Ricoh im Wandel
12.07.2022, 07:30 Uhr
Druckerhersteller wird zunehmend zum Serviceanbieter
Ricoh konnte 2021 seinen globalen Umsatz um 5 Prozent auf 13,6 Milliarden Franken steigern. In der Schweiz fiel das Umsatzwachstum mit einem Plus von 0,7 Prozent jedoch geringer aus. Hierzulande machen IT-Services mittlerweile knapp die Hälfte des Umsatzes aus.
Informieren über den Stand bei Ricoh Schweiz: Thomas Szegö, Daniel Tschudi, Walter Borgia und Mathias Bommer (v. l.).
(Quelle: Daniel Thüler)
Der Druckerhersteller Ricoh hat 2021 einen globalen Umsatz von knapp 13,6 Milliarden Franken (+5%) erzielt, dies nach einem Rückgang 2020 von 16 Prozent. «Dass wir trotz Verfügbarkeitsproblemen profitabel unterwegs sind, ist nicht selbstverständlich», sagt Daniel Tschudi, CEO von Ricoh Schweiz. «Viele Mitbewerber haben mehr zu kämpfen.» Der japanische Konzern profitiere davon, dass er bereits 2010 einen Strategiewechsel in Richtung «Digitale Services» vorgenommen habe. Das zahle sich nun aus. «2021 haben wir in diesem Bereich weltweit 4,5 Milliarden Franken umgesetzt, das ist rund ein Drittel des Gesamtumsatzes.» Aber auch im Print-Bereich habe Ricoh positiv abgeschlossen und sogar ein leichtes Wachstum erzielt. «Und das trotz der pandemiebedingten Problematiken beim Service-Umsatz im Office-Bereich und bei den Lieferketten.»
Tschudi geht davon aus, dass die globalen Herausforderungen noch mindestens 12 bis 18 Monate anhalten werden. Und die sind happig: «Die Transportkosten von Ricoh sind seit 2019 von 13 auf 70 Millionen Franken im Jahr 2022 gestiegen», sagt er. «Auch dürften die Shutdowns in China nicht zu einer Verbesserung führen.» Hinzu kämen Anstiege bei den Rohstoffpreisen, insbesondere für Stahlblech und Harz, höhere Personalkosten aufgrund der Inflation sowie höhere Energiekosten. Ricoh werde, wie die meisten in der Branche, die Preiserhöhungen an die Kundschaft weitergeben: «Selbst können wir das nicht absorbieren.»
Kleineres Wachstum in der Schweiz
Lokale Zahlen darf Ricoh als börsenkotiertes Unternehmen zwar nicht bekannt geben, Tschudi sagt jedoch: «Die Schweiz ist ebenfalls profitabel durch die Krise gekommen, auch weil wir die nötigen Massnahmen ergriffen haben, insbesondere im Servicebereich. Zudem würden unsere Zahlen ohne die vielen Monate Kurzarbeit ganz anders aussehen.» Profitiert habe Ricoh Schweiz vor allem von den digitalen Services, die mittlerweile 48 Prozent des Schweizer Gesamtumsatzes ausmachen. Namentlich die Geschäftsfelder «Enterprise Content Management» und «Communication Services» seien stark gewachsen. «Dieses Geschäft hat sich nahezu verdreifacht», erklärt er. Im Office-Bereich sei sein Unternehmen nach wie vor Schweizer Marktleader, im Bereich «Production Printing» gehöre es weiterhin zu den Top 2 oder 3. Nichtsdestotrotz blieb das Umsatzwachstum in der Schweiz mit plus 0,7 Prozent tiefer als jenes des Gesamtkonzerns mit plus 5 Prozent.
Weitere Akquisitionen geplant
Zukunftschancen sieht Ricoh vor allem im Ausbau der digitalen Services. «Wir wollen in unseren neuen Geschäftsfeldern weiterhin organisch und anorganisch wachsen», erklärt Tschudi. «Wir haben in den letzten drei Jahren viele Akquisitionen getätigt und planen für 2022 zehn weitere.» Dies diene Ricoh dazu, sich zu verbessern und Knowhow anzueignen sowie das Wachstum voranzutreiben. Unter anderem hat Ricoh deshalb 2019 Lake Solutions (Schweiz) und DokuWare (Deutschland) sowie 2022 Axon Ivy (Schweiz) übernommen. «Das erlaubt es uns, unsere Kunden auf einzigartige Weise bei ihrer digitalen Transformation zu unterstützen», sagt er.
