Best Practice Ergon 31.08.2020, 08:55 Uhr

«Robo Advisors bringen Kunden zurück in den Fokus»

Dank der Unterstützung von Robo Advisors können sich Berater auf diejenigen Tätigkeiten konzentrieren, bei denen der Kunde im Fokus steht. So werden die Roboter keine Menschen ersetzen, sagt Adrian Berger von Ergon im Interview.
Adrian Berger ist Managing Director Finance & Telco Solutions bei Ergon Informatik. Er stiess 2000 zum Unternehmen und nahm 2016 Einsitz in die Geschäftsleitung. Berger hat Informatik an der ETH Zürich studiert.
(Quelle: Ergon)
Computerworld: Automatisierung und regelbasierte Systeme sind die Grundlage für Robo Advisors. Beide Themen sind lange bekannt. Warum gibt es die Robo Advisors erst jetzt?
Adrian Berger: Die Digitalisierung und das Aufkommen von innovativen Fintechs und modernen Technologien haben die Bewegung ganz klar angestossen und mitgeprägt. Im Finanzbereich bei Anlagevorschlägen wird dank Robo Advisors eine transparente Kostenstruktur ohne versteckte Kosten erreicht. Dadurch wird dem Kunden eine gewisse Nachvollziehbarkeit verliehen, das wiederum schafft Vertrauen in den Service und stärkt schlussendlich die Kundenloyalität gegenüber der Bank oder dem Anbieter. Genau diese Transparenz und Nachvollziehbarkeit für Kunden war früher selten gegeben und hat mitunter ein gewisses Mass an Misstrauen hervorgerufen. Zudem steigen die Anforderungen an Serviceleistungen seitens der Kunden stetig, was die Bewegung immer weiter vorangetrieben hat. Es war allein eine Frage der Zeit, bis Fintechs in den Markt eintreten und Banken sich mitreissen lassen.
CW: Die Robo Advisors sind dabei, sich in der Finanzbranche zu etablieren. Sehen Sie weiteres Potenzial, wie sie sich entwickeln könnten?
Berger: Durchaus, doch die jeweiligen Rahmenbedingungen und spezifischen Anforderungen müssen stimmen. Sobald Adaptierbarkeit und Skalierbarkeit eines Services gegeben sind, eröffnen sich neue Chancen für Unternehmen. Ich bin mir sicher, dass sich Robo Advisors in diesen Bereichen ebenfalls etablieren werden.
Mögliches Potenzial sehe ich überall dort, wo es eine gewisse undurchsichtige und keine unabhängige Beratungsleistung gibt. Das beste Beispiel ist die Versicherungsbranche. Hier kann es Systeme geben, die unabhängig auf verschiedenen Produkten aufsetzen und eine bessere Kombination sicherstellen können. Allfällige Verkäufe, die hauptsächlich im Zusammenhang mit den Provisionen der Versicherungsberater stehen, gehören damit der Vergangenheit an, wodurch die Qualität der Beratung sowie das Vertrauen seitens der Kunden steigt.
Eine zusätzliche Voraussetzung dafür ist ein eher komplexes Umfeld: Geld anlegen ist nicht einfach und durch den Robo Advisor kann im Durchschnitt eine bessere Leistung erzielt werden, die dann für alle Kunden in gleicher Qualität resultiert. Auch hier ist der Kunde nicht direkt vom Berater abhängig, was letztendlich zu besserer Eigenleistung führen kann.
CW: Was unterscheidet einen guten von einem aussergewöhnlichen Robo Advisor?
Berger: Der USP eines guten Robo Advisors kann allein schon durch die Einfachheit und eine gute Benutzerfreundlichkeit gegeben sein, sodass eine breite Masse mit guter Qualität abgedeckt werden kann. Wenn der Robo Advisor dann noch eine gewisse Flexibilität aufweist und beispielsweise das Investment-Potenzial des Kunden erkennt und zusätzlich spezifische Services anbietet, würde ich von einem aussergewöhnlichen Robo Advisor sprechen.
CW: Mit welchen Fragestellungen zum Thema Robo Advisory kommen Kunden oder Neukunden auf Ergon zu?
Berger: Sowohl die bestehenden als auch die neuen Kunden interessiert insbesondere das Backend: Wie die Verarbeitung aufgebaut werden muss, damit das System skalieren kann, und wie  Verarbeitungsgenauigkeit sowie -qualität hergestellt werden. Typischerweise liegen die Systeme, welche die ganze Anlage verwalten und Frontends anbieten, neben den Kernbankensystemen. Um eine nahtlose Kundenerfahrung zu gewährleisten, müssen all diese Systeme miteinander verbunden werden. Wir haben bereits zahlreiche Erfahrungen im Bereich Robo Advisory sammeln dürfen. Ich glaube, Kunden kommen zu uns, weil wir die Systeme entwickeln, die wirklich für ihren spezifischen Anwendungsfall funktionieren, Front to Back.
CW: Robo Advisors entlasten den Menschen von repetitiven Tätigkeiten. Sind auch Jobs in Gefahr?
Berger: Ich sehe nicht den ganzen Job in Gefahr, sondern eher genau die Aufgabenbereiche, die den Kunden nicht in den Fokus stellen. Dank der Robo Advisors können mehr Kunden mit den Grundlagen abgedeckt werden. Gewonnene Zeit kann so in komplexe Beratungsleistungen investiert werden, die dem Kunden einen echten Mehrwert bieten. Sie kommen also genau an der Stelle zum Einsatz, wo Robo Advisors ihre Limitation haben und die Qualität der Beratung weiter gesteigert werden kann.
CW: Welche Grenzen sind das?
Berger: In komplexen Situationen, in denen zu viele Umgebungsvariablen aus der persönlichen Situation interpretiert werden müssen und es nicht allein um eine Ableitung eines Risikoprofils auf einen Anlagenentscheid mit gewissen Präferenzen geht, kommen Robo Advisors an ihre Grenzen. Eine 360-Grad-Sicht eines Kunden kann ein Robo Advisor nicht abbilden – noch nicht.


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