Hier investiert die Schweiz in die IT-Zukunft

«Operation am offenen Herzen»

Microsoft hat mehr als einen triftigen Grund, in der Schweiz mit Cloud-Services präsent zu sein. Die gemeinsamen Projekte mit Bühler sind ein erster, die Anforderungen des zweitgrössten IT-Investors ein zweiter. Die Schweizer Banken und Versicherungen wollen ebenfalls Ressourcen in die Cloud verlagern oder Services aus den Rechenzentren beziehen. Wer im Finanzsektor seine Kundendaten auslagern will, besteht bis anhin noch auf einem Schweizer Standort. Den besitzt Microsoft dann demnächst (vgl. unten). Über die voraussichtlichen Millionen-Abschlüsse berichtet Computerworld später in diesem Jahr. 
Hunderte Millionen hat sich die Raiffeisen ihr neues Kernbankensystem kosten lassen. Die Renovierung und Einführung war Ende Januar abgeschlossen. Damals war zu lesen, dass «Raiffeisen und Avaloq IT-Geschichte schreiben. Erstmals in der Finanzindustrie werden 246 Raiffeisenbanken, 6 Niederlassungen und die Zentralbank auf einer Plattform betrieben». Das Projekt ging allerdings nicht ohne Verzögerungen und Mehrkosten zu Ende. Von mindestens einem Jahr Verspätung und mehr als 200 Millionen Franken zusätzlichem Budget ist die Rede. Damit nicht genug, wird das System neu noch von offensichtlichen Kinderkrankheiten heimgesucht. Die Raiff­eisen-Informatik wird voraussichtlich nicht ohne weitere Investitionen auskommen in diesem Jahr.
Von grösseren Störungen verschont blieb die neue Kernbanken-Software der PostFinance. Sie war vor gut einem Jahr eingeführt worden. PostFinance-CIO Markus Fuhrer sprach im Vorfeld von einer «Operation am offenen Herzen». Sie ist gelungen. Neu investiert der Finanzdienstleister in bankenferne Bereiche: ein Big-Data-Archiv, einen fran­zösischsprachigen Chatbot, ein konzernweites CRM, ein E-Sports-Team, eine Hypothekenvermittlungsplattform und ein biometrisches Login-Verfahren für das E-Banking.
Bei PostFinance in Bern läuft seit einem Jahr ein neues Kernbankensystem
Quelle: PostFinance
Bis anhin noch keine Lösung bietet PostFinance den­jenigen Kunden, die sich für eine digitale Wertanlage inte­ressieren. Andere Schweizer Finanzdienstleister sind diesen Schritt bereits im abgelaufenen Jahr gegangen. Den Anfang machte Swissquote, die seinen Kunden seit Ende vergangenen Jahres die Beteiligung an Initial Coin Offerings (ICOs) ermöglichte. Der Infrastrukturbetreiber SIX baut mit Corda Enterprise eine digitale Börse. Die liechtensteinische Union Bank, die Genfer Dukascopy Bank und das Baarer Start-up Alprockz wollen demnächst jeweils eigene Kryptowährungen herausgeben, mit denen Finanz­geschäfte getätigt werden können. Und die angehende Schweizer Kryptobank Seba will mit dem Kernbankensystem Finstar der Hypothekarbank Lenzburg und mit Unterstützung von Julius Bär eine Brücke schlagen zwischen der traditionellen Finanzwelt und digitalen Vermögenswerten.



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