Ellison
26.09.2016, 13:45 Uhr
«Die Marktführerschaft von Amazon ist beendet» - Irrtum, sie hat gerade erst begonnen
Der Druck wächst, Oracles Top-Management wird zunehmend nervös. Computerworld diskutierte mit Schweiz-Chef Hanspeter Kipfer über die Cloud-Strategie des Unternehmens, und was Schweizer Kunden davon haben.
Herr Kipfer, Oracle gibt in der Cloud kräftig Gas. Was waren für Sie die Highlights der Oracle Open World und was ist für Schweizer Kunden besonders interessant?
Hanspeter Kipfer: Das Highlight ist für mich die integrierte Cloud. Der neue Integrationslayer bindet die unterschiedlichen Cloud-Services unserer Kunden an. Es geht dabei nicht nur um die Cloud-Dienste von Oracle, sondern von allen Cloud-Anbietern. Middleware erlebt gerade eine Renaissaince, wenn es darum geht, Geschäftsprozesse über die Clouds verschiedener Anbieter hinweg zu etablieren. Da haben wir ein Alleinstellungsmerkmal, denn die meisten Cloud-Anbieter konzentrieren sich auf ihre eigenen Dienste.
Viele Schweizer Kunden haben gegenüber Computerworld die Befürchtung geäussert, die Cloud sei das Silo der nächsten Generation. Einmal drin, nie wieder raus.
Kipfer: Das ist genau der Punkt. Unser Integrationslayer bindet alle Cloud-Dienste an, die der Kunde benötigt.
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Allerdings holt man sich als Anbieter damit auch die Konkurrenz mit ins Boot, zum Beispiel Salesforce CRM oder SAP ERP. Beides Märkte, die auch Oracle adressiert.
Kipfer: SAP ERP sehe wir eher weniger, aber Salesforce ganz sicher, das ist Realität. Wir können uns nicht der Realität verschliessen, wenn wir unsere Kunden gut bedienen wollen und sind von unserer Strategie der offenen Schnittstellen überzeugt.
Welche Cloud-Services werden von Schweizer Kunden gerne benutzt?
Kipfer: Bisher wurden von von unseren Kunden hauptsächlich Cloud Services im Bereich „Customer Experience“ genutzt. Das ist insofern nachvollziehbar, weil die Bereiche „Sales“ und „Marketing“ erst in der jüngsten Vergangenheit auf für sie massgeschneiderte Lösungen bauen konnten. Die wertvollsten Einsatzgebiete sehen wir jedoch im Bereich „Operational Efficency“, wie ERP und HCM. Auch Analysten sehen dort den grössten Nutzen für grosse und mittelgrosse Unternehmen.
Was ist mit SAP ERP und der HCM-Lösung Successfactors?
Kipfer: SAP Successfactors spüren wir als Player im Schweizer Markt nicht so stark. Wer SAP sagt, meint ERP. Die SAP hat bei Oracle an Aufmerksamkeit verloren, weil wir sie im Moment nicht als Cloud-Player wahrnehmen.
Unsere Landscape hat sich ein wenig verschoben: Wir schauen auf Salesforce oder Workday im Bereich SaaS, und wir schauen ganz speziell auf Amazon und Microsoft. Das sind aus unserer Sicht die wesentlichen Cloud-Player, denen wir uns stellen müssen, um unsere Infrastructure-as-a-Service (IaaS) auf dem Markt zu etablieren. IaaS (Computing, Storage, Networking) ist ein ganz wichtiges Angebot, das momentan bei unseren Kunden die höchste Priorität geniesst. Denn damit lassen sich Kosten senken.
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Warum wird IaaS jetzt plötzlich so wichtig?
Kipfer: IaaS ist für Oracle ein Einstiegsthema, damit kann man gutes Geld verdienen. Wir bauen dafür gerade Bare-Metal- und IaaS-Angebote auf. Für viele Kunden ist die Infrastruktur der Einstieg in die Cloud. Für uns sind IaaS-Dienstleistungen Teil unserer Strategie, Oracle-Anwendungen auf einer Oracle-Infrastruktur anbieten zu können. Es ist für uns ein interessantes Marktsegment, denn der Marktanteil vom Konkurrenten AWS liegt unter Oracle-Kunden im einstelligen Prozentbereich, ist also relativ klein. Die Oracle-Datenbank läuft am besten in der Oracle-Cloud, nicht in der Amazon-Cloud.
Woran liegt das?
Kipfer: Unser Security-Konzept ist besser und die Latenzzeiten signifikant kürzer. Denn in unserer Infrastruktur setzen wir auf ‚Engineered Systems‘ wie die Datenbank-Maschine Exadata, also auf angepasste und auf den Oracle-Stack optimierte Systeme, je nach Wunsch dediziert oder shared. Da darf man schon sagen: Oracle runs best on Oracle. Dieser Stack ist on-premise und jetzt vollkommen identisch auch in der Cloud verfügbar.
Für eine weltweite Expansionsstrategie ist die Anzahl der Rechenzentren entscheidend, die möglichst nahe am jeweiligen Markt sein sollten. Wie viele Rechenzentren unterhält Oracle weltweit?
Kipfer: 19 sind in Betrieb, einige weitere ziehen wir zurzeit hoch. Es ist ja nicht so, dass wir alle Rechenzentren selbst betreiben. Wir nehmen auch die Dienste von Service-Partnern in Anspruch, mieten also ‚Floor space‘. Wir sehen eigene Rechenzentren als eine unserer Kernkompetenzen und als eine Verantwortung, der wir uns stellen. Oracle kennt sich am besten mit Oracle-Produkten aus. Wir haben zwei Rechenzentren in Deutschland, jeweils eins in Holland und Spanien.
