18.08.2014, 11:11 Uhr
Google beginnt, in der Schweiz Links zu löschen. Aber dürfen die das überhaupt?
Das «Recht auf Vergessen» wird nun auch in der Schweiz umgesetzt. Allerdings stellt sich die Frage, ob damit gegen die Informationsfreiheit verstossen wird.
Google hat begonnen, gemäss einem Urteil des EU-Gerichtshof auch in der Schweiz Links zu löschen. Allerdings ist unklar, ob das erlaubt ist
Seit der Europäische Gerichtshof (EuGH) Google im Mai verpflichtet hat, das sogenannte Recht auf Vergessen umzusetzen, ist auf den Internetkonzern einiges an Arbeit dazugekommen. Google darf Webseiten mit personenbezogenen Inhalten nicht mehr in der Ergebnisliste anzeigen, wenn Betroffene dies beantragen. Rund 100 000 Löschanträge hat Google bislang erhalten und beschäftigt Juristenteams, die von Fall zu Fall entscheiden, ob man dem Anliegen nachkommt. Obwohl Entscheide des Europäischen Gerichtshofs nur für die EU-Mitgliedsstaaten binden sind, setzt Google es in allen 32 Efta-Staaten um ? und damit auch in der Schweiz. 1645 Löschgesuche zu 7085 Adressen gingen hierzulande bei Google bis Juli ein. Mittlerweile habe man begonnen, die ersten Links zu löschen, sagte Google-Sprecher Samuel Leiser der Nachrichtenagentur «sda». Wie viele Links bereits aus den Suchergebnissen von google.ch gelöscht wurden, könne man allerdings nicht sagen. Auch eine Liste mit den gelöschten Webseiten werde nicht veröffentlicht. Immerhin werden die Webseitenbetreiber über die Entfernung von Links aus den Suchergebnissen informiert. Die Behandlung der Gesuche gehe Fall für Fall voran, versicherte Leiser. Es stellt sich allerdings die Frage, ob Google die Links in der Schweiz überhaupt löschen darf. Gemäss Datenschützer Hanspeter Thür durchaus. Das Recht auf Vergessen sei kein neues Konzept und Schweizer Gerichte würden das Urteil des Europäischen Gerichtshofs übernehmen, heisst es in einer Erluterung des EDB. Dieser Einschätzung widerspricht Rechtsanwalt Daniel Hürlimann allerdings vehement. Der Berner Jurist ist auf Internetrecht spezialisiert und hat sich eingehend mit dem Urteil und dessen Anwendbarkeit in der Schweiz befasst. Sein Fazit: «Der Einschätzung des Datenschützers, wonach ein Schweizer Gericht in einer vergleichbaren Situation zum gleichen Schluss kommen sollte, kann nicht gefolgt werden.» Hürlimann argumentiert, dass das Google-Urteil des EuHG gegen die Informationsfreiheit verstösst, die sowohl von der EU-Grundrechtecharte als auch durch die Europäische Menschenrechtskonvention und die Bundesverfassung garantiert wird. «Dieser Verstoss lässt sich nicht mit dem überwiegenden Interesse einer Privatperson rechtfertigen, solange es sich um eine rechtmässig veröffentlichte Information handelt. Mit dem Urteil wird Suchmaschinenbetreibern eine Richterfunktion zugewiesen, die in einem Rechtsstaat nicht an Private delegiert werden darf», sagt Hürlimann in seiner Studie. Eine Pflicht zur Entfernung von Suchergebnissen treffe die Suchmaschinenbetreiber deshalb nur dann, wenn es sich um offensichtlich rechtswidrige Inhalte handle. Zum gleichen Schluss kommt ein Ausschuss des britischen Oberhauses, der sagt, dass das EuHG-Urteil nicht ausfhrbar sei. Einerseits, weil Suchmaschinenbetreibern nicht die Entscheidung überlassen werden sollte, welche Indexeinträge gelöscht werden sollen. Andererseits, weil der Europäische Gerichtshof nicht berücksichtigt habe, dass das Urteil auch Auswirkungen auf kleinere Suchmaschinenbetreiber habe. Und diese hätten möglicherweise nicht die Ressourcen von Google, um tausende Löschanfragen zu bearbeiten. Insgesamt werde deutlich, dass weder das Urteil noch die über 20 Jahre alte Richtlinie, auf der das Urteil basiert, dem rasanten technischen Fortschritt der Zwischenzeit gerecht werden, heisst es in der Studie. Für in der Schweiz Betroffene könnte es sich also durchaus lohnen, gegen das «Recht auf Vergessen» zu prozessieren.