20.10.2014, 08:35 Uhr

Was macht Schweizer ERPs erfolgreich?

Das Beratungshaus Trovarit hat Schweizer ERP-Kunden gefragt: Was stört Sie an Ihrem Lösungsanbieter und am ERP-System, und was finden Sie gut? Fazit: Die besten Schweizer Anbieter machen vieles anders als der Rest.
Die besten ERP-Lösungen, die der Schweizer Markt zu bieten hat, heis­sen: work4all, myfactory und Opacc­One. Das Beratungshaus Trovarit hat rund 2400 Anwenderunternehmen aus der DACH-Region gefragt, wie zufrieden sie mit ihrem ERP-Anbieter und dem offerierten ERP-System sind. Das Ergebnis: Diese drei Lösungen für kleinere Unternehmen bis 100 Mitarbeitende landeten ganz rechts oben im Siegerquadranten. Wertet man lediglich die gut 300 Schweizer Antworten aus, dann haben sich auch APplus und Tosca ausgezeichnet positioniert. Der Schweizer Anbieter Abacus ist nicht im Testfeld vertreten. In diesem Beitrag stehen jedoch nicht die Gesamtnoten im Fokus (Details zu den Ergebnissen: Webcode: 66309), sondern die Frage, womit genau die Anwender zufrieden oder eben un­zufrieden sind. Aktuell standen 33 sogenannte Zufriedenheitsaspekte zur Beurteilung an. Ein Beispiel: Seit 10 Jahren ärgern sich die ERP-Anwender über umständliche «Formulare & Auswertungen», offensichtlich haben sich die Anbieter die Kritik endlich zu Herzen genommen. Formulare und Auswertungen gehören zwar nicht zu den Glanzlichtern eines ERP-Systems, sie haben aber gewaltig Boden gutgemacht. Trotzdem müssen Anwender immer noch mit «bösen Überraschungen» rechnen (vgl. Grafik). Das neue Schlusslicht heisst «mobile Einsetzbarkeit». Die hier erzielte Wertung sei die schlechteste Note, die jemals für einen einzelnen Zufriedenheitsaspekt vergeben wurde, betont Trovarit-Vorstand Karsten Sontow. Offenbar ist  die Nutzung der ERP-Lösung zu jeder Zeit und an jedem Ort noch nicht so weit, wie das die An­wender heute erwarten. Schwach – wie schon in den Vorgängerstudien – schnitten Performance, Bedienfreundlichkeit, Schnittstellen und die Release-Fähigkeit ab. Gute bis sehr gute Noten erhielten die ERP-Systeme insgesamt, insbesondere bei Funktionalität und Stabilität. Was machen Schweizer besser? Mit diesen branchen- und länderübergreifenden Stärken und Schwächen im Hinterkopf stellt sich die Frage, wie es zum Beispiel der Schweizer ERP-Anbieter Opacc geschafft hat, unter die besten drei Schweizer ERP-Lösungen zu kommen. Was macht Opacc anders als die restlichen Anbieter? «Punkto Update-Fähigkeit sind wir seit Jahren fast einen ganzen Punkt höher bewertet worden als der Rest», sagt Opacc-CEO Beat Bussmann. «Der Grund liegt in der von uns gewährten Update-Garantie, die ein Update jederzeit und ohne Kosten für die Migration früherer Anpassungen zu­sichert», meint Bussmann. Ausserdem erledi­ge der Support etwa 60 Prozent aller Anfragen noch am gleichen Tag, das sei ein sehr hoher Wert. Möglich seien derart schnelle Reaktionszeiten dadurch, dass Software-Entwickler, Projektleiter und Support-Mitarbeiter an einem Ort zusammensässen. Mit Mobilität punkten Als Referenzkunden in Sachen mobiler Einsetzbarkeit nennt Opacc die Sombo AG, ein Grosshändler im Bereich Spielwaren und Partyartikel. 