20.11.2008, 09:09 Uhr
Microsoft hat sein ERP saniert
Ab Dezember liefert Microsoft den Navision-Nachfolger Dynamics NAV 2009 auf den Markt. Punkten soll das System mit einem auf Benutzerrollen abgestimmten Client, integrierte Berichts- und Analysefunktionen sowie Web-Services-Unterstützung. Der technische Unterbau der Business-Applikation löst die Navision-Technik ab.
Bereits seit einiger Zeit arbeitet Microsoft an dem Produkt, musste dessen Freigabe aber wegen technischer Herausforderungen um ein Jahr verschieben. Anspruchsvoll war die Entwicklung deshalb, weil der Hersteller die bisherige Navision-Technik, bei der viele Funktionen auf dem Client ausgeführt werden, auf einen neu geschaffenen Applikations-Server verlagert wurde.
Die für den Anwender augenfälligsten Neuerungen sind das neue Frontend ("Role tailored Client") und die für alle Nutzer verfügbaren Reporting-Funktionen. Der Client blendet für den jeweiligen Benutzer nur die Daten und Funktionen ein, die er für seine Aufgaben benötigt. Microsoft hat in dem ERP-System 21 Benutzerrollen vordefiniert. Diese Rollen können Anwender beziehungsweise Microsoft-Partner anpassen.
Ein Einkaufssachbearbeiter im Unternehmen erhält Microsoft zufolge zum Beispiel einen Überblick über anstehende und fällige Bestellungen, Einkaufsanfragen, Reklamationen und -gutschriften und eine Kreditorenübersicht. Ferner werden ihm fällige Einkaufsrechnungen angezeigt sowie Berichte angeboten. Häufig verwendete Funktionen kann sich der Anwender in der an Microsoft Office 2007 erinnernden "Ribbon Bar" hinterlegen. Nach Angaben des Herstellers soll das neue Client-Konzept Anwender produktiver machen und darüber hinaus vor allem neuen ERP-Nutzern den Einstieg ohne viel Schulungsaufwand erlauben.
Die Berichte stammen aus dem unterliegenden SQL Server sowie den darauf aufsetzenden SQL Server Reporting Services und SQL Server Analysis Services. Neben den ebenfalls hinterlegten Reports sollen Anwender in der Lage sein, eigene zu erzeugen und innerhalb der ERP-Oberfläche zur Verfügung zu stellen.
Microsoft muss einerseits neue Kunden von der ERP-Lösung überzeugen, andererseits aber auch die Bestandskunden, von denen noch viele ältere Versionen des Produkts nutzen. Neben der Softwareumstellung bedeutet dies für so manches Unternehmen, eine neue Server-Hardware anschaffen zu müssen. Vor allem die Kunden betrifft dies, die vor einigen Jahren Navision installiert haben.
Die Clients werden eher entlastet, da die Geschäftslogik auf dem Server abläuft. Mehr Server-Leistung ist wegen des neuen Applikations-Servers sowie wegen des SQL Server erforderlich. Das relationale Datenbanksystem beansprucht mehr Rechnerkapazität als die native Datenbank "C/Side". Wer die neuen Reporting-Funktionen sowie den neuen Client nutzen will, kommt um den SQL Server nicht herum. Gleichwohl lässt sich auch die neue ERP-Software mit C/Side unter Verzicht der Neuerungen nutzen.
Microsoft erwartet erstaunlicherweise nicht, dass in nächster Zeit Bestandskunden in grosser Zahl auf die aktuelle Version umsteigen werden. ,,Dieses Release ist in erster Linie für Neukunden gedacht", so Klaus Holse Anderson, weltweiter Vertriebschef für Microsoft Dynamics. Ein Grund dafür ist, dass NAV 2009 gegenüber NAV 5.0 keine neuen Funktionen bietet, sondern damit die neue Architektur und der neue Client ausgeliefert werden. Erst mit dem nächsten NAV-Release, mit dem innerhalb der nächsten 24 bis 36 Monate zu rechnen ist, wird es erweiterte Funktionen geben. Geplant sind dabei eine engere Integration von "Sharepoint". Vor allem Firmen, die bereits auf dem Release 5.0 arbeiten, dürften somit wenig Veranlassung haben, auf die Version 2009 zu wechseln. Es sei denn, sie legen auf die neue Technikarchitektur sowie das Client-Konzept Wert.
In Zukunft sollen Anwender von Microsofts ERP-Software auch in der Lage sein, Software-Services aus dem Internet zu verwenden (Software plus Service). Hierbei wird Microsofts unlängst präsentierte Cloud-Computing-Plattform Windows Azure. Dazu zählen Dienste, die Microsoft sowie Partner des Unternehmens anbieten. Bis dato hat Microsoft jedoch keine Pläne, über Azure ERP-Funktionen zur Miete anzubieten. Software-as-a-Service-Ambitionen verfolgt der Konzern derzeit nur im Segment CRM.