23.03.2015, 15:05 Uhr

CERN-Wissenschaftler wollen mit Schwarzen Löchern Paralleluniversen entdecken

Der Large Hadron Collider (LHC) wird diese Woche wieder in Betrieb genommen. Mit nochmals deutlich mehr Energie ausgestattet wie zuvor. Die Ziele der Wissenschaftler sind ebenfalls gewaltig: Sie wollen Schwarze Löcher, Paralleluniversen und Dunkle Materie entdecken.
Schwarze Löcher gehören zu den polarisierendsten Objekten unseres Universums. Beängistgend, weil sie sämtliche Materie verschlingen und faszinierend, weil das grosse Unbekannte auf der anderen Seite lauert. Solche Schwarzen Löcher soll es schon in wenigen Tagen in Genf geben. Natürlich am CERN, wo seit 2008 der Large Hadron Collider (LHC) steht, die grösste Maschine der Welt. Der Teilchenbeschleuniger besteht hauptsächlich aus einem 26,7 Kilometer langen unterirdischen Ringtunnel. Wurde die Maschine, die von über 10 000 Wissenschaftlern über Jahrzehnte geplant wurde und rund 6 Milliarden Dollar kostete, zu Beginn in der breiten Bevölkerung mit einer Mischung aus Skepsis und Angst betrachtet, hat sie sich mittlerweile als Segen für die Reputation der Schweiz erwiesen. Die Meinung der Öffentlichkeit könnte sich allerdings bald wieder ändern. Oder sich für immer zementieren.

Stärker als zuvor

Als im Sommer 2012 am CERN das Higgs-Boson bewiesen wurde, gelang einer der grössten Meilensteine der jüngeren Wissenschaftsgesichte. Das sogenannte «Gottesteilchen» war der letzte fehlende Baustein im Standardmodell der Physik, welches die bekannten Elementarteilchen und die Wechselwirkungen zwischen ihnen beschreibt und nahezu alle bisher beobachteten teilchenphysikalischen Beobachtungen erklären kann. Nach dieser Entdeckung wurde es ruhiger um den LHC, im Februar 2013 wurde der Teilchenbeschleuniger heruntergefahren und anschliessend modernisiert. Nächste Woche soll der LHC wieder an die Arbeit gehen - mit deutlich mehr Kraft wie bisher. Mit einer Energie von 13 Teraelektronenvolt sollen nun Experimente durchgeführt werden können. Zum Vergleich: Seinen bisherigen Energierekord erreichte der LHC 2012 mit 8 Teraelektronenvolt. Die gesteigerte Energie kann dafür sorgen, dass die Wissenschaftler ein Mysterium lösen, das für die Laienwelt wesentlich faszinierender ist als das Higgs-Boson: Ob es nebst unserem Universum parallel existierende Welten gibt.Diese Woche sollen die neuen Experimente beginnen. «Wir sagen voraus, dass Gravitation in Alternativdimensionen entweichen kann. Und wenn dies geschieht, entstehen sehr kleine Schwarze Löcher, die per LHC nachweisbar sind», sagt Mir Faizal einer der zuständigen Physiker, in einem Artikel in der Zeitschrift Physics Letters B. Solche Versuche sind am CERN zwar bereits erfolglos durchgeführt worden, doch erst die zusätzliche Kraft des Teilchenbeschleunigers kann die Schwarzen Löcher finden, ist Fazil überzeugt. Behält der Wissenschaftler recht, würde ein komplett neues Universum entdeckt werden. Die Welt würde Kopf stehen, Physik-, Religions- und Philosophiebücher müssten neu geschrieben werden.
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Dunkle Materie entdecken

Ein weiteres hochbrisantes Experiment am CERN wird die Erforschung dunkler Materie sein. Forscher gehen davon aus, dass die sichtbare Materie nur rund vier Prozent des Universums ausmacht, während 96 Prozent auf Dunkle Materie und die ebenso geheimnisumwitterte Dunkle Energie entfallen. Dunkle Materie hat nach Ansicht vieler Forscher dafür gesorgt, dass sich nach dem Urknall relativ rasch Sterne und Galaxien gebildet haben. Sie soll auch dafür sorgen, dass Sternensysteme nicht auseinanderfliegen. Gigantische Wolken des unbekannten Elementarteilchens sollen die Galaxien umgeben und durchziehen ? so auch das Zentrum unserer Milchstrasse. Ihre Existenz gilt bisher als nicht nachgewiesen, wird aber durch astronomische Beobachtungen nahegelegt, die durch die sichtbare Materie allein nicht erklärbar sind, wenn man die anerkannten Gravitationsgesetze zugrunde legt.
Die Vorbehalte gegen die Experimente dürften riesig sein, schliesslich werden Dunkle Materie und Schwarze Löcher in Science-Fiction-Filmen häufig mit katastrophalen Auswirkungen auf die Menschheit in Verbindung gebracht. Stand heute existiert aber zumindest die Stadt Genf noch ? es ist also zu hoffen, dass viele Filme übertreiben. Auch ist keineswegs gesagt, dass die Wissenschaftler mit dem stärkeren Teilchenbeschleuniger schaffen, was vor ihnen niemand konnte. Etwas Vertrauen haben sie nach dem bisher Erreichten aber verdient.



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