10 Verkäufer betreuen die Kunden in der ganzen Schweiz. Das Sortiment umfasst mehr als 10'000 Artikel, Kundenbestellungen listen oft mehrere 100 Positionen auf. «Früher musste jede einzelne Position handschriftlich notiert und anschliessend per Post oder Fax an die Auftragsbearbeitungsabteilung versandt werden», berichtet Roman Dätwiler, IT-Leiter der Sombo AG. «Mit der MobileSales-Anwendung von Opacc erfassen wir Bestellungen über einen Barcodescanner und synchronisieren automatisch mit dem OpaccERP im Backend.» Zudem unterstützt MobileSales dank der integrierten CRM-Funktionen auch den Aussendienst bei der Arbeit. Mobile Mitarbeiter können in Echtzeit Auskünfte über Kundenpreise und -rabatte, die Warenverfügbarkeit, Rückstände, Umsätze und andere Kenndaten einholen. «Aus funktionaler Sicht war uns wichtig, dass alle unsere Wünsche von einem einzigen Systemanbieter erfüllt werden können», betont Dätwiler und nennt als Beispiele das MobileOffice, den Webshop, die Edifact-Schnittstellen und das Warehousemanagement. Auf der nächsten Seite: Business-Software aus der Cloud und Security Business-Software aus der Cloud Im Durchschnitt erhielt der Zufriedenheits­aspekt «mobile Einsatzbarkeit» in der Trovarit-Studie Noten von mässig bis katastrophal. Aber Opacc scheint eine der wenigen Ausnahmen von der Regel zu sein. Offensichtlich ist es den Schweizern aus Kriens gelungen, ein mobiles ERP/CRM zu bauen, das die Wünsche der Kunden adressiert. Der zweite Zufriedenheitsspitzenreiter, die Firma myfactory, bietet Software as a Service aus der Cloud, unter anderem CRM und ERP gehören zur Lösungspalette. Damit gehört myfactory zu den Vorreitern in der Schweiz, wo CRM und ERP aus der Cloud bislang noch sehr zögerlich eingesetzt werden. Weit über 90 Prozent der ERP-Kundschaft insgesamt, auch das ist ein Ergebnis der Trovarit-Zufriedenheitsstudie, vertrauen immer noch auf das bewährte und bekannte Lizenzmodell und wollten bisher noch nicht auf «Bezahlen nach Verbrauch» umschwenken. Myfactory bedient 400 Kunden in der Schweiz und etwa 3800 Kunden in der gesamten DACH-Region. Der typische myfactory-Kunde sei ein KMU, das zwischen 4 und 20 User beschäftige, meint David Lauchenauer, CEO von myfactory. Die meisten buchen das gesamte Software-Portfolio, also unter anderem ERP, CRM, Projektverwaltung, Personalverwaltung und mobile Business-Apps. Myfactory wurde 2009 gegründet, also eigentlich zu früh. Damals wurde, zumindest in DACH-Europa, über den noch recht neuen Cloud-Hype zwar leidenschaftlich diskutiert, aber noch wenig investiert. «Ich hätte gedacht, dass die Cloud schneller an Akzeptanz gewinnt», meint Lauchenauer rückblickend, stellt der Schweiz jedoch – bei 400 Schweizer Kunden verständlich – ein Cloud-affines Zeugnis aus. Das Unternehmen macht es Schweizer Firmen, die damit liebäugeln, in die Cloud zu migrieren, aber auch leicht. Myfactory wird in der Swisscom-Cloud gehostet, die hierzulande hohes Vertrauen geniesst. Das nimmt Zweiflern mit Sicherheitsbedenken den Wind aus den Segeln. «Wir haben bei der Swisscom ein sehr hohes Service Level gewählt», erzählt Lauchenauer. Dazu zählen regelmässige Backups, eine redundante Datenhaltung, aber auch eine hohe Performance und Verfügbarkeit. Myfactory hat als oberes Limit eine (frei konfigurierbare) Ressourcenauslastung von 80 Prozent gewählt. Wird die Grenze überschritten, dann «bekommen wir einen Alert und müssen hochskalieren, also neue Ressourcen dazukaufen», berichtet Lauchenauer. Höchste Sicherheitsanforderungen Ein Beispiel: Das Vermögens Planungs Zentrum (VPZ) in St. Gallen ist seit 2012 Kunde von myfactory. Das VPZ hatte vor 2012 noch kein CRM/ERP im Einsatz und suchte nach einer Software, die «höchsten Sicherheitsanforderungen» genügt, um damit den Service für seine Klienten zu verbessern. «Auf dem Wunschzettel stand eine integrierte Lösung für sämtliche Unternehmensbereiche inklusive Klienten-Beziehungs-Management (CRM), mit einer direkten Verbindung zur Telefon­anlage via Computer-Telefonie-Schnittstelle (CTI)», berichtet Pierino Signorell, Kommunikationschef beim VPZ. Myfactory überzeuge nicht nur funktional, sondern sei auch prädestiniert für den mobilen Einsatz, bilanziert er. Das VPZ benutzt die Module ERP, CRM, Projektverwaltung, Finanzbuchhaltung, Management Information System, Personalverwaltung (HRM), den Groupware Business Manager, mobile Apps und die ERP-Geodaten. Besonders angetan ist Signorell vom Abo­modell «Bezahlen nach Verbrauch»: «Mit myfactory beschränken sich unsere Ausgaben für die Informatik auf das, was wir wirklich brauchen. Damit ersparen wir uns und unseren Klienten unnötige Kosten.» Auf der nächsten Seite: Der Faktor Zeit und SAPs langer Weg zum Kunden. Der Faktor Zeit Für Mauro Autino vom Batterie- und Akkumulatorenhersteller AkkuPoint aus Villmergen war der Faktor Zeit entscheidend. «Nach nur vier Monaten waren wir operativ», sagte Autino zu Computerworld. Aber die modulare Kostenstruktur sei natürlich auch interessant: «Wir zahlen, was wir brauchen», gibt er zu. AkkuPoint ist seit Oktober 2013 operativ. «My­factory hat unsere Erwartungen erfüllt», re­sümiert Autino. «In meiner alten Firma hatten wir auch ein ERP-System im Einsatz, aber die Anschaffungskosten waren enorm und die Flexibilität sehr eingeschränkt», erinnert er sich, und benennt damit die für viele Kunden entscheidenden Vorteile einer Cloud-Lösung im Vergleich zu on-premise. AkkuPoint nutzt die Module Warenwirtschaft, Finanzbuchhaltung, Lohn und den Webshop. «Das mobile Business haben viele CEOs zunächst als Marketinginstrument verstanden, sie haben sich nicht wirklich um die Einsetzbarkeit und die Anforderungen ihrer Zielgruppen gekümmert», sagt myfactory-Chef Lauchenauer, und erklärt sich so das signifikant schlechte Abschneiden des Zufriedenheitsaspekts «mobile Einsetzbarkeit» in der Anwenderbefragung von Trovarit. «Wir haben uns die Zielgruppen angeschaut und uns gefragt: Was brauchen der Service, der Aussendienst oder die Geschäftsleitung wirklich?», erklärt er. Bei myfactory hat jeder Abokunde, gleich welchen Abotyps, kostenlosen Zugang zu allen mobilen Apps. Gleichwohl braucht nicht jede Geschäftseinheit zwingend einen mobilen Zugriff auf die Systeme und Informationen. Eine Buchungserfassung etwa ergibt mobil nur wenig Sinn. Generell – und das ist ein bekanntes Phänomen – werden ERP-Anbieter für kleinere Firmen, wie Opacc und myfactory, ganz auffallend besser beurteilt als Anbieter für mittlere und grosse Unternehmen. Der