Alles nur geklaut
01.02.2010, 08:24 Uhr
Was Apple und Microsoft von einander kopiert haben
Steve Jobs hat einmal gesagt, dass Microsoft sein Windows von Apple gestohlen habe. Das hat zwar etwas Wahres, aber genau so kann das Gegenteil behauptet werden. Computerworld.ch zeigt, wer was von wem geklaut hat.
Sowohl Windows 7 als auch Mac-OS X 10.6 Snow Leopard und die zahlreichen Vorversionen weisen Funktionen auf, die aus dem jeweils anderen Betriebssystem stammen. Einige dieser Features wurden bereits vor so langer Zeit geklaut, so dass sie fast in allen grafischen Benutzeroberflächen auftauchen und so zu sagen zum User-Interface-Inventar gehören. Schwierig, hier noch zu entscheiden, wer was wann von wem stibitzt hat. Computerworld.ch entlarvt in der Folge die Kleptomanen auf beiden Seiten.
Von Windows geklaut: Die Finder-Seitenleiste im Mac-OS
Sie wurde klar von der Explorer-Leiste unter Windows abgeschaut. Wie diese erscheint die Finder-Seitenliste am linken Rand eines Ordnerfensters und bietet eine hierarchische Übersicht über den Inhalt der Ordners. In beiden Benutzerkonzepten kann von einem Ort aus jeder andere Ort im Ablagesystem des Computers angesteuert werden. Die Finder-Seitenleiste feierte ihr Debut in Version 10.3 von Mac-OS X, genannt "Panther" und somit zwei Jahre nach der Einführung der Explorer-Leiste in Windows. Doch Microsoft hat sich anschliessend von einem Umsetzungsdetail bei Apple inspirieren lassen. Die Redmonder übernahmen in Vista die Benutzerführung mit Dreiecken. Davor verwendete Windows Plus- und Minus-Zeichen, mit denen man in den Ordner- und Verzeichnis-Bäumen herumnavigieren konnte.
Vom Mac geklaut: Die überarbeitete Taskleiste
Die Taskleiste in Windows 7 ist generalüberholt worden. Das Ergebnis: Sie sieht nun aus wie das sogenannte Dock in Mac-OS X. Wie dieses ist jetzt die Windows-Taskleiste ein Ort, won dem man aus Programme starten kann und auf der Fenster in verkleinerter Form zwischengelagert werden. Wie auf dem Mac lassen sich nun auch unter Windows auf der Taskleiste die Programm-Icons frei hin und her bewegen oder ganz entfernen. Ein leuchtender Punkt unter dem Applikationsbildchen im Dock zeigt beim Mac an, dass die Anwendung läuft. Microsoft rahmt die Applikation ein. Doch auch Apple hat die Dock-Idee nicht als erstes Unternehmen gehabt. Vielmehr brachte sie Steve Jobs von seinem Nextstep OS mit. Next wiederum hatte das Benutzerkonzept vom Arthur OS des britischen Computerbauers Acorn abgekupfert. Der war bereits 1987 auf die Idee gekommen.
Von Windows abgekupfert: Die Pfadleiste
Mit Mac-OS X 10.5, genannt Leopard, hat Apple eine zuschaltbare Pfadleiste eingeführt, die am unteren Rand eines Ordnerfensters erscheint. Ein Doppelklick auf einen Ordner in diesem Pfad öffnet ihn. Auch einzelne Dateien lassen sich über die Pfadleiste verschieben und kopieren.
Gut ein Jahr zuvor hatte Microsoft das Konzept als Adressleiste in Windows Vista verwirklicht. Hier hat das Feature sogar einen grösseren Funktionsumfang. So kann man auf das Dreieck neben dem Ordner klicken und erhält den Inhalt aufgelistet.
Vom Mac abgeschaut: Sprunglisten in der Taskleiste
Wer beim Mac einen Ordner auf dem Dock ablegt kann sich dessen Inhalt auffächern lassen. Diese Idee hat nun Microsoft unter Windows 7 in die überarbeitete Taskleiste einfliessen lassen. Wer auf ein Element klickt erhält ein Menü mit verschiedenen Befehlen und inhalten zur Auswahl. Fährt man unter Windows 7 mit der Maus über ein Programmicon, erhält man auch direkt Zugriff auf die letzten Dokumente, die mit der entsprechenden Applikation erstellt wurden.
Von Windows inspiriert: Der Vorwärts- und Zurück-Knopf in Ordnerfenstern
Die Vor- und Zurück-Knöpfe sind ja eigentlich Erfindungen der Browser-Hersteller. Die Idee, das Navigationskonzept auch im Dateimanager anzuwenden, um schnell zurück in die letzte Ansicht zu finden, hatten aber die Software-Ingenieure von Microsoft. In Windows 2000 debutierte das Konzept. Apple übernahm zunächst nur den Zurück-Knopf in Mac-OS X. Erst mit Version 10.2, genannt Jaguar, konnten auch Macianer über die aus Browsern bekannten Bedienelemente vor- und zurücknavigieren.