Print bleibt wichtig
Wie Mathias Bommer, Head of Marketing und Communications von Ricoh Schweiz, sagt, seien die «Managed Print Services» (MPS) aber nach wie vor das Kerngeschäft und der wichtigste Bereich. Mit «Full MPS+ Outsourcing», «Back-end Management Services», «Onsite Services», «IMAC-D Services» und «Service Management» biete Ricoh seinen Kunden eine breite Dienstleistungspalette, sodass sich diese bezüglich Drucken um nichts mehr selbst kümmern müssen. Als neue Innovationen hinzu gekommen seien kostengünstige Apps, welche auf den Multifunktionsgeräten installiert werden können und zusätzliche Funktionen bereitstellen. Diese Apps, die auch auf älteren Geräten laufen, ermöglichen beispielsweise Verbindungen zur Google-Cloud oder zu OneDrive, Secure Printing oder Kostenstellenabrechnungen. Ferner biete Ricoh als USP während sechs Jahren Updates für die Multifunktionsgeräte, so dass diese softwareseitig immer auf dem aktuellen technologischen Stand bleiben.
Im Bereich «Production Printing» geht Ricoh davon aus, dass der Digitaldruck, der zwar weltweit nur sechs Prozent des Druckvolumens ausmacht, bis 2030 auf das Doppelte anwächst – nämlich auf 674 Milliarden Seiten. «Das ist auch der Grund, weshalb Ricoh in diesem Bereich schon seit Jahren sehr stark in die eigene Forschung und Entwicklung investiert und laufend neue Cut-Sheet-Systeme und Endlosdrucker auf den Markt bringt», sagt Bommer. So soll Ende 2022 eine neu entworfene B2-Bogendruckmaschine, die Ricoh Pro Z75, lanciert werden, die mit niedrigen Betriebskosten und einer hohen Produktivität von bis zu 4500 Bögen pro Minute auftrumpft. Beim Flachbett- und Textildruck ist Ricoh eine Partnerschaft mit der Firma Bonafini eingegangen, die im Januar 2022 vom Grosshändler Antalis übernommen wurde. Dieser wiederum vollzieht gerade einen Strategiewechsel, indem er neben dem Verbrauchsmaterial- auch im Hardware-Geschäft Fuss fassen will. Ricoh profitiert dadurch von einem besseren Zugang zu allen Offsetdruckereien. Weiter ist es Ricoh gelungen, tiefer in den Textilbereich vorzustossen: Neue Textildrucker mit «Direct-to-Film»-Lösung erlauben das Bedrucken von Polyestertextilien, beispielsweise von Fussballtrikots. «Das öffnet den Markt extrem», so Bommer.
Zahlreiche IT-Services im Angebot
Der Bereich «Managed Workplace Services» wird von der Ricoh-Tochter Lake Solutions ausgeführt. Hierzu gehören beispielsweise «Service Desk Services», bei denen die Kunden zwischen On-Prem oder Remote wählen können, «Device Management Services», bei denen IT-Supporter vor Ort die Geräte warten und supporten, oder die «Innovation Cluster Cloud», über die verschiedenste Cloudlösungen angeboten werden, wie etwa «Desktop-as-a-Service» aus redundanten Schweizer Rechenzentren. «Wir haben bereits rund 200 Kunden mit insgesamt 6000 Usern, die diesen Service täglich über die ‹Lake Trusted Cloud› nutzen», sagt Bommer.
Im Bereich «Communication & Collaboration Services» seien insbesondere «Meeting-Room-as-a-Service» und das «Room and Shared Desk Booking System» sehr stark gefragt, ebenfalls verzeichne «Corporate Digital Signage» eine grössere Nachfrage. Eine neue Innovation sei das Dual-Kamera-Videokonferenzsystem mit KI-Sucher, bei dem die eine Kamera das ganze Sitzungszimmer mit allen Teilnehmenden filmt, währenddem die andere sich automatisch auf den Sprecher richtet und ihn heranzoomt. Gleichzeitig werden Bild und Ton laufend analysiert und optimiert, sodass beispielsweise die Nebengeräusche automatisch eliminiert werden können.
