Digitalisierung 05.07.2023, 09:30 Uhr

Smarte Software fürs Business

Der Einsatz von künstlicher Intelligenz in Geschäfts­anwendungen und Business-Prozessen nimmt weiter zu.
Künstliche Intelligenz hält in der Unternehmenswelt zunehmend Einzug – beispielsweise in Form von Chatbots.
(Quelle: Shutterstock/Sira Anamwong)
Kennen Sie noch Karl Klammer? Ja, genau, die Büroklammer mit den grossen Augen, die Mitte der 1990er-Jahre von Microsoft entwickelt wurde und erstmals in Office 97 Einzug hielt. Karl Klammer ist vielleicht nicht gerade das beste Beispiel im Zusammenhang mit dem Thema künstliche Intelligenz (KI) – vor allem die berühmtberüchtigte Frage nach dem Start von Word, dass man anscheinend einen Brief schreiben möchte und ob man Hilfe braucht, nervte mehr, als sie nutzte. Wirklich hilfreich war das Tool nicht. Aber: Karl Klammer war der erste Chatbot, der damals im grossen Stil ausgerollt wurde und bekannt war.
Und hier schliesst sich der Kreis zum Thema KI: Immer mehr Business-Software nutzt die Unterstützung von künstlicher Intelligenz. Und Chatbots sind hier mit Sicherheit das bekannteste Beispiel. So setzen immer mehr Unternehmen beim Kundenservice auf die Unterstützung von Robotern, um den Kunden schneller zu helfen und die menschlichen Mitarbeiter zu entlasten. Im Bereich des Customer Relationship Managements (CRM) ist die KI auch für Laien am ehesten sichtbar. Ein Beispiel ist der Chatbot Elisa der Lufthansa: Ob die Frage nach dem erlaubten Handgepäck oder das Umbuchen eines gestrichenen Fluges – der Kunde der Fluggesellschaft soll sein Anliegen selbstständig per Chatbot erledigen.
“KI ist weit mehr als nur ein Buzzword, sondern bereits ein zentraler Bestandteil unseres Alltags – auch wenn viele Unternehmen gerade erst beginnen, das enorme Potenzial zu nutzen.„
Matthias Göhler
CTO EMEA bei Zendesk