Vom Mac beeinflusst: Aero Peek
In Windows 7 lassen sich mit der Funktion Aero Peek alle aktiven Fenster auf einmal betrachten, oder der Desktop kann komplett entrümpelt werden. Diese Idee ist die Kopie des Exposé-Features auf dem Mac, das dort bereits seit Version 10.3 von Mac OS X vertreten ist, also 2003 eingeführt wurde.
Von Windows geklaut: Minimierung eines offenen Dokuments zu einem Icon
Mit Mac-OS X 10.6 Snow Leopard können Anwender auch Dateien, die sie offen haben zu einem Programmicon verkleinern und auf dem Dock ablegen. Bislang ist dies nur mit einer Miniaturansicht des Dokuments möglich. Die Reduktion zu einem Icon erinnert an die Art und Weise, wie in der Taskleiste von Windows seit eh und je offene Dateien aufgelistet werden. Ganz überzeugt von diesem Benutzerführungs-Feature scheinen die Apple-Programmierer allerdings nicht zu sein. Denn die Funktion ist standardmässig ausgeschaltet.
Vom Mac gestohlen: Dateivorschau
Die Möglichkeit, den Inhalt von Dateien zu betrachten, ohne dass die dazugehörige Applikation gestartet werden muss, ist in diversen Orten in Windows Vista und Windows 7 realisiert, so etwa auch im Vorschaufenster des Windows Explorers. Aber Apple war in Sachen Vorschau immer schon einen Schritt weiter. Die erste "Übersicht" genannte Funktion wurde bereits 2000 im allerersten Mac OS X 10.0, genannt Cheetah, realisiert. In der Spaltenansicht liess sich so der Inhalt einer Datei begutachten. Microsoft hat mit der Vorschau nun mit dem Mac gleichgezogen. Hier lassen sich sogar Tondateien und Filme abspielen. Allerdings hat die Funktion nach wie vor Mühe mit formatiertem Text.
Und in gewisser Weise hat der Mac immer noch einen Vorsprung. So bietet die Ansichtsoption Cover Flow gleich mehrere Vorschauen hintereinander. Und über das Programm "Übersicht" lässt sich auch ein mehrseitiges Dokument schnell durchblättern.
Von Windows abgeschaut: Die Bildschirmfreigabe
In Mac OS X 10.5 Leopard hat Apple seinen Anwendern die Funktion Bildschirmfreigabe spendiert. Damit lässt sich ein weiterer Mac im Netzwerk betrachten und bedienen. Windows-Anwender kennen diese Fernwartungsfunktion schon seit geraumer Zeit. In Form der "Remote Desktop Verbindung" wurde dieses Feature bereits mit Windows XP eingeführt. Ja, Microsoft offerierte Mac-Usern eine Gratis-Version von Remote Desktop für die Mac-Plattform, lange bevor Apple die Funktion fix im Betriebssystem verankerte.
Vom Mac abgekupfert: Gadgets
In Windows Vista hat Microsoft kleine Miniapplikationen eingeführt und diese Gadgets genannt. Diese sammeln oft spezielle Infos im Internet, wie beispielsweise die Wettervorhersage für den Wohnort des Users. Mit solchen Progrämmchen hatten zum Zeitpunkt der Vista-Einführung Mac-User schon einige Zeit herumgespielt. Apple hatte diese als sogenannte Widgets in Ausgabe 10.4 Tiger des Mac-OS X eingeführt.
Von Windows inspiriert: Die Time Machine
In Apple lassen sich Dateien und Programme in der sogenannten Time Machine ablegen. Die eigentliche Backup-Engine ist nicht von Microsoft geklaut, aber das Konzept, Backup-Funktionen als Teil des Betriebssystems anzubieten stammt von den Redmondern. Bei Microsoft heisst das ganze Backup and Restore. Das Programm ist um einiges schwieriger in der Anwendung als Time Maschine. Aber Windows war mit dem Backup-Feature klar zuerst auf dem Markt.
Der Mac als Vorbild: Kurznotizen
Ein praktisches neues Werkzeug in Windows 7 sind die sogenannte Kurznotizen. Allerdings gab es zuvor vergleichbare Produkte von Drittherstellern unter Windows. Doch Apple hatte die den gelben Post-it-Zetteln nachempfundenen "Fötzel" schon wesentlich länger im Betirebssystem integriert, als sogenannte Notizzettel. Bekannt sind sie dort seit 1994, als sie im System 7.5 von Apple debutierten. Heute verfügen die Mac-Notizen über Textformatierung und Rechtschreibkontrolle, machen also einer einfachen Textverarbeitung Konkurrenz.