Im Bereich «Business Process Management» erlauben die Akquisitionen der Firmen Axon Ivy und DocuWare, dass Ricoh bei der Prozessautomatisierung einen grossen Schritt weiterkommt. «Es geht nun darum, dass die Prozesse noch besser ineinander greifen, damit die digitalen Informationen noch schlauer und informativer weiterverarbeitet werden können», erklärt Thomas Szegö, Director Sales & Consulting von Ricoh Schweiz. Wichtig sei hierbei, dass die entsprechenden Produkte mit möglichst vielen Geräten kommunizieren können. «Wir sind hier komplett offen und können alle Workflows abbilden», sagt er. «DocuWare funktioniert heute mit 12'000 Interfaces – alles, was auf den Markt kommt, wird automatisiert.» Ricoh baue das Portfolio laufend weiter aus, insbesondere um der Kundschaft eine schnellere Entscheidungsfindung oder einen höheren Automatisierungsgrad zu ermöglichen, etwa beim Mailing, Scannen oder im HR.
Ricoh will auch die «Digital Experience» der Kundschaft weiter verbessern. Laut Szegö soll dies unter anderem mittels «Intelligent Document Processing» (Digitalisierung unstrukturierter Dokumente) oder durch vorausschauende Gerätewartung dank AI und Prozessintelligenz bewerkstelligt werden.
Lake lanciert neues Cybersecurity-Kompetenzzentrum
Weiter hat die Ricoh-Tochter Lake Solutions in der Schweiz ein neues Kompetenzzentrum für Cybersecurity geschaffen. «Heute ist die Frage nicht, ob ein Unternehmen angegriffen wird, sondern wann», erklärt deren CEO Walter Borgia. «Und dann gilt es, unverzüglich die entsprechenden Antworten bereitzustellen.» Damit dies gelinge, gehe Lake in den drei Schritten «Plan», «Build» und «Run» vor. Im ersten Schritt werde die Kundschaft beraten und ihr Bewusstsein für die Problematik geschafft, im zweiten Schritt bauen zertifizierte Spezialisten zusammen mit dem Kunden die passende Lösung, während im dritten Schritt der Betrieb und die Überwachung geregelt wird. «Es nützt nichts, wenn eine Firma eine Sicherheitsmeldung erhält, dass ein Angriff stattgefunden hat, aber niemand schaut sie an und macht etwas», erklärt Borgia. «Genau dies können wir mit unserem Kompetenzzentrum sicherstellen.» Dazu gehören Services wie «Endpoint Protection» für jegliche Endgeräte, «Network Security», «Access Management» sowie «Assessment & Consulting», aber auch ein eigenes «Swat-Team»: «Wenn ein Unternehmen angegriffen und verschlüsselt wird, braucht es schnell die richtigen Leute am richtigen Ort, damit möglichst bald wieder gearbeitet werden kann», so der Lake-Chef. «Da reden wir nicht nur von Security-, sondern auch von Backup-Infrastruktur-, Server-Infrastruktur- und Storage-Spezialisten, damit die Daten wieder sicher zurückgeholt werden können.» Weiter biete Lake Solutions seinen Kunden auch «Breach Assessments» an, über die der Traffic im Netzwerk auf Anomalien kontrolliert wird, beispielsweise um Schläfer im System zu entdecken.
Im Bereich «Cloud & Infrastruktur Services» bietet Lake Solutions nicht nur «Infrastruktur-as-a-Service», «Backup-as-a-Service» und «Disaster Recovery-as-a-Service», es kann sogar ganze Data Center aus dem Rechenzentrum abbilden. «Wir haben heute Kunden, die komplett in unserer Cloud arbeiten und kein eigenes Rechenzentrum mehr haben», erklärt Borgia. «Sie profitieren von unseren hochredundanten Lösungen in diesem Segment.» Als neue Innovation hebt er «Multi Cloud» hervor. «Heute ist nicht mehr relevant, wo ein Unternehmen seine Daten hat – bei sich vor Ort, bei uns in der ‹Lake Trusted Cloud›, auf Azure oder AWS», sagt er. «Wichtiger ist, welche Daten wie schnell wieder herstellbar sein müssen, wenn etwas passiert – schliesslich sind nicht alle Daten gleich wichtig.» ERP und Buchhaltungsdaten müssten in der Regel schnell wieder verfügbar sein, während Archivdaten weniger eilen. «Wir beraten unsere Kunden, welches Konzept für sie am meisten Sinn macht, beispielsweise dass sie die Hauptdaten bei sich vor Ort behalten, eine Sicherheitskopie bei uns in der ‹Lake Trusted Cloud› haben und gewisse Daten auf Azure oder AWS auslagern.»