Analyse
05.12.2011, 18:08 Uhr
SAPs 3,4 Milliarden-Dollar-Deal
SAP kauft den HR-Spezialisten SuccessFactors für 3,4 Milliarden US-Dollar. Das sind mehr als das Zehnfache des Jahresumsatzes. Was verspricht sich SAP von der Akquise?
Überraschung am Wochenende: SAP schluckt die HR-Softwareschmiede SuccessFactors. Co-CEO Bill McDermott lobte den neuen Milliarden-Deal über den grünen Klee. "Wir wollen noch schneller und bessere Innovationen auf den Markt bringen und das "Cloud Powerhouse" der Zukunft werden", sagte McDermott auf einer internationalen Telefon-Pressekonferenz am Montag (5. Dezember). SAP meint es ernst mit der Cloud, und der HR-Spezialist SuccessFactors bietet Human-Resource-Management (HR) in der Wolke an. Auf den ersten Blick scheint das zu passen. Ein Kaufpreis von 3,4 Milliarden US-Dollar geht jedoch nicht gerade als Schnäppchen durch. SAP hat die AKtie des Übernahmekandidaten um 52 Prozent überzeichnet. Was hat SuccessFactors also, was SAP so dringend benötigt?
SuccessFactors Benefits
SuccessFactors ergänzt SAPs Software-Portfolio um Talent- und Recruiting-Management, HR-Analyse und -Prognose. Management-Komponenten also, die SAP auch schon besitzt - aber nur im Prinzip. Laut Forrester-Analyst Paul Hamerman haben etwa 13.000 Kunden SAPs HR-Suite im Einsatz, dass heisst installiert. Der Haken: Nur wenige tausend Kunden nutzen das HRM aus Walldorf auch produktiv. Der Grund sei, so Forresters Hamerman, eine empfindliche Lücke zwischen der HR-Software aus Walldorf und den Lösungen gängiger Best-of-Breed-Anbieter. Im Klartext: SAPs integriertes, eigenes HR ist einfach schlechter. Welches teures Kuckucksei hat sich SAP mit dem Kauf von SuccessFactors da ins Nest gelegt? Zwar konnte das Unternehmen seinen Umsatz in den letzten Quartalen kontinuierlich steigern. Unterm Strich aber blieben die Zahlen rot. Im dritten Quartal 2011 etwa erzielte SuccessFactors einen Umsatz von 91,2 Millionen Dollar (GAAP), fuhr aber einen operativen Verlust von 20 Millionen (GAAP) ein. Da kommt noch einige Arbeit auf SAP zu. Verkauf und Kundenakquise stimmen zwar, aber operativ knirscht es im Gebälk von SuccessFactors. Die Firma arbeitet nicht rentabel. Nächste Seite: SAPs Pläne für SuccessFactors
Akquise ergibt Sinn, aber...
Trotzdem macht der Kauf aus Sicht von SAP Sinn. Walldorf hat die Cloud neben Mobility, In-Memory und den Core-Suiten zum Kerngeschäft erklärt, kam aber mit seinem Cloud-ERP Business ByDesign (ByD) verspätet in die Wolke - ein typischer Fehlstart. Zurzeit haben sich 700 Unternehmen weltweit für Business ByDesign entschieden - auch nicht gerade viel. Walldorf versucht deshalb, durch Diversifikationen des ByD-Angebots sein Cloud-Geschäft anzufeuern. Untern anderem Sales on-demand, Career-, Travel- und Expenditure on-demand sind zurzeit in der SAP-Cloud zu haben. Da kommen - als Verstärkung des Angebotes - die Business-Applikationen von SuccessFactors gerade zur richtigen Zeit. SAP-Finanzvorstand Werner Brandt rechnet damit, dass die Akquise bis zum Ende des ersten Quartals 2012 abgeschlossen sein wird. Mit ersten Produkten - denkbar etwa Workforce Analysis and Management on demand - rechnet Brandt für 2013. SuccessFactors soll zunächst, so die M&A-Strategie von SAP, als eigenständiges Unternehmen weitergeführt werden. Human Resource Management ist zudem ein Unternehmemsbereich, der nicht zu den extrem Geschäftskritischen gehört. Das Outsourcing-Potenzial von HR ist daher recht hoch einzuschätzen, SAPs Hoffnungen auf höhere Umsätze in der Cloud scheinen berechtigt.
SAPs Prioritäten
Zunächst aber gilt es, einige Stolpersteine aus dem Weg zu räumen. Walldorf hat in den nächsten Monaten vor allem zwei Prioritäten: (i) die Organisationsstruktur von SuccessFactors muss effizienter werden, die Firma fährt zurzeit Verluste ein, (ii) SAP- Software-Architekten stehen vor der Aufgabe, SuccessFactors in die eigene ByD-Architektur zu integrieren. Gelingt dies für die Kunden zufriedenstellend, dann hat sich am Ende sogar der überteuerte Kaufpreis von 3,4 Milliarden Dollar gelohnt.