21.09.2014, 17:53 Uhr
Bye Bye Larry - der König dankt ab
Oracles Sonnenkönig Larry Ellison tritt zurück. Die internationale Presse vergleicht Ellison mit IT-Superstars wie Bill Gates und Steve Jobs. Was passiert jetzt mit Oracle?
Analysten und Journalisten zeigten sich «völlig überrascht». Aber was ist Überraschendes daran, wenn ein erfolgreicher Firmenlenker wie Oracle-Chef Lawrence «Larry» Ellison - nunmehr 70-jährig - zurücktritt? Man könnte es auch einen längst überfälligen Schritt nennen. Massimo Castelli von Oracle Schweiz bezeichnete Ellisons Entscheidung gegenüber CW denn auch als reine «Formalisierung». Da klingt wenig Überraschung mit. Formalisierung will heissen, im operativen Tagesgeschäft hatten schon seit Längerem die beiden Nachfolger Mark Hurd (Ex-COO) und Safra Catz (Ex-CFO) das Heft in der Hand. Beide nehmen nun als Co-CEOs gemeinsam auf dem Oracle-Königsthron Platz. Hurd und Catz fungieren ab sofort als Doppelspitze von Oracle, der nach Microsoft zweitgrössten Software-Company der Welt. Eine Doppelspitze aber ist immer auch ein Kompromiss. Im Klartext heisst das: Eigentlich traut man keinem der Beiden, weder Hurd noch Catz, die Führung des Konzerns wirklich zu. Zumindest noch nicht: Hurd teilt mit seinem Freund Ellison die Lust an der Konfrontation, den Hang zum kompromisslosen Rigorismus. Beide sind ganz sicher keine Freunde des diplomatischen Wortes. Wird Hurd in die Rolle des Alleinherrschers bei Oracle hineinwachsen? Gut möglich, dass er in zwei Jahren sein jetziges Korrektiv - die besonnene, kluge Safra Catz - nicht mehr benötigt und allein das Steuerruder übernimmt.
Flopp-Kauf: Sun Microsystems
Auf Hurd und Catz wartet kein leichtes Erbe. Die Übernahme von Sun Microsystems in 2010 etwa darf heute getrost als Flopp bezeichnet werden. Seit Jahren fallen die Umsätze mit Sun-Hardware und belasten Oracles Bilanz in jedem Quartal, meist zweistellig. Zwar war Ellisons Idee brilliant: Die Akquise von Sun versetzte den Datenbankprimus in die Lage, von Hardware, Betriebssystem und Datenbank bis zu Business-Software alles "aus einer Hand" anzubieten. Lediglich Apple und IBM können das auch, und heraus kamen die auf Performance und Big Data getrimmten "Pre-engineered Systems" Oracle Exadata, Exalogic und Exalytics. Nur: Bereits zum Zeitpunkt der Übernahme 2010 war Suns Technologie überholt, zumindest angestaubt. Sparc-Server, SunOS und das Betriebssystem Solaris hinkten hinterher. Ein jüngerer CEO als Ellison hätte das vielleicht rechtzeitig gemerkt und die Finger von Sun gelassen.
Larry, Clouds laufen nicht in Boxen
Erste Kampfzone Hardware, zweite Kampfzone Cloud: Auch hier war Ellisons Konzept zunächst brilliant. Durch Aufkäufe Dutzender Firmen wie Siebel CRM, J.D. Edwards ERP und Peoplesoft versuchte der Oracle-Chef, vom Image des Datenbankprimus los zu kommen, um sich breiter als Anbieter von Business-Software zu positionieren.
Die Cloud hielt Ellison zunächst für Unsinn - eine veritable Fehleinschätzung. Noch 2010 versuchte der Oracle-Frontmann, seine eigene Exalogic-Appliance dem Markt als "Cloud in the Box" anzudrehen: «Auf einer unserer Exalogic-Maschinen können wir locker das ganze Facebook betreiben», protzte er. Worauf ihn sein Lieblingsfeind, Salesforce-Chef Marc Benioff, rüffelte: «Larry, Du kapierst es einfach nicht, Clouds laufen nicht in Boxen». Hatte der Oracle-Boss die Cloud nicht verstanden, oder wollte er einfach nicht vom bewährten, milliardenschweren Lizenzmodell lassen? Später, zu spät, änderte Ellison schliesslich seine Meinung, fiel vom reinen Lizenzglauben an und gab sich als frisch gebackener Cloud-Jünger. Ein jüngerer CEO als er hätte den Cloud-Trend wohl eher ernst genommen.
Superstar wie Gates und Jobs
Die internationale Presse nennt Larry Ellison in einer Reihe mit IT-Superstars wie Bill Gates und Steve Jobs. Und Ellison wird seiner Oracle noch eine Weile erhalten bleibe. Der Verwaltungsrat stimmte seiner Ernennung zum Vorsitzenden zu, ausserdem zieht er als Chief Technology Officer nach wie vor im Hintergrund die Fäden.
Der Verwaltungsratschef kann eine sehr mächtige Position sein. Ellisons zweiter Lieblingsfeind, der ebenfalls 70-jährige SAP-Co-Gründer Hasso Plattner, wusste sie trefflich zu nutzen. Der Grandseigneur der SAP setzte so manchen CEO auf die Strasse, prügelte seine SAP Richtung Cloud und machte gegen massiven Widerstand auch in den eigenen Reihen Hana zur Pars-pro-toto-Plattform der SAP - und zur Konkurrenz für die Oracle-Datenbank. Plattner, anfangs belächelt, bewies mit Hana und der Cloud eine goldenen Nase. Das weiss heute jeder bei der SAP. Hat auch Ellison eine goldene Nase? Oder wird er sich in Zukunft vollends dem internationalen Segelsport widmen?