Siegeszug der KI

Doch ob CRM, Enterprise Resource Planning (ERP), Supply Chain Management (SCM) oder Business Intelligence (BI) – es gibt momentan kaum einen Bereich, in dem künstliche Intelligenz nicht für Umbrüche, Veränderungen und Optimierungen sorgt. Und dabei ist KI weit mehr als nur ein Buzzword, so Matthias Göhler, «sondern bereits ein zentraler Bestandteil unseres Alltags – auch wenn viele Unternehmen gerade erst beginnen, das enorme Potenzial von KI zu nutzen». Der CTO EMEA beim CRM-Spezialisten Zendesk ist sich sicher: «Die Technologie wird sich schon bald auf breiter Front durchsetzen» und werde eine noch zentralere Rolle in der Interaktion etwa zwischen einem Unternehmen und seinen Kunden spielen.
«KI kann Routineaufgaben automatisieren und Zeit fürs Wesentliche schaffen, ohne Kernaufgaben zu ersetzen. Mit dieser neu gewonnenen Effizienz können sich Teams auf strategisch wichtige Aufgaben fokussieren», wie die Spezialisten von Personio ergänzen, einem Anbieter von HR-Software.
Zum Beispiel im Bereich der Customer Experience (CX) liegt eine der grössten Chancen im Einsatz von künstlicher Intelligenz darin, einen Grossteil repetitiver Tätigkeiten zu automatisieren. Und hier kommen wieder die Chatbots ins Spiel: Ein Beispiel dafür ist die Rückgabe von Produkten, die mit einem Chatbot erledigt und damit voll automatisiert werden kann. Die Servicemitarbeiter wiederum haben stattdessen mehr Zeit, sich auf ihre Kernaufgaben und strategische Themen zu fokussieren.
Um die Produktivität der Servicemitarbeiter zu erhöhen, kann auch eine von KI automatisch erstellte Zusammenfassung zum Einsatz kommen, die es ermöglicht, Kundenprobleme zügiger und individueller zu lösen. Indem die Agenten einen schnellen Überblick über die bisherigen Probleme eines Kunden erhalten, müssen sie nicht mehr seitenlange Texte lesen. Laut Matthias Göhler sei KI folgerichtig derzeit eines der wichtigsten Themen, mit denen sie sich beschäftigen.
Ein weiteres Beispiel ist der Bereich Personal: Die Integration von KI in Human Resources bietet viele Chancen. Organisationen bekommen so die Möglichkeit, Prozesse wie Recruiting, Onboarding oder Talent- und Personalmanagement effizienter zu gestalten und Zeit einzusparen. Während Routineaufgaben automatisiert werden, kann KI die Personalabteilung dabei unterstützen, sich auf die wertschöpfenden Aufgaben zu konzentrieren. Entscheidend sei laut Personio, dass künstliche Intelligenz mit den richtigen Nutzern gepaart wird: HR-Teams, die KI als effektives Tool einsetzen, könnten eine sehr leistungsstarke Kombination darstellen und wertvolle Ergebnisse für ihr Unternehmen erzielen.
«Vereinfachung, Beschleunigung und Erweiterung des Lösungsraums oder der Kreativität», wie Thierry Buecheler den konkreten Nutzen von künstlicher Intelligenz in Business-Software zusammenfasst. «Unsere Kunden nutzen in grossem Masse bereits ‹künstliche Intelligenz›, manchmal explizit und manchmal implizit», so der Head of Business Value & Strategy EMEA bei Oracle. So setzten bereits viele Lösungen des Unternehmens, sowohl Applikationen als auch Plattformen, künstliche Intelligenz hinter den Kulissen ein. «KI-Services, darunter beispielsweise Data-Science- oder Machine-Learning-Produkte, erlauben es sowohl Power-Usern als auch relativen Anfängern, tiefer in das Thema einzutauchen – wenn gewünscht wiederum mithilfe künstlicher Intelligenz, die unter anderem geeignete Machine-Learning-Algorithmen vorschlägt.»
Eines ist klar: Wenn nicht ohnehin bereits geschehen, wird KI in Zukunft ein fester Bestandteil von Business-Software wie ERP oder CRM sein. «Künstliche Intelligenz beschreibt eine grosse Spannweite von Lösungen und Technologien», erklärt Buecheler. Viele Business-Software-Lösungen würden schon jetzt mit viel Machine Learning operieren, beispielsweise in ERP-Systemen für die Bildung von Zukunftsszenarien, Forecasts oder im CRM-Bereich zur Generierung relevanter Leads.
Auch ChatGPT, der seit einigen Monaten grosse Star der KI, findet so langsam Einzug in die Business-Software. So hat zum Beispiel Salesforce seine KI namens Einstein entsprechend erweitert: Einstein GPT kombiniert die Salesforce-eigenen KI-Modelle mit ChatGPT oder weiteren generativen KI-Technologien und verbindet sie mit Echtzeitdaten aus der Salesforce Data Cloud, die sämtliche Kundendaten eines Unternehmens speichert. Damit lassen sich dann Befehle in natürlicher Sprache direkt auf die Daten im CRM anwenden.

