«Eine Bank ist heute ein Tech-Unternehmen»

Neues E-Banking

CW: Lassen Sie uns träumen. Was würden Sie als Erstes ändern, wenn Sie ein zusätzliches IT-Budget von 100 Millionen Franken zur freien Verfügung hätten?
Kunzelmann: Mein Traum wäre es, eine «abundant IT» zu haben, die nicht mehr ein Engpassfaktor ist, aber dafür bräuchte es viel mehr als nur Geld. Wir haben es gehört: Unser Kernbankensystem unterliegt einem strengen Takt mit vierteljährlichen Releases. Da verlieren wir heute viel Zeit, insbesondere in den drei Domänen Kanäle, Produkte und Pricing. Diese Abhängigkeit abzubauen und mehr Geschwindigkeit zu erreichen, das wäre mein grösster Wunsch.
Wick: Bei mir geht es in eine ähnliche Richtung. Mein grösster Wunsch wäre sicherlich, dass die architektonische Erneuerung unseres Core-Bankings, die in den nächsten Jahren erfolgen wird, schon am nächsten Montag abgeschlossen wäre. Aber das könnte man wohl nicht mal mit sehr viel Geld in kurzer Zeit möglich machen. Ein anderes Thema, das uns als Bank wirklich weiterbringen würde und in das wir auch investieren, ist die Kundenschnittstelle im Distanzgeschäft. Es wäre toll, wenn wir durch Automatisierung die Wartezeiten bei der Kundenidentifikation am Telefon reduzieren könnten oder wenn wir eine Software hätten, die schon proaktiv weiss, welches Bedürfnis der Kunde morgen haben könnte, oder ihm nach drei erfolglosen Versuchen, ins E-Banking zu kommen, automatisch eine Lösung aufzeigen würde. In diese Richtung bewegen wir uns schon, aber es dürfte schneller gehen.
CW: Wie will sich die Migros Bank von anderen Banken abheben?
Wick: Beispielsweise sind wir die erste Finnova-Bank, die ihr eigenes E-Banking entwickelt. Wir wollten unseren Kunden mehr bieten, als was wir vom Software-Entwickler erhalten haben. Also machten wir uns selbst daran. Es wird das erste E-Banking-System sein, das für alle Geräte, egal ob Desktop oder Mobilgerät, immer die gleiche Source respektive dieselben Funktionen haben wird. Viele Apps sind auf irgendeine Art eingeschränkt, beispielsweise können keine Daueraufträge erfasst oder Auslandzahlungen gemacht werden. Bei uns wird das alles auf jedem ­Gerät im gleichen Look and Feel möglich sein. Das ist ein grosser Fortschritt.
CW: Gibt es dieses neue E-Banking schon?
Wick: Ja, für ungefähr 100 Kunden und unsere Mitarbeitenden. Mit dem nächsten Release sollten wir so weit sein, dass wir es für ein paar Tausend weitere Kunden aus­rollen können. Ab Herbst 2022 soll dann der grosse Rollout starten.
Zu den Personen und Firma
Manuel Kunzelmann ist seit Mai 2020 CEO der Migros Bank. Zuvor war er in verschiedenen Führungsfunktionen für die Basellandschaftliche Kantonalbank tätig, zuletzt als Mitglied der Geschäftsleitung und Verantwortlicher für den Geschäftsbereich Strategie und Marktleistungen. Früher arbeitete er in verschiedenen Leitungsfunktionen für die UBS.
Stephan Wick ist seit Ende 2004 CIO der Migros Bank und verantwortet neben der IT auch deren Logistik. Vorher war er fünf Jahre als Software-Entwickler und Projektleiter bei der Schweizer Börse ­tätig und baute ab 1999 das Business Competence Center Operations bei der Credit Suisse auf.
Die Migros Bank mit Sitz in Zürich ist eine hundertprozentige Tochter des Detailhandelskonzerns Migros. Gegründet wurde sie im Jahr 1958 von Gottlieb Duttweiler als alter­nativer Anbieter in der damals stark kartellisierten Bankbranche. Während sie in ihren Anfängen vor allem im Sparkonten- und Hypothe­kargeschäft tätig war, bietet sie seit den 1990er-Jahren auch Fonds und E-Banking-Dienstleistungen an. Seit 2009 nutzt die ­Migros Bank das Kern­bankensystem Finnova. Im Jahr 2021 belief sich ihre Bilanzsumme auf 54,6 Milliarden Franken und ihr ­Geschäftserfolg auf 234 Millionen Franken. www.migrosbank.ch



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