Informatik als Krisenhelfer
500 IT-Projekte in den Behörden
Die öffentlichen Verwaltungen der Schweiz berichteten auch im vergangenen Jahr am häufigsten über ihre Informatikvorhaben. Einerseits sind sie ab einer bestimmten Investitionssumme gezwungen, die Fakten zu veröffentlichen. Andererseits sind erfolgreiche Projekte auch ein schönes Signal an den Steuerzahler, dass seine Franken nutzenstiftend und für mehr Bürgernähe verwendet werden. Der Kanton Zürich gibt hier ein plakatives Beispiel: Für die Erneuerung der wichtigsten IT-Anwendungen des kantonalen Steueramts war 2004 ein Kredit von 138,9 Millionen Franken bewilligt worden. Später wurde das Kostenziel des Projekts «ZüriPrimo» auf 126,7 Millionen reduziert. Ende März teilte nun die Finanzdirektion mit, die Gesamtkosten beliefen sich letztendlich auf 110,7 Millionen Franken.
Von grossem Sparpotenzial ist auch beim Zusammenzug der kantonalen Abteilung Informatik im Aargau zu lesen: Die bisher vier Standorte sollen im Bildungszentrum Unterentfelden vereint werden. Die Renovierung des Zentrums wird rund 11 Millionen Franken kosten. Durch den Umzug an den kantonseigenen Standort rechnet der Kanton mit Mietkosteneinsparungen von jährlich 670'000 Franken. Auch würden den Mitarbeitern attraktive Büroräume an gut erschlossener Lage zur Verfügung stehen, argumentiert der Regierungsrat. Der Umzug ist für 2022 geplant.
Bis dahin sollen alle Einwohner der Schweiz einen Umzug selber online melden können. Der Online-Service «eUmzugCH» steht Stand heute in den meisten Kantonen zur Verfügung. Die Kantone Nidwalden und Obwalden meldeten im Mai vergangenen Jahres jedoch, sie seien wegen technischen Schwierigkeiten noch nicht bereit. Das Projekt solle jedoch noch 2020 abgeschlossen werden. Aus dem Baselbiet folgte im September die Meldung, dass neu Umzüge auch online gemeldet werden könnten. Von den 107 Gemeinden des Kantons Solothurn waren im November immerhin 100 parat, den elektronischen Wohnortswechsel zu unterstützen. Im Februar dieses Jahres vermeldete auch der Kanton Bern, das Projekt «eUmzugCH» stehe vor dem Abschluss. Über weitere IT-Grossprojekte der Schweizer Verwaltungen berichtet mein Kollege Luca Perler im Beitrag «Unterwegs zur digitalen Verwaltung».
Handel: online und kontaktlos
Der Schweizer Online-Handel eilte in den vergangenen zwölf Monaten von einem Rekord zum nächsten. Während des Lockdowns im Frühjahr 2020 hatten die Konsumenten den Komfort offenbar zu schätzen gelernt. So blieben Brack, Coop, Digitec, LeShop, Nespresso und Marktführer Zalando auch hinterher die ersten Anlaufstellen für den Einkauf. Wobei der Vorreiter im Online-Lebensmittelhandel, LeShop, im vergangenen September seine virtuellen Türen endgültig schloss: Die Webseite wurde vom Mutterkonzern als «Migros Online» neu lanciert und das Sortiment massiv erweitert. Bei der Transformation der Genossenschaft hilft neu Microsoft mit Ressourcen und Services aus der Azure-Cloud.
Sämtliche Online-Versender stockten angesichts des Kundenansturms in der Pandemie beim Personal auf. Brack hat sein Logistikpersonal fast verdoppelt, die Migros schuf im E-Commerce Hunderte neuer Jobs und auch Konzerntochter Digitec Galaxus rekrutierte für das neue Logistikzentrum in der Region Wohlen 600 zusätzliche Arbeitskräfte. Beim Möbelhaus Ikea werden die Angestellten im Lager Spreitenbach neu von Drohnen bei der Inventarprüfung unterstützt. «Das Zählen der Paletten hat uns jeden Tag mehrere Stunden gekostet. Die Drohnen erledigen dies an einem Sonntag, wenn wir unseren freien Tag geniessen. Somit können sich Drohnen und Mitarbeiter optimal abwechseln», sagt Helge Nilsson, Logistics Manager bei Ikea.
Andernorts werden Verkaufskonzepte ohne Mitarbeiter getestet. Begünstigt durch die Kontaktbeschränkungen folgen immer mehr Detailhändler den Vorbildern Amazon und Avec. In der Region Bern wurde im Sommer das Selbstbedienungs-Hofladenkonzept «Rüedu» realisiert und die Migros-Tochter Voi hat im Dezember in Grenchen einen Verkaufscontainer aufgestellt. Die Hintergründe der neuen Detailhandelskonzepte fasst mein Kollege Volker Richert im Beitrag «Die Nische blüht» zusammen.