Umsetzung von KI-Projekten

Wenn ein Unternehmen seine Business-Software «intelligent» machen möchte, dann gelten für die Realisierung eines solchen KI-Projekts grundsätzlich erst einmal dieselben Faktoren, die für die Einführung aller IT-Systeme gelten. Doch bei KI-Projekten sind einige spezielle Indikatoren wichtig. Zunächst muss ein Grundvertrauen zu Datenquellen und Algorithmen geschaffen werden. «Und dann muss ein gemeinsames Verständnis von Daten (Semantik) sowohl zwischen Systemen oder Datenbanken und Menschen als auch zwischen Menschen aus verschiedenen Abteilungen und Partnerorganisationen etabliert werden», erklärt Thierry Buecheler von Oracle. Zudem gewinne der Kontext an Bedeutung. «Dieser muss bereitgestellt, erklärt und verstanden werden. Zu guter Letzt ist die Möglichkeit der Exploration und Verfeinerung von Ergebnissen sowie die Actionability durch handlungsorientierte Vorschläge zur Unterstützung von Business-relevanten Entscheidungen relevant.»
Doch der vielleicht wichtigste Faktor ist oft leichter gesagt als getan: Unternehmen müssen eine klare Strategie verfolgen, wenn sie KI-basierte Lösungen in ihre Unternehmens-Software integrieren. Statt blind zu investieren, sollten Unternehmen überlegen, wo zum Beispiel im Servicebereich die Automatisierung durch künstliche Intelligenz den grössten Mehrwert bringt.
Geht es darum, die Effizienz zu steigern? Oder soll die Technologie dabei helfen, Kundenservice auch ausserhalb der Geschäftszeiten anbieten zu können? Der Einsatz von künstlicher Intelligenz sollte von den Unternehmenszielen abhängig sein, die strategische Entscheider im Vorfeld definieren müssen.
Ein weiterer wichtiger, nicht zu unterschätzender Faktor vor der Umsetzung eines KI-Projekts sind entsprechende Tests im Vorfeld. «Derzeit ist zu beobachten, dass sich viele Unternehmen vom Hype um ChatGPT haben mitreissen lassen», berichtet Matthias Göhler von Zendesk. «Wenn sie die Technologie aber nicht mit Bedacht einsetzen, sondern einfach so schnell wie möglich eine API implementieren, kann das enorme Kosten verursachen.» Schnelles Handeln sei zwar wichtig, aber ohne die richtigen Schritte zur Absicherung könne eine blinde Investition schnell nach hinten losgehen. «Ein wichtiges Stichwort hier ist Datensicherheit», unterstreicht er. Gerade wenn Anwenderinnen und Anwender erwarten, dass ihre Daten in Europa bleiben, komme nicht jede Lösung infrage. Eine sorgfältige Abschätzung der Risiken sei deshalb unerlässlich.
Das alles klingt kompliziert – und ist es in vielen Fällen auch. Dennoch ist KI in Business-Software ein Thema, das nicht nur für grosse Unternehmen relevant ist, sondern auch KMU einen deutlichen Mehrwert bietet. Hier findet auch in kleineren Unternehmen gerade ein Umdenken statt. ChatGPT hat es geschafft, Sprachmodelle in den Mainstream-Diskurs zu bringen und die Technologie einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. «Hinzu kommt, dass die Implementierung von KI-basierten Lösungen durch sinkende Trainingskosten und No-Code- beziehungsweise Low-Code-Lösungen kostengünstiger und einfacher wird», ergänzt Göhler. «Von dieser Entwicklung hin zu öffentlichen KIs profitieren vor allem KMU.» Denn um langfristig mit grossen Unternehmen mithalten zu können, seien Unternehmen jeder Grösse gefordert, die Technologie für sich nutzbar zu machen.
Kleine und mittlere Unternehmen, also KMU, müssen die KI-Grundmodelle auch nicht selbst rechnen, trainieren oder verwalten. «Anspruchsvollere Angebote werden inklusive aktueller Large Language Models (LLMs) als Services angeboten, können somit an die Grösse und finanziellen Fähigkeiten angepasst genutzt werden», betont Buecheler. «Deshalb», so der Head of Business Value & Strategy EMEA bei Oracle, «ist das Thema für KMU relevant und möglich.»

«Entscheidend ist, was wir Menschen damit machen»

