Schweizer meinen
18.04.2016, 14:35 Uhr
Cloud? Nein danke. On-premise ist es doch am Schönsten.
Computerworld hat 321 CIOs gefragt: Was haltet ihr von der Cloud? Mit dem Ergebnis: Die meisten lassen ihre IT on-premise im eigenen Haus laufen. Das sind die Gründe.
Was haben Schweizer IT-Chefs eigentlich gegen die Cloud? „Ich will die Daten bei mir haben“, sagt Toni Kägi, Leiter Informatikdienste bei der Schmid AG Energy Solutions. Kägi misstraut der Cloud aus mehreren Gründen: „Eine grundsätzliche Garantie, ob bei einem Cloud-Anbieter oder Hoster ihre Daten auch in der Schweiz bleiben, haben Sie nicht“. Zudem droht da noch das Risiko unzuverlässiger Telko-Verbindungen. „Fällt das ERP aus, dann gehen nach einer Stunde alle nach Hause und der Betrieb steht still“. Schweizer CIOs und IT-Chefs lassen ihre IT am liebsten on-premise laufen (grüner Balken). In die Cloud gehen bislang nur wenige (gelber Balken). Recht beliebt ist der Outsourcing-Betrieb (hellroter Balken). Die kompletten Ergebnisse der CW-Umfrage finden Sie am Artikelende. Deshalb hat IT-Chef Kägi im Dezember letzten Jahres in neue Server investiert, um den Inhouse-Betrieb auch weiterhin performant garantieren zu können. Eine hybride Lösung, wie sie von einigen Firmen bevorzugt wird – Business-Kritisches läuft on-prem, alles andere in der Cloud – ist für ihn kein Thema und wäre auch gar nicht so leicht zu realisieren. „Wir haben mit Abacus ein Komplettsystem, und eine hybride Architektur macht da keinen Sinn“, so seine Begründung. Als technikaffiner Heizungsbauer hat Schmid Energy Solutions das Know-how und die Kapazitäten im Haus, um seine IT fachmännisch implementieren und warten zu können.
Der Chef installiert selbst
Die gesamte Software on-premise zu betreiben gibt Schweizer IT-Chefs ein starkes Gefühl von Sicherheit und Autarkie. Der Wohlfühlfaktor, alles selbst kontrollieren zu können, ist hoch. Und darauf kommt es Vielen von ihnen wohl an. „Unsere Unternehmens- beziehungsweise IT-Strategie gibt vor, dass wir unter anderem aus Datensicherheits- und Datenschutzgründen keinen kritischen Applikationen und Daten nach extern auslagern“, erklärt Gianni Belotti, Informatik-Leiter bei der Hawa AG, die sogenannte Schiebebeschlagsysteme für Büros, Shopping Center oder Hotels herstellt. Die Produktpalette reicht von Schiebetüren am Möbel bis hin zu hochkomplexen Schiebewandanlagen. Eigentlich keine Branche, die der höchsten Geheimhaltsstufe unterliegt. Trotzdem geht Belotti lieber auf Nummer sicher und betreibt alle kritischen Applikationen – unter anderem nennt er ERP, CRM, PIM, CAD/CAM, PLM und das DSM/Archiv – bei sich intern. Nur für die Web-Services, dazu zählen Server und Applikationen, macht er eine Ausnahme. Die werden extern gehostet, unter anderem wegen des geforderten 7x24-Stunden-Betriebs. Auch kleinere, unkritische Applikationen hat Belotti in die Cloud gegeben: zum Beispiel Video-Conferencing und das Mobile-Device-Management (MDM). Nächste Seite: Abneigung gegen die Cloud - warum?
Abneigung gegen die Cloud
Swiss-Combi-Geschäftsführer Markus Kunz sagt, er habe grossen Respekt davor, sein ERP in die Cloud zu migrieren. Soviel Respekt, dass er es gleich ganz sein gelassen hat. Denn ohne Internet-Verbindung sei die Firma zum Herumsitzen verdammt. Durch die Inhouse-Lösung dagegen könne Swiss Combi auch ohne Internetverbindung ganz normal weiterarbeiten und bleibe handlungsfähig. Kunz führt das Familienunternehmen Swiss Combi bereits in der dritten Generation. Die Firma ist auf die Herstellung von industriellen Trocknungsanlagen spezialisiert und beliefert Kunden aus über 40 Ländern. Zu den IT-Kernkomponenten der Swiss Combi gehören das Abacus-ERP, Microsoft Exchange, ein Supply Chain Management der Solution Factory und ein CAD-System.
