08.07.2015, 14:20 Uhr
Kapo Zürich gibt Einsatz von Staatstrojaner zu - was die Sicherheitsdirektion dazu sagt
Die Zürcher Kantonspolizei bestätigt den Kauf eines Staatstrojaners und erklärt die Gründe. Nun geht es um die Legalitäts- und die Sinnfrage und um die Kommunikationsstrategie der Polizei.
Die Kantonspolizei des Kantons Zürich hat sich einen Staatstrojaner namens Galileo gekauft. Das wäre nie an die Öffentlichkeit gelangt, wäre nicht der Softwarelieferant «HackingTeam» selbst gehacked und am Montag alle Daten ins Netz gestellt worden. Darauf angesprochen gab sich die Kapo zuerst kleinlaut und antwortete mit Floskeln. Diese beinhalteten Passagen wie: «Beschaffungen unterliegen der Geheimhaltungspflicht zwischen Hersteller und Käufer» oder, auf die unklare Rechtslage angesprochen, «es würde nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprechen, dass sich Schwerverbrecher allein durch die Wahl ihrer Kommunikationsmittel der Strafverfolgung entziehen könnten». An diesen – nennen wir sie unglücklichen - Antworten hielt die Kapo bis Dienstagabend fest, bis sie schliesslich aufgrund der vorliegenden Beweise und dem medialen Druck (wobei nicht sicher ist, welcher Aspekt schwerwiegender war) mit der Wahrheit rausrückte: Die Kapo hat sich Galileo gekauft – gemäss Dokumenten für 486 500 Euro – und zweimal eingesetzt. Dies geschah auf Anordnung der Staatsanwaltschaft, die 2013 für zwei Fälle von schwerster Betäubungsmittelkriminalität und Geldwäscherei die Überwachung verschlüsselter Internetkommunikation mittels einer speziellen Software angeordnet hatte. Genehmigt hatte die Beschaffung das Zwangsmassnahmengericht. Die Kapo streicht heraus, dass die Software so programmiert wurde, dass ausschliesslich die im Einzelfall genehmigten Kommunikationsapplikationen überwacht werden können. Flächendeckende Überwachung sei nie das Ziel gewesen und gesetzlich auch gar nicht möglich. ###BILD_51851_fullwidth### Ob Schnüffelsoftware aber per se rechtens ist, ist fraglich. Auf nationaler Ebene soll mit dem revidierten Bundesgesetz zur berwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs erst noch ein Gesetz verabschiedet werden, das den Einsatz von Staatstrojanern regelt. Bis es in Kraft ist – falls überhaupt, denn dagegen wird ein Referendum angestrebt - gilt der Status Quo. Und in dem wird beim Einsatz solcher Staatstrojaner Artikel Art. 280 ff. der Strafprozessordnung ins Feld geführt, der solche Massnahmen berechtigt. Einen Bundesgerichtsentscheid, der einen Präzedenzfall schaffen würde, gab es noch nicht. Urs Grob, Kommunikationsbeauftragter der Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich, versteht die Kritik, die aufgrund der unklaren Rechtslage auf die Kapo Zürich niederprasselt, sagt aber: «Wir, die Staatsanwalt und das Obergericht haben dazu eine andere Ansicht als andere Kantone». Wie gründlich war die Evaluation? ###BILD_51850_left###Und weil man zu einem anderen Schluss kam, war die Beschaffung selbst eine relativ einfache Sache. Sicherheitsdirektor Mario Fehr (SP) konnte es quasi im Alleingang tun, weil er Beschaffungen seines Departements erst ab einer Million Franken vom Gesamtregierungsrat genehmigen lassen muss. Und weil Artikel 10 der Interkantonalen Vereinbarung ber das ffentliche Beschaffungswesen (IVB) besagt, dass keine öffentliche Ausschreibung stattfinden muss, wenn die Sicherheit gefährdet ist, konnte Fehr den Auftrag freihändig vergeben. Um aber allfällig aufkommender Kritik bezüglich schlampiger Beschaffung entgegenzuwirken, hält Urs Grob fest: «Es hat eine gründliche Evaluierung stattgefunden». Trotzdem muss sich die Sicherheitsdirektion jetzt vorwerfen lassen, sich für einen Hersteller entschieden zu haben, der auch an totalitäre Regimes ausliefert und zudem offenbar Backdoors in seine Software einbaut. Deshalb aber auf der Kapo rumzuhacken, sei nicht fair, findet Grob. Diese Problematik würde sich bei jeder Beschaffung von Sicherheitsmaterialien ergeben: «Sagen Sie uns, wo wir ohne Bedenken einkaufen können und wir werden es tun». Der Kommunikationsbeauftragte hat natürlich einen Punkt: Firmen, die Produkte wie Überwachungssoftware herstellen, werden immer an denjenigen verkaufen, der das Geld dafür aufwendet. Egal, zu welchem Zweck die Produkte gebraucht werden. Damit stellt sich aber die Grundsatzfrage: Sollen solche Produkte überhaupt gekauft werden? Urs Grob hat dazu eine klare Meinung: «Die Kantonspolizei hat einen Strafverfolgungsauftrag, dem sie nachkommen muss. Solche Mittel kommen nur bei wirklich schweren Straffällen zum Einsatz, wir reden hier beispielsweise von Geldwäscherei oder Menschenhandel.» Es werde darum stets eine Güterabwägung vorgenommen. Software wird «eingehend geprüft» Die Güterabwägung sieht heute wohl anders aus als bei der Beschaffung. Da der Quellcode der Software offen liegt, ist sie nun eigentlich nutzlos. Virenscanner werden sie relativ bald erkennen und damit der Software den Sinn – das anonyme Ausspähen – nehmen. Wenn sie nicht mehr eingesetzt wird – und alles andere wäre ein noch grösserer Fauxpass als die Kommunikationsstrategie der Kapo – hätte der Kanton knapp eine halbe Million Euro für eine Software ausgegeben, die zweimal benutzt werden konnte. Urs Grob meint dazu: «Man ist sicher davon ausgegangen, dass sie mehr als zweimal eingesetzt werden kann.» Aufgrund der Ereignisse werde man nun die Software aber eingehend prüfen.