TechEd
13.11.2014, 19:31 Uhr
SAP vereinfacht sein ERP
Gute Nachricht: Für Anwender wird SAP einfacher und performanter - on-premise, mobil und in der Cloud. Wie das geht, zeigte der Weltmarktführer auf der TechEd in Berlin.
Bislang treibt SAP Innovationen an der Peripherie voran. Cloud und Mobile heissen hier die Kristallisationspunkte, und etwa 500 Fiori-Apps zeigen eindrücklich, wie einfach und klar das gesamte ERP aus Walldorf sein könnte, wenn SAP seine Design-Prinzipien konsequent auf das gesamtes Lösungsportfolio anwenden würde. Nun, Aussagen von SAP Top-Managern auf der TechEd in Berlin zeigen eindeutig in diese Richtung.
Viele Anwender werden aufatmen, reisst die Kritik an der notorischen Bedienunfreundlichkeit der Applikationen aus Walldorf doch nicht ab. Erst kürzlich hatte SAP ERP in der jüngsten Zufriedenheitsstudie des Beratungshauses Trovarit in Sachen Bedienfreundlichkeit noch einmal schlechtere Anwendernoten einstecken müssen. Schon vor einem Jahr fielen die Bedien-Noten nicht gerade freundlich aus. Jetzt haben die SAP-Anwender noch eins draufgesetzt. SAP hat jedoch die Probleme erkannt und arbeitet an deren Lösung. Walldorf spricht von der Dekomposition eines Monolithen, und meint damit auch sein Kern-ERP. "Wir werden die Vereinfachung weiter vorantreiben und allen unseren Applikationen ein puristisches Datenmodell unterlegen", sagte Vorstandsmitglied Bernd Leukert in seiner Eröffnungskeynote auf der TechEd. Das klingt zunächst einmal sehr technisch, hat aber auch für Endanwender weitreichende Folgen.
SAPs neues sERP
Erster Treiber der «Neuen Einfachheit» bei SAP ist die In-Memory-Datenbank Hana. Dort fallen Indizes und sogenannte Aggregate, wie sie in klassischen Datenbanken und Data Warehouses benötigt werde, ersatzlos weg. Applikationen schmeissen dadurch Ballast ab, werden in Folge schlanker und performanter. Der zweite Treiber heisst Fiori und die insbesondere von SAP-Gründer Hasso Plattner stark propagierte Methodik des Design-Thinking. "Wir wollen weg von komplexen und hin zu rollenspezifischen, granularen Bedienoberflächen (User interfaces), sagte Björn Görke, Head of Products & Innovation Technology bei SAP. Für den Anwender bedeutet das zum Beispiel: Im SAP-Logistik-Modul fielen durch beide Innovationstreiber 48 nun überflüssige Tabellen weg. Hana mache diese massive Vereinfachung möglich, unterstrich Görke, und gab auf der TechEd einen Abriss der neuen Hana SPS09, die Ende November auf den Markt kommen soll. Demnach beherrscht das neue Release "Dynamic Tierung", also den dynamischen Wechsel zwischen unterschiedlich teuren und unterschiedlich performanten Infrastruktur-Stufen, nach den Vorgaben des Kunden. Die neue Hana hat Streaming (zum Beispiel von Sensordaten) optimiert, hat die Big-Data-Technologie Hadoop (von Hortonworks) angebunden und bietet "Data Cleansing"-Algorithmen sowie ein Multi-Tenancy-Ressourcenmodell. Nächste Seite: SAPs Innovationen - das kommt
Innovation = Hana + Fiori
Innovation bei SAP ist gleichbedeutend mit Hana plus Fiori (Design Thinking). "Bei den s-innovations ("s" steht für "simple", Anm.d. R.) setzen wir voll auf Fiori", sagte Görke im Gespräch mit CW. Paradebeispiel ist das erst vor einigen Monaten auf den Markt gebrachte Cloud-Lösungsportfolio Simple Finance. Auch auf ältere SAP-Installationen lasse sich die Methodik des Design Thinking anwenden. Nur beschränken sich die Innovationen dabei auf einfachere Bedienoberflächen für bestimmte Rollen im Unternehmen. Möglich sei das, so Görke, durch die strikte Trennung zwischen Anwendungslayer und ERP-Kernfunktionalität.
Für Kunden heisst das: Wer sich nicht vom Innovationsfluss der SAP abkoppeln will, wird früher oder später auf die In-Memory-Datenbank Hana migrieren müssen. Und SAP ist mächtig stolz auf seine Hana. Von CW auf Konkurrenten wie Oracle In-Memory-DB oder IBM Watson angesprochen sagte Vorstandsmitglied Leukert: "Wir sind die Einzigen, die klassische Transaktionen und analytische Operationen auf einer Plattform - eben Hana - anbieten". Das bringt Effizienz- und Performance-Vorteile.
