18.01.2010, 06:00 Uhr
Klimatisieren und virtualisieren
Gerade einmal 15 Prozent der in einem Rechenzentrum eingesetzten Stromenergie werden für die Rechenarbeit aufgewendet. Der Rest verpufft - im wahrsten Sinne des Wortes. Mit zwei Strategien lässt sich die Energieeffizienz entscheidend verbessern: klimatisieren und virtualisieren.
Zum Abkühlen der Kühlflüssigkeit steht eine Aussenkühlung mit einer Rückkühlerfläche von 40000 m2 zur Verfügung. Das Kühlsystem arbeitet bei Temperaturen zwischen 6 und 17 Grad im stufenlosen Mischbetrieb. Ab 6 Grad kommt das System ohne Kompressoren aus
Patrick Pulvermüller verantwortet als Geschäftsführer der Host Europe GmbH den operativen Betrieb. Er war federführend für das grüne Rechenzentrum in Köln und leitet den Arbeitskreis Datacenter im eco Verband der deutschen Internetwirtschaft e. V.
Für jedes Kilowatt (kW), das die Server verbrauchen, werden in einem durchschnittlichen Rechenzentrum noch einmal bis zu 1,3 kW für die Klimatisierung aufgewendet. Dabei geht es auch anders: Mit modernster Klimatisierungstechnik könnte heute in allen Rechenzentren energiesparender ge-arbeitet werden als noch vor einigen Jahren.
Zu diesen Technologien gehört beispielsweise die bauliche Weiterentwicklung beim Prinzip der kalten und warmen Gänge - insbesondere verbunden mit einer Kaltgangeinhausung, also dem Aufstellen der Server Rücken an Rücken. Dadurch entstehen Gänge, in denen ausschliesslich Luft angesaugt wird (kalte Gänge), und solche, in denen ausschliesslich Abluft abgegeben wird (warme Gänge). Kaltgangeinhausung bezeichnet die räumliche Abtrennung der kalten Gänge, was verhindert, dass sich kalte und warme Luft im Raum mischen und einen energieaufwendigen «Luftkurzschluss» produzieren.
Konsequente Kühlung
Erst eine konsequente Einhausung der kalten Gänge, inklusive der Verblendung der einzelnen Racks, macht eine Erhöhung der Ansaugtemperatur bei den Klimaanlagen auf ca. 30 bis 32 Grad Celsius möglich. Dadurch kann die indirekte, freie Kühlung bis zu Aussentempera-turen von 17 Grad Celsius genutzt werden. Dies bedeutet wiederum, dass das Rechenzentrum an mehr als 6000 Stunden im Jahr ohne Einsatz jeglicher mechanischer Kühlung betrieben werden kann.
Weiterhin führt die konsequente Einhausung zu konstanten Temperaturen vor den jeweiligen Racks (das ?t sinkt von 5 bis 6 Grad Celsius auf 1 bis 2 Grad Celsius). Dies wiederum reduziert die Drehzahl der Serverventilatoren - ein Effekt, der sich über das gesamte Rechenzentrum gerechnet ordentlich summiert, zumal die elektrische Arbeit für Ventilatoren in der dritten Potenz zur Drehzahl steht. Konkret heisst das: Bei einer Halbierung der Ventilatordrehzahl sinkt die benötigte elektrische Arbeit auf ein Achtel.
Effiziente Virtualisierung
Neben der Klimatisierung birgt der Einsatz von Virtualisierungstechnologien das grösste Potenzial zur Steigerung der Energieeffizienz. Derzeit beträgt die durchschnittliche Prozessor- und Arbeitsspeicherauslastung in Rechenzentren weniger als 20 Prozent. Per Virtualisierung können auf einem physikalischen Server gleichzeitig mehrere Dienste parallel betrieben werden, die jedoch gegenseitig vollständig voneinander abgeschirmt sind.
Mittlerweile haben sich drei Varianten etabliert: Containervirtualisierung, Systemvirtualisierung und Paravirtualisierung - allesamt haben ihre speziellen Vorzüge und optimale Einsatz-szenarien. Allen drei gemein ist, dass sich damit die Auslastung von CPU und RAM auf 60 bis 80 Prozent verbessern lässt, bei praktisch gleichem Stromverbrauch. Die Server Consolidation Ratio (SCR), also der Wert, der angibt, wie viele Gäste auf einem Host laufen können, ist bei vielen Hosting-Anbietern zum wichtigsten Kriterium bei der Auswahl einer Virtualisierungs-Software geworden. Das Einsparpotenzial ist gigantisch.
