30.03.2016, 15:00 Uhr

ETH entwickelt Open-Source-Chip

Ein quelloffener Mikroprozessor der ETH soll die Unabhängigkeit von kommerziellen Chips bedeuten, wovon auch KMU profitieren.
Open-Source gibt es nicht nur im Software-, sondern auch im Hardware-Bereich. Beispiele sind grundsätzlich quelloffene Einplatinencomputer wie Arduino oder Raspberry Pi, von denen Baupläne verfügbar sind. Allerdings basieren diese auf kommerziellen Chips, deren interne Architektur nicht Open-Source ist. Vor wenigen Tagen haben nun Wissenschaftler der ETH Zürich und der Universität Bologna unter der Leitung von ETH-Professor Luca Benini den Bauplan eines von ihnen entwickelten Mikroprozessorsystems veröffentlicht – und zwar so, dass die Freiheit anderer Entwickler, das System zu nutzen und verändern, maximal ist, wie Benini betont. «Es ist nun möglich, Open-Source-Hardware wirklich von Grund auf zu konstruieren.»  «Bei vielen bisherigen Beispielen von Open-Source-Hardware ist die Nutzung durch exklusive Vermarktungsrechte und Konkurrenzverbote eingeschränkt», sagt Benini. «Bei unserem System hingegen sehen die Lizenzbedingungen keine solche Einschränkungen vor.» Die Rechenbefehle, welche der Mikroprozessor ausführen kann, sind ebenfalls Open Source: Die Wissenschaftler machten den Prozessor kompatibel mit einem Open-Source-Befehlssatz – RISC-V –, der an der University of California in Berkeley entwickelt wurde.
Der neuentwickelte Prozessor heisst Pulpino und ist für batteriebetriebene Geräte mit äusserst geringem Energiebedarf vorgesehen – Pulp steht für «parallel ultra low power». Dies könnten Chips für kleine Geräte wie Smartwatches sein, für Sensoren zur Überwachung von Körperfunktionen (die mit einer Pulsuhr kommunizieren können) oder für neuartige Sensoren für das Internet der Dinge. Benini gibt ein Beispiel aus der aktuellen Forschung in seinem Labor: «Wir entwickeln mit dem Pulpino-Prozessor eine mit Elektronik und einer Mikrokamera bestückte Smartwatch. Sie kann visuelle Informationen auswerten und daraus den Aufenthaltsort des Benutzers bestimmen. Die Idee ist, dass eine solche Smartwatch dereinst etwa Heimelektronik ansteuern könnte.» Dies alles auf kleinstem Raum auf einem Mikroprozessor unterzubringen mit einer winzigen Leistung von nur wenigen Milliwatt, sei eine Herausforderung, zumal die Rechenkapazität für die Bildauswertung ausreichend gross sein müsse.

Interessant für die Industrie

Pulpino soll auch dem für die Schweiz und Europa so typischen KMU-Umfeld zugutekommen. «Die Produktion von Mikrochips ist in den letzten Jahren billig geworden, weil Halbleiterhersteller grosse Produktionskapazitäten aufgebaut haben, die sie auslasten müssen», erklärt Benini. Teurer ist die Entwicklung der Prozessoren: «Es wäre viel zu aufwendig, einen komplexen Chip von Grund auf neu zu entwickeln, insbesondere für KMU. Stattdessen kaufen Entwickler in der Regel einzelne Funktions-Komponenten ein, welche sie ins Chip-Design integrieren. Die Lizenzgebühren für diese Komponenten sind oft ein wesentlicher Teil der gesamten Entstehungskosten.» Mit dem Open-Source-Chip, für den keine Lizenzgebühren anfallen, sinken die Entwicklungskosten deutlich, wovon die KMU profitieren, aber auch die ETH, wie Benini betont: «Es könnten so neue Forschungs- und Entwicklungspartnerschaften mit der Industrie entstehen, um gemeinsam auf der Basis von Pulpino neuartige Chip-Komponenten zu entwickeln.» Die Entwickler von Pulpino planen daher, ihren Mikroprozessor in diesem Jahr der Open-Source-Hardware-Gemeinschaft noch besser bekannt zu machen.



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