Mister Watson & Lady Hana
IBM hat vor drei Wochen auf seiner Hausmesse "Insight" in Las Vegas eine neue Watson-Fachanwendung für Schweizer Privatbankiers angekündigt. "Die will ich erst einmal laufen sehen, und nicht nur auf PowerPoint-Slides", so Leukert auf Nachfrage. Die Bankiers-Fachanwendung SAP Simple Finance - "simple" meint dabei die Bedienung, nicht die Funktionalität - läuft seit Monaten auf der In-Memory-Datenbank Hana in der Cloud und on-premise. Momentan arbeitet SAP an einer Public-Cloud-Version für Simple Finance. Dem Internet der Dinge (IoT) hatte SAP den zweiten Tag seiner TechEd gewidmet. Walldorf bietet zurzeit IoT-Lösungen für vier Kernbereichen an: predictive Maintenance, connected manufacturing, connected logistics und augmented reality. Alle vier Lösungsportfolios laufen in der sogenannten «Machine Cloud» respektive der Hana Cloud IoT Services. SAP betont die Prozessintegration des Sensor-Datenstroms in seine Business-Applikationen wie ERP, CRM und natürlich Analytics.
Predictive Maintenance: Kaeser Kompressoren
Falko Lameter, CIO des Maschinenherstellers Kaeser Kompressoren, gab auf einem Presse-Roundtable Einblick in seine Machine Cloud powered by SAP. Kaeser sammelt Daten von Kompressoren, die bei den Kunden im Einsatz sind. Pro Kompressor gibt es 50 Messpunkte, die unter anderem die Erhitzung kritischer Maschinenteile an Hana übermitteln. Insgesamt nimmt Kaeser 50 Sensormessungen pro Sekunde vor, was sich über alle Kunden auf mehr als 1 Million Messungen pro Tag summiert. Pro Jahr fallen dadurch mehrere hundert TeraByte an Daten an. Mit SAPs Machine Cloud will Kaeser Kompressoren die Ausfallzeiten bei seinen Kunden auf Null reduzieren. Lameter verspricht sich dadurch zufriedenere Kunden, einen Verkaufsschub und letztlich höhere Umsätze. Nächste Seite: IoT-Anwender-Cases
IoT im Alltag: Saubere WCs
Ein ganz praktisches Anwendungsszenario für prediktive Maintenance zeigte Gernot Bernert, Managing Director bei Hagleitner. Der Dienstleister ist gerade dabei, WCs auf Autobahnraststätten und im öffentlichen Raum mit Sensoren auszustatten, deren Daten dann von Hana ausgewertet werden. Zum Beispiel füllt das Wartungspersonal die Seifenspender just dann auf, wenn der Seifenvorrat zu Ende geht. Das Wartungspersonal muss seltener vor Ort sein, und der Kunde findet einen funktionierenden Service vor. Auch könne man bei schwacher Frequentierung bestimmte Bereiche automatisch sperren, was wiederum den Reinigungskräften Arbeit erspart. Laut Nils Herzberg, Co-Leader IoT bei SAP, ist Walldorf gerade dabei, das Personal der Geschäftseimheit IoT aufzustocken. Zusätzlich zu den bereits vorhandenen 400 Mitarbeitenden weltweit soll noch einmal die gleiche Anzahl eingestellt werden. Herzberg spricht von etwa 60 Projekten in Deutschland, wo IoT-Technologie eine entscheidende Rolle spiele. Im Bereich der Nutzfahrzeuge ergeben sich interessante Anwendungsszenarien etwa für Versicherungen. Ein Beispiel: Sensoren melden, wenn Fahrzeuge überladen werden, und bewahren Versicherungen dadurch vor ungerechtfertigten Gewährleistungs- und Ersatzansprüchen.
Hana-PaaS für Software-Entwickler
SAP arbeitet nicht nur Richtung Zukunftsmärkte, sondern mausert sich zum vollumfänglichen Cloud-Serviceanbieter mit Infrastruktur (IaaS), selbstverständlich Software (SaaS) und Entwicklung (PaaS). Walldorf will Hana in der Cloud als Plattform für Entwickler ausbauen. Aus einer eigenen Programmiersprache "River" wird jetzt wohl doch nichts. Es sei geschickter, Zugang zu Hana-Funktionen über bereits etablierte Entwicklersprachen wie Java oder JavaScript anzubieten. Die Erfahrungen mit dem River-Projekt seien jedoch sehr nützlich gewesen und würden in die SAP Web IDE (Integrated Development Environment) einfliessen, so war es auf der TechEd von Software-Spezialisten zu hören. Die Rede war von "Domain Specific Languages" und Bibliotheken, die Software-Entwicklern die Programmierung für Hana erleichtern sollen.
SAP ERP auf Samsung-Handys
Auch mit Smartphone-Konzernen wie Samsung festigt SAP die Bande. CW sprach auf der TechEd mit Bum-coo Cho, Senior Vice President von Samsung Electronics. Die Partnerschaft zwischen beiden Unternehmen arbeitet darauf hin, Funktionalitäten des SAP ERP besser - was heisst bedienfreundlicher - über die mobilen Devices des koreanischen Handy-Herstellers bereit zu stellen. Samsung und SAP sprachen von sogenannten "task-oriented Devices" mit Spracherkennung, also optimierten Smartphones für bestimmte Business-Zielgruppen. Damit könne man zum Beispiel per natürlicher Sprache ein Meeting aufsetzen, und die Infos gehen direkt ins CRM oder ERP. Besonders dem noch jungen Markt der Wearables wird von Samsung ein grosses Potenzial zugesprochen. Gibt es von Samsung bald das SAP-Business-Handy, die SAP-Fast-Watch?