Cloud wäre zu langsam
Und hier liegt der Hase im Pfeffer. "E-SCM und CAD wären aus der Cloud oder als Hosting-Lösung zu langsam“, vermutet Kunz. Auch seien die 3D-CAD-Modelle, die Kunz regelmässig mit seinen Lieferanten austauscht, recht gross. Das alles spricht klar für den Inhouse-Betrieb. Dabei hat er, anders als Toni Kägi von Schmid Energy und Gianni Belotti von der Hawa, gar keine prinzipiellen Sicherheitsbedenken gegen eine IT aus der Cloud. „Ich glaube schon, dass ein seriöser Hosting- oder Cloud-Anbieter eine sichere Lösung anbieten könnte“, meint er. Aber andere Gründen sprechen dagegen, die IT in die Cloud auszulagern. Für eine hybride Architektur, die Cloud und on-premise mischt und sozusagen das Beste aus beiden Welten vereint, kann sich Kunz nicht erwärmen. „Ob ich nun einen oder drei Server inhouse betreibe, das spielt nun auch keine Rolle, das ist für mich eher eine Alles-oder-Nichts-Frage“. Nächste Seite: Pro cloud - wir sind keine IT-Firma
„Wir sind keine IT-Firma“
Wer es sich von den Schweizer Mittelständlern finanziell leisten kann, der betreibt seine IT auf eigenen Rechnern. Dieses Zwischenfazit könnte man ziehen, und das belegen auch die Umfrageergebnisse von Computerworld. Aber es gibt auch Gegenstimmen. Wie Simon Gerber vom der Baufirma Weiss+Appetito. Das Unternehmen offeriert Bausanierungen, Bauberatungen und Begrünungen als Dienstleistung an, unterhält aber auch ein Technik-Center für die Reparatur von Nutzfahrzeugen.
Zur Frage, Cloud ja oder nein, hat Gerber eine dedizierte Meinung. „Wir sind ein Bau-Unternehmen und keine IT-Firma“, das bedarf für ihn keiner weiteren Diskussion. Also wandert so viel wie möglich in die Cloud, oder zu einem seriösen Hosting-Partner. Inhouse, auf den Arbeitsplatzrechnern der Endanwender, laufen nur noch Spezialwerkzeuge und lokal installierten Office-Programme wie Word, Excel oder PowerPoint. Seine Citrix-Desktoplösung und das ERP von Abacus hatz Weiss+Appetito in die Hände eines Hosting-Partners gegeben. Aus der Cloud kommen die Google Apps for Business, für den reibungslosen Datenaustausch in verschiedenen Projekten. Bei der Wahl der passenden Cloud ist Gerber wählerisch und hat bereits verschiedentlich Recherchen angestellt. Im Zentrum der Überlegungen stehen Kosten- und Personalaufwände. Microsoft Azure war eine Zeitlang im Gespräch. Aber um die perfekte Weiss+Appetito-Cloud auf Azure zu realisieren sei ein ziemlicher Ingenieursaufwand nötig, meint Gerber. Auch Office365 hat ihn nicht so richtig überzeugt. „Wir hatten mal einen Test-Account“.
