Forschungsprojekte 14.08.2019, 15:45 Uhr

Gehobener Datenschatz vom Matterhorn

Seit 10 Jahren liefert ein Drahtlos-Sensornetzwerk auf dem Hörnligrat am Matterhorn ununterbrochen Messdaten über den Zustand der Felsen, des Permafrosts und des herrschenden Klimas. Projektleiter Jan Beutel zieht nun Bilanz.
Arbeiten mit einer spektakulären - oder schwindelerregenden - Aussicht: Jan Beutel bei Unterhaltsarbeiten am Sensor-Netzwerk in der Felssturzzone von 2003
(Quelle: Permasense)
Im Hitzesommer 2003 ereignete sich am Matterhorn ein Felssturz, der Öffentlichkeit wie Forschung aufschreckte: Am Hörnligrat brachen 1500 Kubikmeter Fels ab – das entspricht etwa dem Volumen von zwei Einfamilienhäusern. Im steilen Fels klaffte eine Lücke, die mit Eis bedeckt war. Rasch wurde Fachleuten klar: Die Rekordhitze hatte den Fels bis in grosse Tiefen erwärmt und das Eis, das in Poren und Rissen enthalten war, geschmolzen. Dadurch fehlte plötzlich der Kitt, welche die Felsmassen zusammenhielt.
Dieser Felssturz war Auftakt für das Projekt PermaSense, ein ungewöhnliches, interdisziplinär ausgerichtetes Forschungsvorhaben von Geo- und Ingenieurwissenschaftlern der ETH Zürich und weiterer Institutionen, darunter die Universitäten Zürich und Basel. Das Projekt startete 2006 mit dem Ziel, Messungen und Beobachtungen zu erlauben, die bis zum damaligen Zeitpunkt nicht möglich waren. Die Forschenden wollten mithilfe modernster Geräte und Technologie in steilem Permafrost Messdaten in bisher unerreichter Menge und Qualität erheben.
Das ist ihnen nicht nur gelungen, die Forschenden haben das Ziel weit übertroffen, wie sie nun in der Fachzeitschrift «Earth System Science Data» berichten. Die Studie beschreibt einen einmaligen 10 Jahre umfassenden hochaufgelösten Datensatz, den die Wissenschaftler im Hochgebirge am Hörnligrat des Matterhorns auf 3500 m ü.M. erhoben haben. 17 verschiedenen Sensortypen an 29 Stellen am Grat und an der Abbruchstelle verteilt lieferten 115 Millionen einzelne Datenpunkte.
Am Hörnligrat des Matterhorns haben Forscher zahlreiche Sensoren platziert
Quelle: aus Weber et al. , 2019, ESSD
«Dieser Datensatz ist wohl einer der längsten, dichtesten und diversesten Datensätze in der Geschichte der Permafrostforschung überhaupt», sagt Jan Beutel, Senior Researcher am Institut für Technische Informatik und Kommunikationsnetze der ETH Zürich, nicht ohne Stolz. Beutel war und ist die treibende Kraft hinter dem Vorhaben.
Durch den Einsatz modernster drahtloser Sensorik ist es den Forscherinnen und Forschern gelungen, sehr viele Daten von hoher Qualität zu erhalten, diese Daten in nahezu Echtzeit verfügbar zu machen und die laufenden Experimente genau zu überwachen und zu steuern. «Die kombinierte Analyse von Langzeitmessungen verschiedener Messsysteme führt zu einem vertieften Verständnis von Prozessen, welche zur Destabilisierung von Felswänden führen kann», sagt Samuel Weber, der Projektpartner von Beutel und derzeit Postdoktorand an der TU München.

Zum Sensornetzwerk zählt unter anderem eine automatische Spiegelreflexkamera, die alle zwei Minuten Bilder von der Abbruchstelle schiesst; Abstandsmessungen in Felsspalten (Crackmeter) gehören dazu, welche die Weitung von Klüften und den Versatz von Felsbrocken zueinander messen. In verschiedenen Felstiefen, aber auch an der Oberfläche werden Temperaturen gemessen. Permanent messen Neigungsmesser und GPS-Sensoren, wie sich einzelne Felsköpfe und auch der ganze Grat talwärts neigen. In den letzten Jahren ergänzten die Forscher ihre Sensorenfamilie um Seismik- und Akustik-Messgeräte.
Vom Hörnligrat gelangen die Messdaten über Funk zum Kleinen Matterhorn und von dort über das Internet praktisch in Echtzeit in ein Rechenzentrum der ETH Zürich. Dort werden sie gesammelt, analysiert und ausgewertet, seit nunmehr 10 Jahren permanent und beinahe ohne Unterbruch, sommers wie winters, zu jeder Tageszeit.



Das könnte Sie auch interessieren