Desktop-Linux
27.01.2005, 00:00 Uhr
IBM ist kleinlaut geworden
Vor gut einem Jahr hatte IBM-Chef Samuel Palmisano sein Unternehmen aufgefordert, bis Ende 2005 alle PC des Konzerns auf Linux umzustellen. Inzwischen spuckt der blaue Riese zum Thema Open-Source-Clients keine so grossen Töne mehr.
"Wir haben nichts zu sagen, was definitiv wäre", erklärte Konzernsprecherin Nancy Kaplan, die keine Einzelheiten des Rollouts preisgeben wollte. "Es gibt Leute, die Linux benutzen, und niemand hindert sie daran."
IBMs Linux-Vorhaben war im Januar 2004 öffentlich geworden, kurz nachdem CIO Bob Greenberg die interne Initiative "Open Desktop" ins Leben gerufen hatte. "In der Tat muss ganz IBM bis Ende 2005 auf einen Linux-basierenden Desktop umsteigen", schrieb der Chief Information Officer in einem Memo vom November 2003. "Das bedeutet, Produktivitäts-, Internet- und Betrachterwerkzeuge durch auf offenen Standards basierende quivalente zu ersetzen."
Seinerzeit erklärten IBM-Offizielle, es gebe rund 15.000 Linux-Desktops im Unternehmen, bis Ende 2004 sollten es zwischen 40.000 und 60.000 werden. Kaplan kann nicht sagen, ob dieses Ziel erreicht ist oder nicht. "Ich weiss nicht, ob es je ein Ziel von 40.000 Nutzern gab, ich weiss nicht, ob es 40.000 Nutzer gibt", sagte die Sprecherin. "Das ist nichts Geheimnisvolles, wir verwenden Linux."
Eine andere Frage ist darüber hinaus, ob die Linux-Anwender auch entsprechenden Support erhalten. Ein Mitarbeiter, der ungenannt bleiben möchte, erklärte gegenüber dem "IDG News Service", IBM habe eine Linux-Variante seines Standard-Desktops entwickelt. Dieser "Client for E-Business" basiere auf der Linux-Distribution von Red Hat und enthalte Openoffice.org als Bürosuite, den "Notes"-Client (unter dem Windows-Emulator Wine) sowie den Browser von Mozilla. Freiwillige hätten einen IRC-Channel (Internet Relay Chat) aufgesetzt, in dem sich Anwender über Probleme mit dem Linux-Client austauschen könnten. Vor allem Big Blues interne Web-basierende Anwendungen bereiten offenbar jede Menge davon, weil diese vielfach für Microsofts Internet Explorer geschrieben sind, der nicht auf Linux portiert wurde.
Der IE ist nach Angaben eines anderen IBMers auch der einzige Browser, der offiziell vom internen Support Desk unterstützt wird. "Wenn Sie nicht den Internet Explorer verwenden, kommen Sie mit einem Hilfegesuch meist nicht weit", so der Mitarbeiter. Linux werde bislang aber zumeist von versierten Anwendern in der Produktentwicklung und anderen Forschungs- und Entwicklungsbereichen genutzt, berichten die Insider. Diese seien technisch genug, um sich selbst zu helfen. Dass der Notes-Client ausgerechnet unter Wine betrieben wird (dem Vernehmen nach immerhin auf tausenden von Rechnern), entbehrt nicht einer gewissen Ironie. In einem Ratgeber zur Migration auf Linux-Clients, den IBM unlängst auf seiner Website veröffentlichte, wird der quelloffene Windows-Emulator nur am Rande in der Rubrik "Wenn alles andere nicht funktioniert" erwähnt. Wine wird dort als "temporärer Workaround" bezeichnet, um eine Anwendung auf Linux-Clients zum Laufen zu bringen. "Das ist keine langfristige Lösung", heisst es weiter.