Grund: ERP-Installationen für kleinere Unternehmen sind deutlich weniger komplex als die Lösungen für die ganz Grossen, sie werden nahe am Standard eingesetzt und von insgesamt weniger Anwendern benutzt. Der Schulungsaufwand fällt dadurch entsprechend kleiner aus. Branchenspezialisten, und die findet man häufig unter den Kleinen und Mittleren, punkten ausserdem mit einem tiefergehenden Fach- und Branchenwissen als die grossen Generalisten. SAP: Langer Weg zum Kunden Unter den ERP-Lösungen für grössere Unternehmen präsentiert sich der Marktführer SAP, so das Ergebnis der Trovarit-Zufriedenheits­studie, nahezu unverändert. Trotzdem fallen einige Dinge negativ auf: So wurde die Anwenderfreundlichkeit der SAP-Software, ausgehend von einem ausgesprochen niedrigen Niveau 2012, noch einmal deutlich schlechter bewertet. Auch die Zufriedenheit mit der Anpassbarkeit und Flexibilität von SAP ERP ist deutlich ab­gesackt. Ausserdem wird der Lösung bescheinigt, dass sie nur in sehr beschränktem Mass mobil einsetzbar sei. Herausragende Noten erntet dagegen die internationale Einsetz­barkeit von SAP. Auch die Release-Fähigkeit und die Integrationsfähigkeit über Schnittstellen erzielten überdurchschnittlich gute Noten. Offensichtlich stecken SAP-Anwender in einer Übergangsphase, mutmassen die Analysten von Trovarit. Denn SAP hat seit 2013 grosse Anstrengungen unternommen, die von den Anwendern gegeisselten Defizite zu beheben. Einerseits adressieren Neuerungen wie Hana, die Fiori-Apps und neue Cloud-Angebote unmittelbar die von Anwenderunternehmen kritisierten Schwachpunkte. Andererseits brauche es, so Trovarit, doch erhebliche Zeit, bis die Neuerungen auch ihren Weg zu den Anwendern gefunden haben. Und dieser Weg ist bei den grossen Generalisten wie SAP, Oracle und teils auch Microsoft eben länger und zeitaufwendiger als bei agilen, kleineren Lösungsanbietern wie myfactory und Opacc. Wunschliste der Kunden Aufschlussreich ist auch, was sich die von Trovarit befragten Kunden von ihrem ERP-Lösungsanbieter in Zukunft wünschen. An der Spitze der Anwenderwunschliste steht das Dauerthema Benutzerfreundlichkeit. Für 60 Prozent der Studienteilnehmer ist das Thema Usability von sehr hoher beziehungsweise herausragender Relevanz. Darauf folgen, mit einer Zustimmungsquote von 33 Prozent, der mobile Einsatz und eine Rollen- sowie kontextbasierte Benutzerführung zu etwa 27 Prozent. Anwendern brennt der Alltagseinsatz ihrer ERP-Lösung unter den Nägeln, und hier schlägt sich sicher nieder, dass es mit der Benutzerfreundlichkeit der ERPs in der Vergangenheit nicht so weit her war. Die Entwicklungsinitiativen vieler Hersteller lassen jedoch auf deutliche Fortschritte hoffen. Trovarit Studie ERP in der Praxis – Anwender­zufriedenheit, Nutzen & Perspektiven 2014/2015 Seit 10 Jahren untersucht die Trovarit-Studie die Zufriedenheit von ERP-Anwendern. In diesem Jahr haben rund 2400 Anwenderunternehmen teilgenommen und die Gesamtnote «Gut» vergeben. Betrachtet man allerdings einzelne Zufriedenheits­aspekte, ist die Bewertung differenzierter und kritischer (vgl. Grafik). Komplette Studie:  www.trovarit.com/erp-praxis/erp-praxis.html



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