Künstliche Intelligenz (KI) ist in aller Munde – und fast jeder Software-Hersteller wirbt aktuell mit entsprechenden Funktionen in seinen Produkten. Doch wie relevant ist das Thema im Bereich Business-Software wirklich? Computerworld spricht darüber mit Alexander Finger, CTO beim ERP-Hersteller SAP Schweiz.
Computerworld: Herr Finger, wie gerechtfertigt empfindet die SAP den aktuellen Hype um KI? Wo sehen Sie die grössten Chancen – und bei welchen Verheissungen sind Sie eher skeptisch?
Alexander Finger
CTO bei SAP Schweiz
Quelle: SAP Schweiz
Alexander Finger:
Wenn neue anspruchsvolle Technologien in das Bewusstsein der Menschen gelangen, gibt es oft Extremreaktionen. Die neue Technologie kann vermeintlich jedes Problem lösen oder die neue Technologie ist eine Gefahr für unsere Zukunft. KI wird weder jedes Problem lösen können, noch ist diese Technologie eine Gefahr für unsere Zukunft. Entscheidend ist, was wir Menschen damit machen. Jetzt haben wir die Möglichkeit zu gestalten und die Rahmenbedingungen festzulegen, in denen wir als Gesellschaft die Technologie nutzen möchten. Genauso können wir jetzt gestalten, wie wir die Technologie nicht nutzen möchten. Innerhalb der SAP haben wir bereits seit langer Zeit Prozesse und Verantwortlichkeiten etabliert, die eine ethische Nutzung der Technologie dort sicherstellt, wo es keine Regulierung gibt.
CW: Wie stark hat sich die SAP im Zuge des ChatGPT-Hypes in den letzten Monaten mit dem Thema KI auseinandergesetzt? Und hat das womöglich sogar zu einer Kurskorrektur geführt?
Finger: KI ist für SAP nicht neu. Seit Jahren nutzen wir KI, die in die Systeme integriert ist, welche die wichtigsten Funktionen eines Unternehmens unterstützen. KI ist Kern unserer Unternehmens-Software, die von Zehntausenden von SAP-Kunden genutzt wird. Beispielsweise sind maschinelles Lernen, Analysen und SAP AI Business Services Teil unserer Produkte SAP HANA und SAP S/4HANA. Daneben stehen unseren Kunden in der SAP Business Technology Platform AI-Services als Bausteine für ihre eigenen Erweiterungen zur Verfügung. KI wird im gesamten Produktportfolio der SAP verfügbar sein.
CW: Könnten simple Tools wie ChatGPT mit entsprechenden Add-ons Business-Software auch obsolet machen? Wie wirken Sie dieser möglichen Gefahr entgegen?
Finger: ChatGPT demonstriert die beeindruckenden Fähigkeiten von LLMs wie Textverdichtung, kreatives Schreiben, Übersetzung und sogar Generierung von Computercode. Wir sehen viele potenzielle Anwendungsfälle für LLMs bei SAP, ­sowohl intern als auch in Zusammenarbeit mit unseren Kunden. Wir haben bereits eine Referenzarchitektur auf Basis der SAP Business Technology Platform entwickelt und evaluieren, wie wir die Technologie am besten einsetzen können. Grundlagenmodelle können uns dabei helfen, einen neuen Automatisierungs- und Produktivitätsgrad zu erreichen. Wir sehen die künstliche Intelligenz also als Teil unserer Lösungen, nicht als Wettbewerb.
CW: Den beiden Forschern und Journalisten Tobias Kollmann (Inhaber des Lehrstuhls für E-Business und E-Entrepreneurship an der Universität Duisburg-Essen) und Holger Schmidt (Netz­ökonom) zufolge stellt sich Unternehmen beim Thema Digitalisierung unter anderem eine zentrale Frage: «Pro Jahr 5 Prozent mehr Output bei gleicher Personalstärke oder eben gleiche Leistung mit 5 Prozent weniger Mitarbeitern[?]» Beim Integrieren von KI in Business-Software stellt sich die gleiche Frage. Welchen Weg möchte SAP mit seiner Software gehen?
Finger: Tatsächlich hat KI das Potenzial, neue, bessere Arbeitsplätze zu schaffen und den Menschen, die zum Beispiel einen Dialog führen, als intelligenter Helfer zu dienen. Wir sehen bereits jetzt neue Rollen, die eine Mischung aus technischen und menschlichen Fähigkeiten erfordern, zum Beispiel Datenwissenschaftler, Ingenieure für maschinelles Lernen und KI-Trainer. Die Auswirkungen auf die Gesamt­beschäftigung werden jedoch vom jeweiligen Sektor abhängen. In Sektoren, in denen ein hoher Automatisierungsgrad möglich ist, könnten die Auswirkungen grösser sein.
CW: Der Umgang mit Business-Software verändert sich durch Digitalisierung – und wohl auch KI – grundlegend. Jack Klaassen, Director Innovation & Technology bei Macaw, einem Full-Service-Provider für die digitale Transformation, sagt zwar, dass – historisch gesehen – durch tiefgreifende technologische Veränderung eher mehr als weniger Arbeit geschaffen wird. Gleichermassen glaubt Sozialwissenschaftler Peter Schadt, dass «digitale Dienstleistungs-Fliessbänder» entstehen, durch die sich viele Teilarbeiten ergeben, die «beschränkte Qualifikationen» verlangen und es so eher weniger statt mehr Fachkräfte brauchen wird. Was ist Ihre Perspektive?
Finger: Die grosse Chance, die wir jetzt haben, ist Fortschritt zu realisieren, der nicht nur Wachstum ist. Katja Gentinetta, Schweizer Politik- und Wirtschaftsphilosophin, hat dies im Hinblick auf die Nachhaltigkeit eindrucksvoll auf der SAP NOW im April in Zürich erläutert: Es geht nicht um mehr, es geht um besser. Nicht nur in unserer Branche ist die Rekrutierung von Fachleuten eine Herausforderung. Durch den Einsatz der Technologie schaffen wir beispielsweise die Möglichkeit für Fachleute, Aufgaben zu erledigen, die früher Programmierern vorbehalten waren. Bei Programmierern kann der Einsatz von KI die Leistungsfähigkeit bei bestehenden Aufgaben erhöhen, sodass sie effizienter andere Bereiche unterstützen können. Wir werden in Zukunft nicht umhinkommen, Fachwissen sorgfältiger und gezielter einzusetzen. KI kann uns dabei unterstützen und dafür sorgen, dass die Kompetenzen und Fähigkeiten der Menschen am richtigen Ort gezielt eingesetzt werden.
CW: Sieht sich SAP diesbezüglich in einer Art gesellschaftlichen Verantwortung, künstliche Intelligenz sorgsam in Business-Software – und somit das Rückgrat vieler Firmen – einzubauen? Stellen Sie sich auch ganz grundsätzliche ethische Fragen?
Finger: Das Geschäft der SAP basiert auf Vertrauen. SAP-Kunden vertrauen uns mit ihren geschäftskritischsten Geschäftsprozessen und sensibelsten Daten. KI sollte nicht anders sein, und eine zentrale Komponente des Vertrauens ist die KI-Ethik. KI-Ethik ist unerlässlich, um unsere Investitionen und Produkte an den Werten der SAP als Unternehmen auszurichten. Die SAP ist stolz darauf, als erstes europäisches Technologieunternehmen Leitlinien für KI-Ethik veröffentlicht und ein externes KI-Ethikberatungsgremium eingerichtet zu haben. Die SAP arbeitet auch mit politischen Entscheidungsträgern zusammen, zum Beispiel als Kernmitglied der hochrangigen Sachverständigengruppe für KI der Europäischen Kommission und als Beitrag zum bevor­stehenden EU-KI-Gesetz. Die Global AI Ethics Policy der SAP wurde im Januar 2022 veröffentlicht. In der Politik werden die vier wichtigsten Grundsätze ethischer KI skizziert: menschliche Verantwortung und Aufsicht, Bekämpfung von Voreingenommenheit und Diskriminierung, Transparenz und Erklärbarkeit sowie Gesellschaft.

