«Autonome Datenbanken sind so weit wie autonome Autos»

Disruptive neue Speichertechnologie

Computerworld: Was war die grösste Herausforderung im Bereich Datenbanken in den vergangenen Jahren?
Mendelsohn: Die grösste Herausforderung war und ist, dass wir unsere Datenbank-Software parallel mit der zugrundeliegenden Technologie immer weiterentwickeln. So stehen wir heute an der Schwelle einer neuen Speichertechnologie, die disruptiv ist, aber bisher noch wenig beachtet wurde. Das «Persistent Memory» – deutsch: nicht-flüchtiger Speicher – liefert zurzeit Intel unter dem Markennamen «Optane» aus. Die Technologie hat das Potenzial, sämtliche Parameter des Datenbank-Designs grundlegend zu verändern.
Bis anhin wurden Datenbanken so programmiert, dass sie möglichst wenig Lese-/Schreibzugriffe ausführen mussten. Das galt für Disk- genau wie für Flash-Speicher. Wenn der Speicher nun nicht mehr flüchtig ist, spielt es keine Rolle mehr, wie häufig auf die Daten lesend oder schreibend zugegriffen wird. Damit muss Oracle die Architektur seiner Datenbank verändern, um weiterhin die bestmögliche Leistung anbieten zu können. Das ist nicht ganz trivial.
Computerworld: Welche Herausforderungen sehen Sie bei Oracle-Datenbanken?
Mendelsohn: Im Vergleich mit allen anderen relationalen Datenbanken können Oracle-Lösungen bei transaktionalen Workloads beliebig skalieren. Wenn ein Datenbankserver nicht mehr ausreicht, stellen Kunden einen zweiten Server ins Rechenzentrum. Die Funktion «RAC» (Real Application Clusters) erlaubt dann die Skalierung. Dieses Feature bieten weder MySQL, Postgres noch der SQL Server von Microsoft.
Für den Einsatz von Persistent Memory müssen wir auch RAC neu konfigurieren, was derzeit ein grosses Entwicklungsprojekt bei Oracle ist. Aber natürlich wollen wir unser Alleinstellungsmerkmal gerne behalten, weshalb wir hier viel Geld in die Hand nehmen.
Computerworld: Oracle spricht viel über die Autonomous Database. Wie autonom ist die Software wirklich?
Mendelsohn: Sie können die Autonomous Database mit einem selbstfahrenden Auto vergleichen: Beide sind noch am Anfang der Entwicklung, die bestimmt erst in den nächsten 30 Jahren wirklich ausgereift sein wird.
Was wir heute haben, ist allerdings schon bemerkenswert gut: Wenn Sie beispielsweise einen Administrator bitten, für Sie eine Exadata-Maschine aufzusetzen mit einer Oracle-Datenbank 19c und einer Multi-Tenancy-Architektur, wird er Ihnen das System frühestens in zwei Wochen bereitstellen können. Mit einem kostenlosen Kundenkonto auf unserer Webseite stehen die Ressourcen nach wenigen Mausklicks innerhalb von Minuten bereit.
Computerworld: Gutes Stichwort: Sie machen neu die autonome Datenbank den Entwicklern und Kunden kostenfrei zugänglich. Was ist das Kalkül?
Mendelsohn: Das Angebot wendet sich natürlich nicht an die Credit Suisse, wenn sie ihre Datenbanken in die Cloud auslagern wollten [lacht]. Es ist vielmehr gedacht für Studierende und Entwickler, die unsere Technologie ausprobieren möchten. In der Ausbildung bereiten wir die Studenten darauf vor, später im Job womöglich mit Oracle-Lösungen zu arbeiten. Die Programmierer – in erster Linie in den Fachbereichen – sind diejenigen Zielpersonen, die heute Entscheidungen über neue Geschäftsanwendungen treffen. Wenn sie schon früh testen können, wie Oracle-Technologie helfen kann, kommen sie bei einem Projekt eher darauf zurück. Wir hatten keine andere Wahl als den Interessenten unsere Plattform gratis bereitzustellen. Denn überall sonst können die Kunden neue Services ebenfalls kostenfrei testen.
Computerworld: Mussten Sie sich schon Beschwerden von Datenbankadministratoren anhören, die wegen der neuen Technologie nun Befürchtungen um ihren Job haben?
Mendelsohn: Da gibt es solche und solche: Einige Administratoren sind ausschliesslich mit der Installation, dem Patching und der Wartung beschäftigt. Jenseits des Betriebs der Software tragen sie nichts zum Geschäft bei. Sie sollten und sind sich sicherlich bewusst, dass dieser Job heute oder in naher Zukunft automatisiert werden wird.
In der Mehrzahl der Unternehmen können die Administratoren einen echten Mehrwert für das Geschäft liefern. Denn sie wissen, welche Daten vorhanden sind, wie sie strukturiert sind und wie ein Zugriff erfolgen kann. Wenn die Daten sinnvoll genutzt werden, können sich Firmen geschäftliche Vorteile schaffen. Hier kommt den Administratoren eine wichtige Rolle zu – allerdings eher als «Daten-Ingenieure» denn als klassische IT-Angestellte.



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