Auf dem Weg zur Distributed Cloud
Distributed Cloud
Der Wettlauf zwischen den Anbietern von Public-Cloud-Infrastrukturen ist noch keineswegs entschieden. Neben AWS, Azure und Google positioniert sich auch Alibaba aus China sehr stark; eine Rolle spielen zudem IBM Cloud, Oracle Cloud und die französische OVHcloud. Angesichts der Wettbewerbssituation verwundert es auch nicht, dass es keine gesicherten Zahlen darüber gibt, wie viele Unternehmen wirklich schon ihr eigenes Rechenzentrum zugunsten eines der alternativen Angebote aufgegeben oder wie viele sich auf eine der Mischformen eingelassen haben. Neben der Urform der Public Cloud gibt es die Private Cloud, bei der einzelne technologische Elemente ihren Weg rückwärts in das klassische Rechenzentrum gefunden haben, neben einer Hybrid-Cloud, die aus einer gemeinsamen Hülle aus altem Rechenzentrum und neuen Cloud-Formationen besteht, vielleicht sogar als Multi-Cloud - für Anwender, die sich nicht für eine einzige Variante entscheiden wollen, sondern erst einmal einem bunten Mit- und Durcheinander verschiedener Public Clouds zuneigen.
Die Analysten von Gartner empfehlen angesichts dieser Situation einen neuen Typus oder eine übergeordnete Bezeichnung: Die «Distributed Cloud» soll die Schwächen des hybriden Ansatzes überwinden, der in der Praxis oft auseinanderdriftet. Es gehe um die Regie oder den Zusammenhalt der verschiedenen Komponenten aus interner und externer Hard- und Software, die von Unternehmen mehr oder weniger locker miteinander verbunden werden. Gartner spricht von «Substations», die in einem gemeinsamen Konzept des Public-Cloud-Anbieters organisiert, verwaltet und weiterentwickelt werden. Alles verbleibt im Besitz und unter der zentralen Kontrolle des Eigentümers der Public Cloud.
Gartner kommt Ende April 2020 im Report «,Distributed Cloud‘ Fixes What ,Hybrid Cloud‘ Breaks» zu dem Schluss: Viele Unternehmen, die mit der Public Cloud liebäugeln oder sie in verschiedenen Formen bereits einsetzen, müssen sich weiter mit Technologien befassen, die sie bislang schon in ihren eigenen Rechenzentren verwenden: «Diese Kunden können ihre bisher verwendeten Technologien nicht einfach aufgeben zugunsten einer kompletten und schnellen Migration in die Public Cloud. Zurück halten sie die bisherigen Ausgaben, Anforderungen bei den Regeln und Speicherorten für Daten sowie auch die notwendige Integration mit Nicht-Cloud-Systemen im Rechenzentrum. Stattdessen verwenden sie eine Kombination von Cloud-Varianten, die von der Public Cloud oder von einer Private Cloud inspiriert sind und eine gemischte, hybride Umgebung erzeugen.»
Die führenden Public-Cloud-Anbieter haben sich im Prinzip schon seit einiger Zeit stillschweigend diesem Ansatz verschrieben: Sie haben erkannt, dass viele Unternehmen nicht so einfach auf ihre Angebote umsteigen und dass ihre Resistenz reale Gründe hat. Ihre Lösung lautet recht einfach: «Kommt ihr nicht zu uns in unsere Public Cloud, dann kommen wir in der einen oder anderen Form zu euch in euer Rechenzentrum.» Am deutlichsten zeigt sich dies in der Terminologie und den Services von Amazon AWS: «Outposts», also Aussen- oder Vorposten, heissen die strategischen Angebote, die der Konzern widerstrebenden Unternehmen macht. Bei Microsoft Azure spricht man weniger deutlich von «Stack Hub» und bei Google Cloud von «Anthos».
AWS Outposts: Bei Outposts handelt es sich um eine Service-Lösung aus einer Hand. Der Kunde bestellt das Outposts-Paket auf einer Basis von drei Jahren, AWS liefert es, installiert es, betreibt es und nimmt es nach Ablauf zurück, oder es schliesst sich ein neuer Vertrag an. Die Hardware kommt zunächst in einer Mindestausstattung, die etwa ein Viertel eines üblichen Racks einnimmt, und unterstützt die EC2 Compute Instances, die sich gewöhnlich in einer Public Cloud von AWS befinden. Einige AWS-Services wie EC2, EBS, ECS, EKS und RDS können lokal installiert werden und laufen auf dem Outpost. Alle anderen AWS-Dienste sind nur in der Public Cloud erhältlich. Damit wird das eigene Rechenzentrum eines Unternehmens oder zumindest ein relevanter Bereich davon zu einem (begrenzten) Teil der AWS-Infrastruktur. Die Kunden können selbst keine Änderungen oder Eingriffe an den Outposts vornehmen, der Betrieb und die Verwaltung liegen komplett bei AWS, was auch für Upgrades und Security-Massnahmen gilt.
Im Report «How to Bring the Public Cloud On-Premises With AWS Outposts, Azure Stack and Google Anthos» vom April 2020 schreibt Gartner: «Die AWS Outposts sind nicht dazu gedacht, in einem nicht mit dem Netzwerk verbundenen Modus zu laufen. Sie sind deshalb auch nicht tauglich für von AWS isolierte Aufgaben. Sie müssen immer verbunden sein mit einer Public-Region von AWS oder mit einer von AWS autorisierten kommerziellen oder öffentlichen Organisation.»
Azure Stack Hub: Microsoft setzt, anders als AWS, auf eine offene Lösung. Die Kunden kaufen zertifizierte Hardware von einem Microsoft-Partner, auf der ausgewählte Dienste von Azure vorab installiert sind. Bezahlt wird für die Inanspruchnahme dieser Services direkt an Microsoft. Die Kunden können auch wählen, wie und wo sie Stack Hub installieren wollen - in ihrem Rechenzentrum, in Zweigstellen oder an anderen entfernten Orten. Im Unterschied zu AWS sind diese Installationen auch in einem nicht mit dem Microsoft-Netzwerk verbundenen Status arbeitsfähig. Insofern kommen sie der bestehenden Infrastruktur eines Kunden mehr entgegen, weisen aber ebenfalls einige Begrenzungen auf: Der Hardware-Verkäufer bleibt zuständig für Firmware- und Treiber-Updates, während Microsoft Azure sich um Software-Updates und Fehlerbereinigung kümmert. Der Kunde besitzt insofern zwei unterschiedliche Support-Verträge. Wie schon bei den AWS Outposts bekommt der Kunde letztlich nur ein «versiegeltes» System und verfügt nicht über eigenständige Administrationsrechte.
Google Anthos: Google Anthos ist eine reine Software-Lösung, speziell für Container und Kubernetes ausgelegt. Sie soll mit AWS und Azure zusammenarbeiten. Anthos-Cluster sind lokal im Rechenzentrum der Kunden auf Basis von VMware vSphere installiert und mit einem breiten Spektrum an Hardware kompatibel. Die eigene VMware-Schicht kann eventuell höhere Gesamtkosten verursachen. Google will auch Varianten für KVM und Hyper-V herausbringen.