In einem Test ermittelte der Serverhersteller Dell etwa, dass ein aktueller Host bis zu acht virtuelle Maschinen mit Systemvirtualisierung beherbergen kann. In diesem Rechenbeispiel reduziert sich der Stromverbrauch von 2400 Watt für acht Server auf etwa 450 Watt für den Virtualisierungs-Host. Das bedeutet dramatisch niedrigere Kosten, obwohl die gleiche Rechenleistung zur Verfügung steht. Mit einer Paravirtualisierung ist die doppelte SCR mit den analog dazu verdoppelten Einsparungen möglich. Gerade die neuen Multikernprozessoren haben so viel Leistungspotenzial, dass die Kombination mit Virtualisierung absolut sinnvoll ist. Wenn es die Umgebung erlaubt, alle Gäste mit dem gleichen Betriebssystem auf einem Host zu virtualisieren, gibt es dazu kein effizienteres Werkzeug als die Container- bzw. Betriebssystemvirtualisierung, die theoretisch sogar mehr als 100 virtuelle Server auf einer einzigen Hardware ermöglicht.
Praxisbeispiel Host Europe
Host Europe, drittgrösster Anbieter von Internet- und Hosting-Dienstleistungen im deutschsprachigen Markt, hat sich diese neuen Techniken zunutze gemacht und das Kölner Rechenzentrum auf Energieeffizienz getrimmt. Schon in der ersten Ausbaustufe konnte so der Energieaufwand - abhängig von der Aussentemperatur - auf 0,4 bis 0,7 kW (statt 1,3 kW) begrenzt werden.
Entscheidend dafür waren die folgenden baulichen Massnahmen bei der Klimatechnik:
- Trennung von kalten und warmen Gängen.
- Einhausung der Serverracks zur Optimierung der Luftströmung.
- Einbau von Blenden schliesst die Lücken zwischen Servern und einzelnen Racks.
- Erhöhung der Temperatur in den kalten Gängen auf 22 bis 23 Grad.
- Indirekte, freie Kühlung reduziert den Bedarf um bis zu 33 Prozent.
- EC-Ventilatoren zur stufenlosen Regulierung reduzieren den Energieverbrauch nochmals um 22 Prozent.
- Hohe Doppelböden und eine Verkabelung oberhalb der Racks sorgen für eine optimale Luftzirkulation.
Fazit: So rechnet sich Green IT
In Hosting-Unternehmen ist Virtualisierung zu einem guten Teil die technische Basis für die preisgünstigen Angebote im Bereich Webhosting und Virtual Private Server. Eine Green-IT-Strategie ist heute Voraussetzung für dauerhafte Wettbewerbsfähigkeit, denn bis zu 80 Prozent der Betriebskosten eines Rechenzentrums entfallen auf die Stromrechnung. Daher liegt hier auch das grösste Sparpotenzial.
Auch wenn die Energiepreise aktuell kurzzeitig stabil sind, werden die Kosten für Strom und Energie langfristig weiter steigen. Ein traditionelles Rechenzentrum verbraucht pro kW Serverleistung zusätzlich etwa 1,0 kW Strom für Klimaanlage, Licht, USV etc. Beim energieeffizienten Rechenzentrum liegt der zusätz-
liche Stromverbrauch bei 0,5 kW pro Kilowatt Serverleistung.
liche Stromverbrauch bei 0,5 kW pro Kilowatt Serverleistung.
Bei Kosten von 10 Cent bzw. 15 Rappen inklusive aller Steuern und Gebühren je kWh und einer Leistung von 0,25 kW belaufen sich die jährlichen Kosten im normalen Rechenzentrum auf 438 Euro bzw. 662 Franken je Server - verglichen mit 328 Euro (496 Franken) im grünen Rechenzentrum. Damit amortisieren sich die Kosten für die zusätzlichen baulichen Massnahmen schon in ca. zwei bis drei Jahren.
Nicht jedes mittelständische Unternehmen kann gleich ein neues, energieeffizientes Rechenzentrum bauen. Durch die Einführung von Virtualisierung kann jedoch die Zahl der Server verringert und damit der Energieverbrauch oft schon signifikant gesenkt werden. Obwohl auch heute noch viele Unternehmen einen
eigenen physikalischen Server bevorzugen, werden in Zukunft immer mehr Kunden und Anwender auf Virtualisierung vertrauen und sich so für aktives Energiesparen einsetzen.
eigenen physikalischen Server bevorzugen, werden in Zukunft immer mehr Kunden und Anwender auf Virtualisierung vertrauen und sich so für aktives Energiesparen einsetzen.
Wenn überdies eigene Hardware, Klimaanlage und Rechenzentrumsfläche in die Jahre kommen beziehungsweise an ihre Kapazitätsgrenzen stossen, dann sollten IT-Verantwort-liche in jedem Fall auch die Auslagerung von Teilen oder der gesamten IT-Infrastruktur in Betracht ziehen. Denn die Kosten für den externen Service lassen sich nicht selten zu einem Gutteil allein aus den eingesparten Stromkosten decken.
Patrick Pulvermüller