Künstliche Intelligenz und Ethik

Aktuelle KI-Systeme werden immer leistungsfähiger – und damit steigt aber auch der Bedarf an Regeln für einen verantwortungsvollen Umgang damit, Stichwort KI-Ethik. Mit dem Aufkommen von Technologien wie Big Data gehen immer mehr Unternehmen dazu über, ihre Organisation durch Automatisierung und datengesteuerte Entscheidungsfindung voranzubringen. Die Absicht dahinter ist natürlich das Verbessern der Geschäftsergebnisse. Doch nicht immer ist so ganz klar, wie eine KI agiert und wie sie zu ihren Entscheidungen kommt. Das Ziel daher: Eine ethische und sozial verträgliche KI in Unternehmen, also quasi eine künstliche Intelligenz, die sich am Menschen und an seinen Bedürfnissen orientiert.
“Unternehmen müssen ethische Aspekte in die Entwicklung von KI-Systemen einfliessen lassen, um unbeabsichtigte Auswir­kungen zu erkennen, bevor sie in der realen Welt auftreten.„
Frank Engelhardt
Chief Transformation Strategist Central Europe bei Salesforce
Laut den Expertinnen und Experten von Personio sollten sich Unternehmen und Organisationen, die in ihrer Business-Software auf KI setzen wollen, folgender drei Punkte bewusst sein:
  • Bereits der grundsätzliche Umgang mit KI ist risikobehaftet: Für dieses KI-Risikobewusstsein muss das, was die KI macht, auch erklärt und interpretiert werden können. Dafür bedarf es im Unternehmen eines tiefergehenden Spezialwissens zu zentralen Punkten wie Modelle, Algorithmen und Clusterbildung.
  • Gefahr im Umgang mit vertraulichen Daten: Ein Hauptrisiko bei KI-basierten Technologien wie ChatGPT ist der Umgang mit vertraulichen Daten. Viele Firmenbereiche wie HR arbeiten täglich mit vertraulichen, personenbezogenen Daten. Doch korrekte Daten sind entscheidend für eine effektive KI-Implementierung. Ebenso muss sichergestellt werden, dass der menschliche Kontakt zu den Mitarbeitenden behalten wird.
  • Ziele einer KI: Bevor KI-Technologien eingesetzt werden, sollten die eigenen Ziele und Massstäbe dafür nicht nur definiert, sondern auch messbar gemacht werden. Hierfür bieten sich unternehmensübergreifende ESM-Plattformen (Enterprise Service Management) an. Bei Einführung und Betrieb von KI-Technologien kann darüber die gesamte aufgebaute KI-Wertschöpfungskette technologisch überwacht und beobachtet werden.
«Die Priorisierung von ethischer und verantwortungsvoller KI ist eine unternehmensweite Aufgabe», betont Frank Engelhardt, Chief Transformation Strategist Central Europe bei Salesforce. Unternehmen müssten ethische Aspekte in die Entwicklung von KI-Systemen einfliessen lassen, «um unbeabsichtigte Auswirkungen zu erkennen, bevor sie in der realen Welt auftreten». Dafür richtete zum Beispiel Salesforce bereits 2018 das Office of Ethical and Humane Use ein, um Fragen und Bedenken im Zusammenhang mit der Nutzung von Technologie zu klären. Frank Engelhardt zufolge sei es wichtig, bewusst ethische Leitplanken und Produktvorgaben in die Technologie zu integrieren. Damit helfe man Kunden und deren Endnutzern dabei, Inklusion, Datenethik und Datenschutz standardmässig zu priorisieren. «Sie werden dabei unterstützt, die Technologie auf ethische und verantwortungsvolle Weise anzupassen – und die Auswirkungen der von ihnen getroffenen Entscheidungen zu verstehen.» Generative KI habe das Potenzial, die Art und Weise, wie wir ­leben und arbeiten, grundlegend zu verändern, und werde selbst die innovativsten Unternehmen in den kommenden Jahren vor neue Herausforderungen stellen. Es reiche deshalb nicht aus, generative KI bereitzustellen, «Nutzer müssen auch unterstützt werden, diese transformative Technologie verantwortungsvoll zu nutzen».

