03.07.2017, 10:49 Uhr

Roboter und 3D-Drucker als Bauassistenten der Zukunft

Auf dem Areal der Empa und Eawag in Dübendorf arbeitet die ETH Zürich am weltweit ersten Haus, das mit digitalen Prozessen entworfen, geplant und gebaut wird. Teile für das sogenannte «DFAB HOUSE» stellen weitgehend Roboter und 3D-Drucker her.
Roboter, die elegant geschwungene Mauern bauen, und 3D-Drucker, die komplex geformte Geschossdecken produzieren. Die Architektur ist im Umbruch dank neuer Bautechnologien. Einige von ihnen erprobt die ETH Zürich gerade in Dübendorf. Der «In situ Fabricator» arbeitet sich Schritt für Schritt einen vertikalen Stahlstab entlang nach oben. Der Roboter platziert eine Querstrebe, schneidet sie passend ab und verschweisst sie. So «webt» er ein Stahlgitter. Zwei davon, in wenigen Zentimetern voneinander entfernt, schwingen elegant durch den nur mit Plastikplanen und Gerüsten abgeschirmten Raum am NEST im Dübendorf, einer Plattform der Forschungsanstalten Empa und Eawag, auf der neue Bautechnologien erprobt werden.
Die beiden Stahlgitter bilden gleichzeitig Schalung und Bewehrung für eine tragende Betonwand, das erste Element des «DFAB HOUSE», das acht ETH-Professuren gemeinsam mit Wirtschaftspartnern am NEST bauen. Es soll das erste Haus werden, dass nicht nur digital entworfen und geplant, sondern auch weitgehend mit einer Kombination verschiedener digitaler Technologien gebaut wird. Wenn es im Sommer 2018 bezugsfertig ist, wird es drei Stockwerke haben.

«Spaghetti and Meatballs»

Das geradezu kunstvolle Stahlgitter wird demnächst hinter Beton verschwinden, wenn die Wand gegossen wird: Der Beton wird dafür von oben zwischen die beiden Gitter gefüllt. Eine Schwierigkeit bei der Entwicklung dieser «Mesh Mould»-Technologie war, dass die ETH-Forschenden dafür genau die richtige Mischung des Materials finden mussten: Flüssig genug, dass es keine Hohlräume im Beton gibt, aber auch dickflüssig genug, dass er nicht zu sehr durch das Gitter austritt und aussen herunterläuft.
Eine der gut funktionierenden Mischungen haben die Wissenschaftler «Spaghetti and Meatballs» getauft, erzählt Norman Hack von der ETH an einem Medienanlass in Dübendorf: Der Beton selbst ist relativ dünnflüssig, enthält aber Fasern, die den Beton klumpiger machen. «Etwa fünf Prozent des Betons tritt aus, aber das können wir direkt wieder oben einfüllen, so dass praktisch nichts verloren geht», erklärt Hack auf die Frage der Nachrichtenagentur sda. Abschliessend wird noch eine Schicht Beton aussen auf die Wand aufgesprüht und von Hand glattgestrichen. Noch braucht die Technologie viel menschliche Handarbeit: Die vertikalen Streben, die eine Dimension des Gitters bilden, müssen noch per Hand in die Halterung des Roboters und ein Loch in der vorgefertigten Basis am Boden gefädelt werden. Auch das Einfüllen, Besprühen und Verspachteln ist noch manuell. Schritte, die die Forschenden in Zukunft jedoch ebenfalls zu roboterisieren hoffen, was statt glatter Wände noch neue Gestaltungsmöglichkeiten eröffnen könnte. Nächste Seite: Geschossdecke aus dem Drucker

Geschossdecke aus dem Drucker

Die gewellte Betonwand im Basisgeschoss wird jedoch nicht das einzige kunstvolle am DFAB HOUSE sein: Auf dieser Wand wird eine Geschossdecke – «Smart Slab» genannt – zu liegen kommen, deren Schalung mit Hilfe eines grossformatigen 3D-Sanddrucks hergestellt wird, wie Projektleiter Konrad Graser erklärte. Damit sei möglich, auch sehr komplexe Formen wie Muster oder Hohlräume für Installationen zu gestalten, die mit normalen Fertigungsmethoden gar nicht möglich wären. Für die Aussenwand stellen die Forschenden mittels «Smart Dynamic Casting» massgeschneiderte Fassadenpfosten her. Den Holzbau für die oberen beiden Stockwerke mit Einzelzimmern setzen kooperierende Roboter als «Spatial Timber Assemblies» im Robotic Fabrication Lab der ETH zusammen, dem «Baulabor der Zukunft», wie Matthias Kohler von der ETH es nannte. Darin hängen vier Roboter von der Decke, die grossformatige Elemente konstruieren können.
Somit müssen sich gleich vier neuartige Bautechnologien im Praxistest beweisen, die an der ETH entwickelt wurden. Das digital fabrizierte Haus sei quasi die Synthese der ersten Etappe eines insgesamt zwölfjährigen Forschungsprogramms, des Nationalen Forschungsschwerpunkts (NFS) Digitale Fabrikation, sagte ETH-Professor Kohler. Das Ziel der ETH-Forschenden und ihrer Wirtschaftspartner: ein voll funktionsfähiges und bewohnbares Haus, das fast komplett mit digitalen Technologien erzeugt wurde. Diese Bautechnologien seien nachhaltiger und effizienter und böten gestalterisch neue Möglichkeiten, so Kohler. «Damit ändern sich auch die Ausdrucksformen der Architektur und unsere Lebensräume.»

Den Mensch braucht es weiterhin

Ganz ohne Menschen geht es jedoch auf der Baustelle dann doch nicht. Nicht nur bei der «Mesh Mould»-Technologie braucht es noch viel Handarbeit. Welcher Anteil der Roboter letztlich erledigen kann und welcher Aufgabe des Menschen bleibt, unterscheide sich von Technologie zu Technologie, sagte Graser im Gespräch mit der sda. «Einige eignen sich sehr gut für die Automatisierung, bei anderen wird der Mensch immer eine Hand im Spiel haben.» Der Fokus des Projektes sei auch mehr, eine engere Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine zu ermöglichen, bei der beide ihre Stärken ausspielen. Der Mensch seine Kreativität und Erfahrung, der Roboter seine Präzision, weil er sich mit Sensoren exakt im Raum positionieren und seine Arbeit laufend selbst überwachen kann. Der Beruf des Bauarbeiters dürfte sich jedoch stark verändern, wie so viele Jobs in Branchen, die bereits vom digitalen Wandel erfasst wurden. Zukunftsprognosen seien schwierig, betonte Matthias Kohler, aber der Dialog zwischen Forschung und Bauindustrie darüber sei wichtig. Im Sommer 2018 sollen dann unter anderem Gastforschende der Empa und der Eawag auf den 200 Quadratmetern des DFAB HOUSE einziehen und es im Alltag testen. Dann ist es mit den digitalen Technologien aber noch nicht vorbei: Vom digitalen Bauen geht das DFAB HOUSE dann zum digitalen Wohnen über, bei der Technologien aus dem Bereich «Smart Home» und «Internet der Dinge» getestet werden, erklärte Graser.



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