Berufsfeld Informatik wird leider noch zu sehr mit in Bits-und-Bytes-verliebten Einzelkämpfern und nicht auch mit einem kreativen Management der IT assoziiert. Hier müssen die Hochschulen noch einiges an Arbeit leisten und ggf. ihre Lehrpläne aktueller gestalten.
Buchtipp
Erfolgreiches IT-Management in der Praxis: Der Leitfaden liefert IT-Managern sowie Master-Studenten umfassendes Know-how zur Bearbeitung der dringendsten Themen von CIOs: die optimale Ausrichtung von IT am Business, die Darstellung des Geschäftsnutzens der IT und das Gewinnen von Fachkräften. Zu diesen und weiteren Fragestellungen präsentieren IT-Manager aus renommierten Schweizer Unternehmen ihre Lösungsansätze.
Mario Crameri & Uwe Heck (Hrsg.), Erfolgreiches IT-Management in der Praxis - Ein CIO-Leitfaden, ISBN: 978-3-8348-0845-5
Erfolgreiches IT-Management in der Praxis: Der Leitfaden liefert IT-Managern sowie Master-Studenten umfassendes Know-how zur Bearbeitung der dringendsten Themen von CIOs: die optimale Ausrichtung von IT am Business, die Darstellung des Geschäftsnutzens der IT und das Gewinnen von Fachkräften. Zu diesen und weiteren Fragestellungen präsentieren IT-Manager aus renommierten Schweizer Unternehmen ihre Lösungsansätze.
Mario Crameri & Uwe Heck (Hrsg.), Erfolgreiches IT-Management in der Praxis - Ein CIO-Leitfaden, ISBN: 978-3-8348-0845-5