Interview 22.06.2017, 15:15 Uhr

«Mit Nokia wollen wir schlussendlich da sein, wo der Konsument ist»

Kann der Name Nokia in der Schweiz wieder erfolgreich sein? Computerworld traf den verantwortlichen «Nokia-Mann» Sebastian Ulrich von HMD Global.
Seit dem 14. Juni können die ersten drei Günstig-Nokia-Smartphones, die im Juli in den Handel kommen, vorbestellt werden (Computerworld hat berichtet). Erst Ende 2017 gingen die Rechte an der Marke Nokia von Microsoft auf das Start-up HMD Global über. Speziell: Das Team von HMD besteht aus über zwei Dritteln ehemaliger Nokia-Mitarbeiter. Sowohl Präsident Florian Seiche als auch Sebastian Ulrich (General Manager für Deutschland und die Schweiz) waren zuvor schon bei Microsoft und Nokia tätig. Aber mit welcher Strategie will das Unternehmen den Schweizer Markt aufmischen? Sebastian Ulrich von HMD Global stand uns am «Nokia Arise Event» Red und Antwort.

Computerworld: Wie erklären Sie sich den Erfolg des Nokia 3310? Das war ja innert Kürze überall ausverkauft.

Ulrich: Wir glauben an zwei Zielgruppen, darunter fallen sowohl die jüngeren als auch die älteren User. Letztere sind natürlich vor allem die Nokia-Kunden, die Nokia von früher als reine Tastentelefone kennen und diese ganze Connectivity eines Smartphones nicht unbedingt wollen. Aber es gibt in der Tat auch viele junge Leute, die sich vielleicht sagen: Ich hab jetzt hier mein Nokia 5, aber wenn ich mal auf ein Festivalgelände gehe und in den nächsten 24 Stunden keine Ladebuchse vorfinde, nehme ich halt das Nokia 3310 mit.

Computerworld: Das Nokia 3310 war ja offensichtlich kein Marketing-Gag …

Ulrich: Ganz und gar nicht. Die Nachfrage war tatsächlich viel höher, als wir uns das in den kühnsten Träumen je ausgemalt hätten. Das 3310 war im Schweizer Markt innert Minuten ausverkauft. Obwohl das hier nicht mal 3G ist …

Computerworld: Das bringt mich genau zur Frage, warum kein 3G-Mobilfunk-Chip integriert ist? Ich habe dazu bei uns auch einige Leserkommentare gesehen.

Ulrich: Uns ist natürlich bewusst, dass einige Länder in der Welt 2G abschalten und wir wissen, dass 3G in der Schweiz ein Thema ist. Ich höre mir das Feedback unserer Kunden selbstverständlich sehr genau an. Aber im Moment kann ich dazu nichts Neues ankündigen.

Computerworld: Darf ich trotzdem fragen: Wenn dieses Telefon ja so unglaublich erfolgreich war: Ist es denkbar, dass noch weitere Retro-Revivals von klassischen Nokia-Telefonen geplant sind?

Ulrich: Wir schauen uns natürlich unser Portfolio an und überlegen uns immer wieder, wo so etwas Sinn ergibt. Ausser Nokia gibt es in der Mobilfunkbranche niemanden, der die Möglichkeit hat, Retros auf den Markt zu bringen. Es gäbe natürlich Tausend Möglichkeiten aus unserem Sortiment. Aber zuerst schauen wir, welche Bedürfnisse unsere Kunden haben und was sich realisieren lässt. Es gibt aber derzeit auch hier nichts, das wir in dieser Hinsicht ankündigen können.

Computerworld: Was wir noch nicht ganz verstehen: HMD Global setzt ja sowohl auf Feature Phones als auch auf reguläre Smartphones, die für wenige Hundert Franken sehr gut verarbeitet sind. Was ist hier langfristig die Grundstrategie? Will HMD Global nun weltweit sowohl immer gute Feature Phones als auch hauptsächlich günstige, robuste Entry Smartphones anbieten? Letzteres kennen wir ja auch ein wenig von Motorola. Also will HMD quasi in beide Richtungen?

Ulrich: Global werden pro Jahr bei den Feature Phones eine halbe Milliarde Geräte verkauft. Das ist natürlich ein unglaublicher Markt. Wir sind da in jedem Land schon Nummer zwei oder Nummer eins. Natürlich wird der Markt kleiner. Was die Marke angeht: Nokia war ja schon immer ein Brand, bei dem schon ab 20 Franken bis zu 700 Franken alles abgedeckt war. Wir wollen schlussendlich da sein, wo der Konsument ist. Als Start-up haben wir zudem vor allem den «Luxus», dass wir bei vielem auf dem weissen Papier anfangen können. Das ermöglicht es uns, im Gegensatz zur Konkurrenz, sehr schnell zu sein. Natürlich gibt es zum Beispiel auch jetzt wieder viele Spekulationen über ein Flagship, das im Internet herumgeistert. Solche Gerüchte lese ich immer wieder mit viel Freude, auch wenn ich derzeit dazu nichts sagen kann.