Fazit und Ausblick

KI in Business-Software wird über kurz oder lang zum Standard werden. Angst davor, dass es irgendwann kaum noch Mitarbeiter gibt und Kunden nur noch mit autonomer Software kommunizieren, braucht man jedoch nicht zu haben. «Dass der Mensch nicht mehr im Loop sein wird, ist äusserst unwahrscheinlich», so die Prognose von Thierry Buecheler von Oracle. «Wir tragen auch bei einer sehr gut entwickelten KI sogenannte ‹Heuristiken› bei, die Analysen schneller und besser machen.» Auch unbeschränkter Kontext und finale Entscheidungsfähigkeit sei ihm zufolge eher eine Stärke des Menschen gegenüber einer Software, auch wenn diese intelligent scheint.
Auch im Kundenservice wird der menschliche Ansprechpartner auf absehbare Zeit nicht abgeschafft. Laut dem Zendesk CX Trends Report 2023 sind zwar fast zwei Drittel (65 %) der weltweit befragten CX-Verantwortlichen der Meinung, dass KI und Chatbots immer natürlicher und menschenähnlicher werden. Doch Matthias Göhler ist fest davon überzeugt, «dass eine autonome Software den menschlichen Kontakt niemals vollständig ersetzen kann». In bestimmten Situationen, gerade bei verärgerten Kunden, sei menschliche Empathie unersetzlich.
KI in der Praxis: Chatbots, wie hier von der Fluggesellschaft Lufthansa, sind ein bekanntes und weitverbreitetes Beispiel von KI im Business-Einsatz.
Quelle: Lufthansa
Übrigens: Auch wenn Karl Klammer das erste weitbekannte Beispiel für einen Chatbot war – so sind Chatbots natürlich keine Erfindung des Software-Riesen Microsoft. Bereits Mitte der 1960er-Jahre entwickelte der Informatiker Joseph Weizenbaum am US-amerikanischen Massachusetts Institute of Technology das Computerprogramm Eliza. Die Software ermöglichte eine Kommunikation zwischen Mensch und Computer in natürlicher Sprache. Dazu simulierte sie mit Skripten verschiedene Gesprächspartner. Weiter nutzte Eliza ein strukturiertes Wörterbuch und kannte zahlreiche Phrasen zu verschiedenen Themengebieten. Was damals eine Sensation war, wirkt heute nur noch wie ein Kinderspiel. Dabei stehen ChatGPT & Co. auch erst noch am Anfang ihrer Entwicklung.



Das könnte Sie auch interessieren