Von Windows geklaut: Zentrale Systemeinstellungen
Vor der Mac-OS-X-Ära nahmen Mac-Anwender Einstellungen zur Steuerung ihres Computers in verschiedenen Miniapplikationen, den sogenannten Kontrollfeldern vor. Diese Einstellungsmöglichkeiten hat Microsoft bei Windows schon früh in der Systemsteuerung zusammengefasst. Für das erste Mac-OS X, genannt Cheetah, hat Apple diese Idee von Microsoft abgekupfert und seinerseits die zentralen Systemeinstellungen entwickelt.
Vom Mac abgeschaut: Definierte Suchvorgänge
Mit Mac-OS X 10.4 Tiger zeigte Apple erstmals das Konzept der intelligenten Ordner. Dabei handelt es sich um virtuelle Ordner, die das Ergebnis von Suchabfragen oder von sonstigen Filterkriterien anzeigen. Microsoft hat diese Idee abgekupfert und als Suchvorgänge verwirklicht. In den aktuellen Versionen der beiden Betriebssysteme funktionieren die beiden Funktionen praktisch gleich.
Von Windows endlich auf dem Mac: Zugriff auf Exchange Server
Macs waren so etwas wie Bürger zweiter Klasse, wenn es um den Zugriff auf den Exchange Server von Microsoft ging. Erst im jüngsten Mac-OS X 10.6 Snow Leopard ist die native Unterstützung der Kommunikations- und Kollaborationsplattform aus Redmond verwirklicht worden. Doch Microsoft will noch einen Schritt weiter gehen und plant, selbst einen Exchange-Client für Mac-OS X herauszubringen.
Vom Mac kopiert: Automatisch erscheinende Netzwerk-Volumen
Mit Mac-OS X 10.5 Leopard hatte Apple eine Funktion eingeführt, die selbsttätig vorhandene Netzwerk-Volumen in der Finder-Seitenleiste anzeigt. Das Konzept muss den Entwicklern in Redmond sehr gefallen haben. Denn sie bauten das Prinzip in Windows Vista ein und schmissen damit die seit Jahren betriebene Netzwerkumgebung über Bord.
Apple klaut einen Windows-Dinosaurier: Alt-Tabulator
Seit Anno 1990 und Windows 3 können Anwender des Microsoft-OS rasch von einer aktiven Anwendungen zur nächsten schalten, indem sie die Tastenkombination "Alt-Tabulator" drücken.13 Jahre später, in Mac-OS X 10.3 Panther, können auch Macintosh-Anwender in den Genuss dieser Abkürzung kommen, und zwar mit der Tastenkombination "Befehl-Tabulator". Allerdings hat Apple die Microsoft-Funktion gleich auch verbessert: So konnte sich mit einer weiteren Kombination "Befehl - Pfeiltasten" durch die auf dem Bildschirm erscheinende Applikationsliste gehangelt werden. Diese Funktion kopiert dann Microsoft in Vista wieder von Apple und setzte seinerseits noch einen drauf. So lassen sich nun die Vorschauen der entsprechenden Programmfenster durchforsten.
Von Apple übernommen: RSS direkt im Browser
Microsoft hat die Möglichkeit, RSS-Infos aus dem Internet direkt im Browser darzustellen mit Internet Explorer 7 in Windows Vista eingeführt. Die Idee, RSS-Feeds gleich im Web-Surfbrett anzuzeigen, ist aber auf dem Mist von Apple gewachsen. Die Firma aus Cupertino baute die Funktion in der 2. Ausgabe von Safari ein, die mit Mac-OS X 10.4 Tiger mitgeliefert wurde.
Von Windows übernommen: Terminal
In die Jahre gekommene PC-User erinnern sich vielleicht daran: Windows war ursprünglich eine grafische Oberfläche, die dem eigentlichen Betriebssystem DOS übergestülpt wurde. Die heutige Kommandozeile stellt zwar keine Verbindung mehr zu DOS her, sondern in die Befehlsebene von Windows selbst. Apple scheute sich aber lange davor, und zwar von System 1 bis 9, seinen Usern eine Kommandozeilenapplikationen zu liefern. Dies änderte sich mit der Einführung von Mac-OS X, das Unix-basiert ist. Um Anwendern und Entwicklern direkten Zugriff auf die zugrunde liegenden Unix-Funktionen zu offerieren, hat Apple Terminal geschrieben. 2006 hat Microsoft wiederum PowerShell lanciert, das eine Scripting-Sprache aufweist und Unix-artige Befehle.
Vom Mac kopiert: Brennen von ISO-Disk-Images
Vor Windows 7 mussten Windowsanwender ein Produkt eines Drittherstellers benutzen, wenn sie ein ISO-Disk-Image auf eine CD oder DVD brennen wollten. Unter Windows 7 startet der Doppelklick auf eine ISO-Datei das interne Programm mit dem sperrigen Namen "Windows-Brenner für Datenträgerabbilder" und schon lässt sich die CD oder DVD brennen. Zu dumm: Auf der Mac-Plattform gibts das schon seit geraumer Zeit als Teil des Festplatten-Dienstprogramms.