Das Rechenzentrum ­nachhaltig gestalten

Im Gespräch mit Jens Gröger vom Öko-Institut

Jens Gröger: Senior Researcher beim Öko-Institut
Quelle: Öko-Institut
Energieeffizienz wird für die Betreiber von Rechenzentren zu einem immer wichtigeren Thema. Jens Gröger ist Senior Researcher beim Öko-Institut. Sein Forschungsschwerpunkt ist die Nachhaltigkeit von Produkten und Dienstleistungen der Informations- und Kommunikationstechnologie. Im Interview
erklärt er, wie sich Rechenzentren umweltfreundlicher betreiben lassen.
Computerworld: Herr Gröger, die Digitalisierung bringt einen immer höheren Energiebedarf mit sich, vor allem für den Betrieb von immer mehr und immer grösseren Rechenzentren. Worin genau liegen die Probleme?
Jens Gröger: Die Entwicklung des Energieverbrauchs durch Rechenzentren ist deshalb beunruhigend, weil die Zunahme sehr schnell stattfindet und nicht durch Einsparungen an anderer Stelle aufgefangen wird. Prognosen gehen davon aus, dass sich der Energieverbrauch durch IT in den nächsten zehn Jahren mindestens verdoppelt, im ungünstigsten Fall sogar auf die Hälfte des weltweiten Energieverbrauchs ansteigt. Dieser Entwicklung kann nur durch hocheffiziente und nachhaltige Rechenzentren entgegengesteuert werden.
Computerworld: Was macht ein nachhaltiges Rechen­zentrum eigentlich aus? Ein möglichst geringer Strombedarf genügt nicht, oder?
Gröger: Nachhaltigkeit umfasst immer die drei Dimensionen Umwelt, Soziales und Wirtschaft. Ein nachhaltiges Rechenzentrum muss daher sowohl bei den unterschiedlichen Umweltwirkungen, wie Energie- und Ressourcenverbrauch, Treibhausgasemissionen oder Flächeninanspruchnahme Vorreiter sein als auch bei den sozialen Aspekten, wie faire Bezahlung, Qualifikation, Familienfreundlichkeit und Gleichberechtigung. Daneben muss ein nachhaltiges Rechenzentrum aber auch wirtschaftlich und damit langfristig betreibbar sein.
Computerworld: Was kann man als Betreiber vor allem im Bereich der Energieeffizienz tun?
Gröger: Die Gebäudetechnik muss hocheffizient arbeiten, es dürfen keine klimaschädlichen Kältemittel eingesetzt werden und der Strom muss aus erneuerbaren Energiequellen stammen.
Die eigentliche IT-Technik, also Server, Datenspeicher und Netzwerktechnik, muss mit sehr verlustarmen Netzteilen ausgestattet sein und ihre Energieverbräuche müssen permanent überwacht werden.
Um zur Ressourcenschonung beizutragen, wird ausserdem eine hohe Auslastung der IT-Technik angestrebt. Rund die Hälfte der Ressourcen wird für die Herstellung der IT-Komponenten verwendet, die andere für deren Betrieb. Daher ist eine bessere Auslastung weniger Server aus Gründen der Nachhaltigkeit immer besser als das Vorhalten etlicher Server, die nur zu einem Bruchteil ausgelastet sind. Konsolidierung und Virtualisierung sind hier die Stichwörter.
Computerworld: Wo lässt sich noch Energie einsparen?
Gröger: Bei der Klimatisierung, beispielsweise durch Nutzung freier Kühlung und Erhöhung der zulässigen Raumtemperaturen, liegen in Bestandsrechenzentren sicher noch grosse Einsparpotenziale. Gleiches gilt für die Stromversorgung und die Nutzung effizienter Netzteile. Die Nutzung der Abwärme ist zusätzlich eine attraktive Option, wenn die Wärme sinnvoll, etwa an Gewerbe­betriebe, weitergegeben werden kann.
Die tatsächlichen Einsparmöglichkeiten sind aber sehr individuell. Grundsätzlich ist ein Rechenzentrumsbetreiber daher gut beraten, ein umfassendes Energiemonitoring einzuführen und geeignete Kennzahlen zu bilden, die die Effizienz der verschiedenen Teilbereiche beschreiben. Durch ein Energiemanagement können die Schwachstellen schnell identifiziert und die Betriebsführung optimiert werden.
Computerworld: Solche Optimierungen betreffen aber häufig nur die Gebäudetechnik …
Gröger: Blinde Flecken bleiben tatsächlich die IT-Geräte selbst. Ob auf den Geräten nützliche Arbeit verrichtet wird oder ob es sich um Server oder Datenspeicher handelt, die einfach vergessen wurden, kann der Rechenzentrumsbetreiber in der Regel selbst nicht beantworten. Durch ein zusätzliches Monitoring der Rechenleistung, der Netzwerk- und Festplattenaktivität können jedoch auch hier Kennzahlen generiert werden, mit deren Hilfe die Performance optimiert werden kann.
Computerworld: Gibt es eigentlich Zertifizierungen, die garantieren, dass genutzte Rechenzentrumsdienste aus einem energie­effizienten Rechenzentrum stammen?
Gröger: Bezogen auf einzelne Komponenten wie USV, Netzteile oder Datenspeicher gibt es Zertifikate wie den Energy Star, EPEAT oder herstellereigene Datenblätter zu Wirkungsgraden, die die Energieeffizienz bestätigen. Für ganze Rechenzentren und deren Dienstleistungen gibt es nur den Blauen Engel, der die Effizienz zuverlässig nachweist. Das Umweltzeichen ist in der Branche aber noch nicht flächendeckend angekommen. Bis es so weit ist, empfehle ich Unternehmen deshalb, den Beschaffungsleitfaden des Umweltbundesamtes anzuwenden. Der Leitfaden enthält alle Anforderungen an ein energieeffizientes Rechenzentrum.



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