Zeitreise 27.11.2008, 10:58 Uhr

IT bei der Credit Suisse

Wie wurde aus einem Finanzdienstleister wie der Credit Suisse ganz nebenbei eines der grössten IT-Unternehmen der Schweiz? Die Bilanz aus 30 Jahren: Offen für Neuerungen sein.
Auf ein Menschenleben gerechnet sind 30 Jahre nur eine Generation, in der Informatik jedoch ein Vielfaches davon. Was sich während dieser Zeit in der Anwendungsentwicklung getan hat, ist atemberaubend.
Bei der Credit Suisse setzte sich eine breitere Nutzung der EDV in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts durch. Typisch war die strikte Arbeitsteilung zwischen der Analyse und der eigentlichen Programmierung. Die Einführung von Rechenzentren und die damit verbundenen «dummen» Terminals machte es den Mitarbeitern am Bankschalter erstmals möglich, den Kunden Auskünfte in Echtzeit zu geben. Das Vertrauen in den Computer nahm auch bei den Kunden rasant zu. Manuelle Abrechnungen verloren an Akzeptanz - man forderte einen Computerbeleg. Firmenintern war man da skeptischer: In der Abteilung «Rekapitulation» wurden die Computer-Abrechnungen parallel noch einige Zeit manuell überprüft.
In den 1990er Jahren setzte dann der PC zum Siegeszug an. Mit Client-Server-Architekturen schien alles lös- und machbar zu sein. Der Mainframe galt als Inbegriff veralteter Technologien.

Auf Euphorie folgt Ernüchterung

Die Kunden waren technischen Neuerungen gegenüber sehr offen. Unter den Banken entstand ein Wettbewerb, wer die neuen Möglichkeiten der IT am besten für neue Produkte und Bankdienstleistungen nutzte. 1993 lancierte die Credit Suisse unter dem Namen CS-Firstphone ihr erstes Telebanking-System, das auf Call-Center-Technologie basierte. Elemente davon wurden wieder genutzt, als man 1997 mit Direct Net als erste Schweizer Bank das Online Banking startete. 1999 folgte mit youtrade der Einstieg ins Online-Brokerage-Geschäft.
Aus Sicht der Anwendungsentwicklung bedeuteten die neuen Angebote oftmals komplettes Neuland. Heute, zehn Jahre nach dem Höhepunkt der Internetblase, lässt sich feststellen: Viele dieser utopischen Geschäftsmodelle liessen sich nicht wie erwartet in die Realität umsetzen. Die zahlreichen Ansätze, die Kernsysteme einer Bank sozusagen auf der grünen Wiese neu zu bauen, sind praktisch ausnahmslos gescheitert.

Trends: Offshoring und Outsourcing

Nach dem Investitionsschub, der zum Bereitmachen der Applikationen für das Jahr 2000 nötig wurde, stellte sich zunehmend die Frage nach den Kosten der IT. Kostenüberlegungen standen denn auch zu Beginn beim Auslagern von Teilen der Programmierung im Vordergrund.
Heute geht es für eine weltweit tätige Bank wie Credit Suisse eher darum, wie sie sich auf einem globalen Arbeitsmarkt optimal aufstellt. Ohne Offshoring (die Vergabe von Aufträgen an CS-eigene Einheiten an einem anderen Ort im Ausland) und ohne Outsourcing (die Vergabe von Aufträgen an unabhängige Drittfirmen) könnten Anwendungsentwickler die an sie gestellten Anforderungen gar nicht mehr erfüllen. Sehr komplexe Aufgaben eignen sich für Offshoring und Outsourcing jedoch kaum.
Für die Mitarbeitenden in der Anwendungsentwicklung bedeutet dies neue Herausforderungen und Perspektiven: Ein Anwendungsentwickler braucht heute nicht nur solide Kenntnisse der Applikationsarchitektur, sondern auch Fähigkeiten zur Vermittlung und Integration von Menschen, verbunden mit soliden und fundierten konzeptionellen Kompetenzen. Darüber hinaus wird immer mehr spezifisches Banken-Know-how verlangt. Die Informatik ist zu einem integralen Erfolgsfaktor des Unternehmens geworden.
Wohin geht die Reise?
Heute steht der Anwendungsentwicklung wieder ein Paradigmenwechsel bevor.
Zukunftstrend 1: Das eigentliche Programmieren wird immer mehr in den Hintergrund treten. Vor nicht allzu langer Zeit, spielte das manuelle Optimieren eines Programms noch eine grosse Rolle. In der Zwischenzeit kann dank der technologischen Entwicklung bereits einiges (halb-)automatisch generiert werden. Die Handwerkskunst eines Software-Entwicklers hat sich verschoben. Prozesse und technische Voraussetzungen sind wichtig und müssen laufend verbessert werden, entscheidend bleiben trotzdem die Menschen.
Zukunftstrend 2: Die Plattformabhängigkeit wird reduziert. Moderne Entwicklungsumgebungen, Programmiersprachen und Datenbanken werden immer plattformunabhängiger. Java auf Mainframe ist beispielsweise heutzutage kein Hirngespinst mehr. Die Welt wird multipolar. Und gerade hier ergeben sich auch für die Credit Suisse neue Chancen und Möglichkeiten.
Zum Autor: Daniel Ott ist Managing Director, CIO Private Banking bei der Credit Suisse



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