Was ist aus der Zeit bei Microsoft haften geblieben?

Computerworld: HMD besteht noch aus vielen ehemaligen Nokia-Mitarbeitern. Sie waren selber sowohl bei Nokia als auch bei Microsoft tätig. Sind gute Strategien oder auch negative Erkenntnisse haften geblieben? Unser Eindruck ist es, dass Microsofts Marketing beim Lumia-Brand zuletzt versagt hat, weil mit der Zeit zu viele verschiedenartige Modelle auf den Markt kamen, die kaum noch überschaubar waren. Aus der Zeit der Lumia 950/1030 war uns manchmal nicht greifbar, welche Modelle als Premium- und welche als Entry-Geräte vermarktet wurden. Wir verstehen natürlich, dass Sie nicht kommentieren können oder wollen, was Microsoft zuletzt aus unserer Sicht falsch gemacht hat.

Ulrich: Ohne jetzt einmal über Microsoft zu sprechen: Wir haben ein sehr klares Naming. Hier haben wir beispielsweise das Nokia 3, das wir ja vermutlich nicht über zehn Jahre hinweg produzieren wollen. Irgendwann kommt wahrscheinlich mal ein neues Nokia 3. Viel einfacher geht es eigentlich kaum, als das mit Zahlen zu illustrieren. Das Nokia 3 ist ein ideales Einstiegsgerät. Das Nokia 5 ist dagegen eine Art Allround-Produkt. Das Nokia 6 überzeugt mit starken Audio-Features und einem unverwechselbaren Design.

Computerworld: In anderen Interviews hat HMD Global immer wieder betont, dass man die Marke Nokia wieder zu den «Top 3» der führenden Smartphone-Anbieter machen wolle.

Ulrich: Lacht. Dann kennen Sie ja jetzt auch meine Zielvorgabe …

Computerworld: Nun, die Rückkehr von BlackBerry ist mit Android schliesslich gescheitert. Huawei gelang dagegen das Kunststück, das Feld von hinten aufzurollen und ist bereits in den Top 3 (hinter Apple) als einer der grössten Smartphone-Hersteller vertreten. Allerdings dauerte das etwas länger als die von HMD Global angepeilten drei Jahre.

Ulrich: Huawei hat signifikant länger als drei Jahre gebraucht. Für mich entscheidet sich das immer im Laden. Sie nehmen das Produkt im Laden in die Hand und sind zufrieden. Das ist das wichtigste Ziel, das wir uns setzen. Schlecht wäre es, wenn wir hier ein viel zu dickes Produkt mit ganz viel Plastik hätten. Ich glaube, dass wir mit dem Brand, der Verarbeitungsqualität und zusammen mit unseren Partnern erfolgreich sein werden. Die Vorteile mit Pure Android und der langen Akkulaufzeit sind Merkmale, die das Ganze erst ermöglichen.

Computerworld: Der Rückkauf-Deal mit Microsoft beinhaltete den ganzen Brand rund um Nokia, inklusive Designs und Rechten bis 2024 inklusive Tablets. Was ist eigentlich mit Tablets? Ist da etwas Neues in der Mache? Ich gehe davon aus, dass wahrscheinlich beim Wiedereinstieg der Fokus nun primär auf Smartphones liegt.

Ulrich: Ganz offen: Wir schauen uns den Markt an. Wir haben das Unternehmen am 1. Dezember letzten Jahres gegründet – ein halbes Jahr später sitzen wir in Barcelona und haben schon vier neue Produkte. Das ist für ein Start-up eine bemerkenswerte Leistung! Natürlich schauen wir uns auch andere Produkte an. Wichtig ist uns, dass wir mit jedem Produkt dem Konsumenten einen Mehrwert bieten können, sodass dieser den Eindruck hat, dass er genau dieses Produkt anderswo nicht bekommt. Wir glauben schon, dass wir das mit den Smartphones können.

Computerworld: Noch eine Frage zum Support in der Schweiz. Wie ist zum Beispiel die Reparaturdienstleistung geregelt? Stehen da schon alle Kanäle?

Ulrich: Der RMA-Partner ist verhandelt und wir werden sogar eine eigene Care-App auf dem Smartphone vorinstallieren. Diese fragt Sie nach zwei bis drei Wochen, wie zufrieden Sie mit dem Gerät sind. Natürlich werden wir auch die Kontaktmöglichkeiten übers Online-Formular anbieten, falls das Telefon einmal auf den Stein fällt. Selbstverständlich sind wir da schon bestens darauf vorbereitet und werden die Online-Tools sukzessive ausbauen.

Computerworld: Herr Ulrich, herzlichen Dank für das Interview.


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