Was Kunden künftig wollen
29.10.2020, 14:00 Uhr
Neue Zugpferde für die Schweizer ICT-Branche
Corona lenkt den Weltenlauf – auch den der ICT-Branche. Die wirtschaftliche Unsicherheit und neue Arbeitsformen prägen die Projektagenda sowie die Kundenansprache. Neue Zugpferde ziehen das Business aus der Corona-Misere.
Krisen waren schon immer ein Katalysator für Entwicklungssprünge. Das ist auch bei der Corona-Krise der Fall. Das Virus hat uns aus heiterem Himmel getroffen und viele dazu gezwungen, Prozesse voranzutreiben, über die man bis jetzt kaum nachdachte. Alle Pläne und Prioritäten, die im Januar und Februar definiert wurden, seien nun zur Makulatur verkommen, heisst es beispielhaft beim Fachverband swissICT. «Corona hat die Arbeitswelt per Schleudersitz in die digitale Zukunft katapultiert», ergänzt Thomas Hersche, Country Manager des ERP-Anbieters Sage Schweiz. Das Virus habe einen Wandel bewirkt, der sonstgedauert hätte. «Was seit Jahren ein Diskussionsthema war, ist jetzt plötzlich Realität», stellt Thomas Köberl fest, der beim Mitbewerber Abacus das Marketing verantwortet.
“Corona hat die Arbeitswelt per Schleudersitz in die digitale Zukunft katapultiert„
Thomas Hersche, Sage Schweiz
Wer digital nicht fit ist, hat ein Problem
Corona bereitet vielen Unternehmen Sorgen. «Firmen mit geringem Digitalisierungsgrad hatten im Lockdown Probleme, den normalen Geschäftsbetrieb aufrechtzuerhalten», konstatiert Karl Heinz Mosbach, Geschäftsführer von ELO Digital Office. Peter Lenz, Managing Director T-Systems Region Alpine Schweiz und Österreich, schlussfolgert: «Es braucht eine neue Art des Denkens und Handelns.» Dieses Umdenken müssten die Führungskräfte in den Unternehmen vorleben. «Vielen Mitarbeitern fehlen die notwendigen digitalen Kompetenzen», warnt Digicomp-CEO Peter Kupper. Corona habe diese Schwäche aufgezeigt. Dem pflichtet auch Mosbach bei. Das Virus habe Schwachstellen gnadenlos offengelegt, etwa im Gesundheitswesen oder in Geschäfts- und Verwaltungsprozessen.
Digitalisierungs-Booster Corona
Die befragten Unternehmen in der IT-Branche profitieren aber auch von der Situation. Corona wird zum Zugpferd. Adesso Schweiz vermeldet zum Beispiel eine höhere Nachfrage nach Cloud-Lösungen. Im Kundenkontakt seien Chat- und Telefonbots gefragt sowie KI-gestützte Systeme, die E-Mails und Dokumente automatisiert verarbeiten. Roman Hugelshofer, Managing Director Application Security und Geschäftsleitungsmitglied von Ergon, konstatiert einenvermehrten Einsatz von digitalen Mitteln in Schulen und einen boomenden bargeldlosen Zahlungsverkehr.
Dies könnte kaum jemand besser bestätigen als Markus Fuhrer, Leiter IT & Operations und Krisenmanager beim Finanzdienstleister PostFinance. Fuhrer stellt fest, dass die Nutzungszahlen der Bezahl-App Twint durch Corona explosionsartig in die Höhe schnellten, da seither viel mehr online eingekauft wird. Der Anteil an bargeldlosen Zahlungen mit der PostFinance Card habe ebenfalls zugenommen.
Den Betrieb am Laufen halten
ELO-Manager Mosbach führt aus, dass die Kunden seit dem Ausbruch der Corona-Krise vor allem wissen wollen, wie die Organisation und Prozesse am Laufen gehalten werden können. «Oft konnten die Massnahmen zur Umsetzung von Digitalisierungsvorhaben und virtuellen Lösungen nicht schnell genug gehen», sagt Mosbach. Der Sicherheitsanbieter InfoGuard erhielt viele Anfragen zum ThemaServices, sicheres Home Office und Kollaboration.
“Oft konnten die Massnahmen zur Umsetzung von Digitalisierungsvorhaben und virtuellen Lösungen nicht schnell genug gehen„
Karl Heinz Mosbach, ELO
Ein zentrales Thema bei den Kunden von itesys ist Business Continuity, wie Tanja Schöller mitteilt, Head of Marketing & Business Development Manager von itesys. Viele der Kunden würden sich nun vermehrt Gedanken darüber machen, ob der Betrieb ihrer kritischen SAP-Systeme wirklich gesichert sei. Auch bei Lake Solutions führte Corona zueinem Arbeitsschub. Die Kunden greifen beim Aufbau von Home-Office-Strukturen vermehrt auf die Dienstleistungen der Ricoh-Tochter zurück. Auch für Installationen, die den Remote-Zugriff aus dem Home Office sicherstellen, ist die Nachfrage gestiegen.
Cloud-Provider EveryWare profitiert ebenfalls von der Krise. So wollten die Kunden während des Lockdowns vor allem wissen, wie sie den Betrieb der Rechenzentren, Plattformen und Services während dieser Phase sicherstellen können. Bezüglich der Services habe es vermehrt Anfragen für den Ausbau von Home-Office- und Collaboration-Modellen gegeben. Ein praktischer Effekt: Der Austausch mit den Kunden habe sich in dieser schwierigen Zeit eher intensiviert, schreibt das Unternehmen auf Anfrage.