Office überfordert die Anwender
Mit der Funktionalität von Microsoft Office sei der Anwender sowieso völlig überfordert, ist Gerber überzeugt. Die Google Docs dagegen seien schön schmal, bedienfreundlich und enthielten alles, was man brauche. So lief es denn auf die Google Docs hinaus mit der Option, künftig – aber das ist noch nicht final entschieden – komplett auf die Google Cloud Platform (GCP) zu gehen. Die GPC offeriert ein 360-Grad-Angebot von den Infrastruktur-Basisdiensten Compute, Storage und Networking bis hin zu Big Data, Machine Learning, mobile Apps, Retail & Commerce, Financial Services und Security. Das alles zu recht kompetitiven Preisen, aber mit einem gewissen Newbie-Anfänger-Restrisiko, denn Google ist auf dem Business-Software-Markt noch nicht allzu lange aktiv. Nächste Seite: Das machen die Basler Versicherungen
Risikokalkulation
Es gibt viele gute Gründe, in die Cloud zu gehen, aber auch viele, es nicht zu tun. Schweizer Unternehmen stellen eine individuelle Risikokalkulation an, mit den Zusatzfaktoren Preise und Sicherheit (Daten und Applikationen), und entscheiden sich dann dafür oder dagegen. Manchmal sind aber auch externe Treiber wie der mobile Arbeitsplatz dafür verantwortlich, dass sich IT-Chefs genauer mit dem Thema Cloud auseinandersetzen. So zum Beispiel bei der Basler Versicherungen, die Versicherungs- und Finanzdienstleistungen unter einem Dach vereint. Beides hochsensible Dienstleistungsmärkte, die der Cloud tradidionell sehr skeptisch gegenüberstehen. Aber die Zeiten ändern sich. „Es ist nicht mehr so wie vor zwei oder drei Jahren, als es bei uns kategorisch hiess: Die Cloud gibt es bei uns nicht“, erzählt Marc Baier, Leiter Corporate Colaboration and Workplace bei der Baloise. „Heute prüfen wir für jeden neuen Service gewissenhaft, ob wir ihn aus der Cloud beziehen oder inhouse anbieten“, sagt Baier.
Die Cloud Policy der Baloise
Der entscheidende Prüfstein dabei ist eine „Cloud Policy“, an der die Baloise seit ein, zwei Jahren arbeitet. Eine spezielle Arbeitsgruppe „Datenschutz, Compliance und Sicherheit“, die aus sechs, sieben Mitarbeitern besteht, ist letztlich für die Entscheidung pro oder contra verantwortlich. Heisse Kandidaten für den Cloud-Bezug sind insbesondere Commodity Services wie Mailing oder Spamfilter. Auch das HR-Portal zur Mitarbeiterbewertung und für Zielvereinbarungen ist bereits in die Cloud abgewandert. Ihr CRM betreibt die Baloise aber nach wie vor on-premise. Einer der Hauptgründe für die neue IT-Infrastruktur sei das Bedürfnis der Mitarbeiter gewesen, mobil und im Home Office zu arbeiten, und neue sogenannte Flex-Office-Arbeitsplätze am Standort Basel, erzählt Baier. Die alte Lösung von Juniper sei dafür zu umständlich gewesen, deshalb habe die Baloise auf Citrix/Netscaler umgestellt. Zurzeit arbeiten mehrere hundert Mitarbeiter bei der Baloise bis zu zwei Tage die Woche im Home Office. In Folge hat die Baloise die fixen Arbeitsplätze in einigen Stockwerken in Basel auf 80 Prozent reduziert. Kostenreduktionen seien aber nicht der Hauptgrund gewesen, sondern die Zufriedenheit der Mitarbeiter, meint Baier. Nächste Seite: Bring your own Device - nein danke
Baloise Schweiz will kein BYOD
Der zweite Teil der Projektes „mobiler Arbeitsplatz, eine Bring-your-own-Device-Strategie (BYOD), soll bis Mai über die Bühne. Die Länder denken sehr unterschiedlich über BYOD. „In der Schweiz höre ich von Führungskräften: Wozu brauchen wir private Geräte im Unternehmen, es ging doch auch 15 Jahre lang ohne sie“, erzählt Baier. Auch die Niederlassung der Baloise in Deutschland sieht BYOD eher skeptisch. Die Belgier dagegen seien deutlich progressiver und pushen BYOD stärker. Die digitale Transformation, also zukünftige Geschäftsmodelle und Projekte, gehen viele Schweizer Mittelständler recht pragmatisch an. „Die digitale Transformation ist für uns ein Thema“, betonte Toni Kägi von Schmid Energy Solutions. Digitalisieren heisst aber für Kägi, teilweise 20 Jahre alte Kunden-Dossiers – „einige haben schon Eselsohren“ – einzuscannen, und das sei ein immenser Aufwand. Da liegt das Hemd näher als die Jacke. Die Einführung der neuen Abacus-version 2.16 fresse grosse personelle Ressourcen. Ausserdem will Kägi die iPads seiner 45 Monteure so an die IT anbinden, dass sie darüber auch ihre Aufträge erledigen, Arbeitszeitrapports und Rechnungen schreiben und vom Kunden signieren lassen können. Nichts Visionäres, aber gleichwohl für die alltägliche Arbeit sehr Wichtiges. Das Projekt iPad-Anbindung soll Ende diesen, Anfang nächsten Jahres realisiert sein.