In der Schweiz hostet auch die Swisscom Oracle-Lösungen. Wäre partnern nicht effezienter als bauen?
Kipfer: Sie wählen den Anbieter ihres Vertrauens und bald wird es mehrere Oracle Partner geben, die die Oracle Cloud ihren Kunden im Rahmen des „Oracle Cloud Managed Servcie Provider (MSP)“ Program anbieten werden. Zusätzlich können Unternehmen mit unserem neuen cloud@customer-Angebot auch Lösungen aus der Public Cloud hinter ihrer eigenen Firewall betreiben. Es gibt nicht viele Unternehmen, die auf on-premise verzichten und auf dem Plattformlayer eine Zero-Datacenter-Strategie verfolgen.
Oracle-CEO Mark Hurd ist da anderer Meinung und prognostiziert für die Cloud im Jahr 2025, dass 80 Prozent der firmeneigenen Rechenzentren verschwunden sein werden. Glauben Sie ihm das?
Kipfer: Das ist seine These – und ich denke diese wird in einigen Industrien und Geographien Realität werden.
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Der Königsweg ist und war doch die hybride Cloud, kritische Lösungen on-premise, der unkritische Rest gerne in die Cloud.
Kipfer: Ich teile ihre Meinung. Hurd hat seine These weltweit aufgestellt, und die Schweiz wird sich überproportional in den 20 Prozent wiederfinden, die weiterhin ihr firmeneigenes RZ betreiben. Aber Mark Hurds zweite Prognose ist viel interessanter: Heute fliessen 80 Prozent des IT-Budgets in den Betrieb (Operations) und nur 20 Prozent in die Innovation. Durch die Cloud, so Hurd, wird sich dieses Verhältnis umkehren. 80 Prozent fliessen in die Innovation, 20 Prozent in der Betrieb.
Das ist natürlich eine gute Aussicht.
Kipfer: Es ist eine absolute Notwendigkeit. IT wird heute in den verschiedenen Industrien als Unternehmensfaktor angesehen. Viele Schweizer Unternehmen können sich über Produkte und Dienstleistungen immer weniger differenzieren, weil das Commodities sind. Entscheidende Wettbewerbsfaktoren sind vielmehr eine günstigere Kostenstruktur und schnellere Innovationszyklen als die Konkurrenz.
Kunden kommen mit einer überlegeneren Cloud-Infrastruktur schneller mit ihren Produkten auf den Markt, und das ist der grösste Motivationsfaktor. Durch unser Integrationslayer haben sie die Freiheit der Wahl. Amazon und Salesforce dagegen verfolgen eine Lock-in-Strategie, aus diesen Clouds kommen sie als Kunde kaum mehr heraus.
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Sind grosse Cloud-Rechenzentren tatsächlich so sicher, wie immer behauptet wird? Je grösser das Ziel, desto attraktiver ist es für Cyberkriminelle, und dann werden mal wieder 50 Millionen Kreditkarteninfos entwendet. Mit meiner kleinen mittelständischen On-premise-Landschaft dagegen bewege ich mich unterhalb des Radars der Hacker. Ist daher klein nicht sicherer als gross?
Kipfer: Sicherheit steht für Schweizer CIOs ganz oben auf der Agenda. Wenn Sie aber nachschauen, wofür das Geld ausgegeben wird, dann landet Sicherheit ganz unten auf der Liste. Warum ist das so? Niemand aus dem Business ist bereit, für die Sicherheit Geld auszugeben. Denn für jeden Franken, den das Business investiert, will es einen unmittelbaren Return. Für den in Sicherheit investierten Franken gibt es aber keinen Return.
Deshalb ist der Sicherheitsbereich unterbudgetiert. Der Schwarze Peter wird am Ende gerne dem CIO zugeschoben: Du sorgst schon dafür, dass alles sicher ist. Aber mein Geld will ich nicht dafür ausgeben. Wir sind in der Lage, IT sicherer zu betreiben, als die meisten Kunden es selber können.
Was würden Sie Kunden empfehlen, die bislang noch nicht die grössen Cloud-Enthusiasten sind? Worüber sollten Sie nachdenken?
Kipfer: Ich empfehle, das Thema Cloud im Gesamtkontext der Digitalisierung anzuschauen, nicht nur als Kostenreduzierer. Cloud ist für uns ein Innovationswerkzeug, das zwar Kosten spart, aber auch Investitionen freisetzt und den Weg für schnellere Innovationen freimacht. Die Cloud ist einer der fünf Digitalisierungstreiber Big Data Analytics, Mobile, Social und das Internet der Dinge.
Was wären typische Einstiegspunkte in die Cloud?
Kipfer: Es gibt zwei Einstiegspunkte: Der eine führt bottom-up über die IT-Infrastruktur, wir nennen das ‚lift & shift‘. Wir nehmen den ganzen On-premise-Stack des Kunden und transportieren ihn auf den Oracle Stack in der Cloud, ohne dass der Kunde irgendetwas anrühren muss. Der Kunde muss sich keine Gedanken mehr über die Infrastruktur machen, bezieht sie als Service, als fixe Kalkulationsgrösse.
Der zweite Einstiegspunkt in die Cloud verläuft top-down über hochgradig standardisierte Prozess wie zum Beispiel HCM, die Supply Chain oder das Beschaffungswesen (Procurement). Sie müssen sich fragen, wo habe ich den grössten Standardisierungsgrad und den kleinsten Differenzierungsgrad. Diese Anwendungen sollten Sie als erste in die Cloud auslagern.