Tipps für Startup-Gründer - von Business Angel Eric Giler
22.03.2016, 15:10 Uhr
Hört nicht auf die Nein-Sager
Eric Giler hat bereits zahlreiche Startups gegründet. Im Geschäft ist er seit 40 Jahren. Im Interview mit Computerworld verriet er, wie man Startups erfolgreich an den Markt bringt und damit Geld verdient.
Eric Giler hat bereits viele Startups erfolgreich an den Markt gebracht. WiTricity zum Beispiel, das Lösungen für die drahtlose Energieübertragung herstellt. Eric ist ein alter Hase, der alle Tricks und Schliche kennt. Über seine letzte Neugründung, die Firma Origin Wireless, sprach er auf dem Start Summit letzte Woche in St. Gallen. Es geht um ein sensorloses, preisgünstigeres und zuverlässigeres Überwachungssystem, das Versicherungsunternehmen helfen soll, Milliarden einzusparen. Computerworld verriet Eric Giler am Rande des Start Summit, wie man ein Startup gründet und erfolgreich an den Markt bringt.
Herr Giler, Sie haben bereits viele Unternehmen gegründet, und das aktuelle ist immer das liebste, oder?
Giler: Woran ich gerade arbeite ist immer das interessanteste Projekt für mich, und ich arbeite mit Start-ups seit meinen 20er-Lebensjahren. Also schon ziemlich lange.
Dann haben Sie viel Erfahrung, wie man ein Startup gegründet und erfolgreich an den Markt bringt.
Giler: Das stimmt.
Was empfehlen Sie jungen Firmengründern? Wie wird man erfolgreich?
Giler: Die USA werden immer als Treibhaus für neue Start-ups und neue Ideen gesehen. Aber ich war auf den Pitches heute morgen auf dem Start Summit. Die jungen Schweizer Firmengründer hatten vier Minuten Zeit, ihr Unternehmen vorzustellen und zu erklären, warum der Markt sie braucht. Ich war schwer beeindruckt. Alle Startup-Gründer haben das exzellent rübergebracht, und das ist in dieser kurzen Zeit nicht einfach. Ich weiss nicht, was die Studenten in St. Gallen lernen, aber es muss sehr gut sein.
Aber zu ihrer Frage: Jeder rät Ihnen, Sie bräuchten einen Business-Plan und überzeugende PowerPoint-Folien. Das ist aber nicht ganz richtig. Was Sie brauchen, ist eine klare Vorstellung davon, wie Sie mit ihrem Unternehmen Mehrwert generieren wollen. Wenn Sie als junger Firmengründer Mehrwert generieren, also einen Nutzen stiften, werden Sie erfolgreich sein.
Reicht das, die Besten werden auch erfolgreich sein?
Giler: Als Firmengründer hat man es mit vielen Nein-Sagern zu tun. Aber wenn Sie auf die hören, machen Sie gar nichts. Niemand würde überhaupt irgendetwas tun, wenn die Nein-Sager recht hätten. Als Startup müssen Sie drei Hürden nehmen. Der erste Nein-Sager erklärt ihnen: Das ist ja völlig unmöglich, was Sie da vorhaben. Dann zeigen Sie ihm, dass es sehr wohl möglich ist und haben schon einmal die erste Hürde erfolgreich gemeistert.
Der zweite Nein-Sager, und ich habe das schon so oft gehört, erklärt ihnen: Ausgezeichnet, aber nichts Besonderes, jeder kann das machen. Dann zeigen Sie, dass ihre Idee doch etwas komplizierter zu realisieren ist, als es den Anschein hat, und dann kommt der dritte Nein-Sager, der sagt: Das braucht keiner, niemand wird ihnen das abkaufen. Der dritte Nein-Sager ist vielleicht der schwierigste.
Als Startup-Gründer müssen Sie über alle drei Hürden. Business-Kurse an Schulen lehren, wie man Geschäftspläne erstellt, und dieses Wissen ist auch sehr wichtig. Aber der schwierigste Teil besteht darin, jemanden davon zu überzeugen, ihr Produkt zu kaufen, in ihr Unternehmen – zum Beispiel durch Aktienkäufe – zu investieren, was letzten Endes auf das Gleiche hinausläuft.
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Sie haben in ihrer Keynote ihr eigenes Produkt vorgestellt: Origin Wireless. Eine Inhouse-Lösung, die Personen und Objekte bis auf 2x2x2-Zentimeter genau lokalisiert, die auch Mauern durchdringt, ohne Sensoren auskommt und sehr kostengünstig zu produzieren ist. Diese Lösung wollen Sie Sicherheitsfirmen und Versicherungen verkaufen. Wie wollen Sie das anstellen?
Giler: Wir haben drei Millionen US-Dollar von Investoren akquiriert, den Grossteil von Foxconn aus Taiwan. Foxconn ist daran interessiert, unsere Lösung zu produzieren. Wir haben also die ersten beiden Hürden übersprungen.
Aber noch ist kein Mehrwert generiert. Wir müssen jetzt die Börse davon überzeugen, dass der drei Millionen Invest von Foxconn eigentlich 300 Millionen wert ist. Erst dann sind wir erfolgreich.
Die USA sind bekannt für ihre Kultur des Scheiterns. Scheitern ist erlaubt, man versucht es einfach noch einmal. In Europa, der Schweiz, Deutschland und Frankreich haftet einem nicht erfolgreiche Unternehmer aber immer noch der Geruch des Verlierers an. Dabei sind von hundert Startups vielleich zehn später erfolgreich, vielleicht sogar noch weniger. Wo sehen Sie heute die Unterschiede zwischen den USA und zum Beispiel der Schweiz?
Giler: Von hundert Startups sind vielleicht ein oder zwei erfolgreich, das hören Sie von professionellen Investoren. Obwohl die grossen Venture-Firmen ihnen etwas anderes erzählen und mit Erfolgsraten von 1:10 prahlen. Wichtig ist vielleicht der Ratschlag: „Fail faster“. Vertrödeln Sie nicht zehn Jahre damit, um herauszufinden, dass ihr Startup auf dem Markt keinen Erfolg hat. Seien Sie schonungslos ehrlich zu sich selbst.
Wie viele Jahre geben Sie einem Startup, um erfolgreich zu werden?
Giler: Das hängt vom Startup ab. Mein erstes Unternehmen habe ich 1984 gründet, und wir kamen 1991 mit unseren Produkten an den Markt. Wir haben acht Jahre gebraucht, das war damals ganz in Ordnung. Unsere Investoren haben ihren Einsatz verzehnfacht. Es hängt von den Nüssen ab, die Sie knacken wollen. Schwierige Probleme zu lösen braucht eben einiges länger. Bei meiner jetzigen Firma Origin Wireless haben wir uns ab Business-Plan etwa drei bis fünf Jahre Zeit gegeben. Unser Investor Foxconn wollte natürlich schneller marktreife Lösungen sehen, und wir mussten die Erwartungen korrigieren.
Mit meinem letzten Startup WiTricity, der drahtlosen Energieübertragung, sind wir 2007 gestartet, und die ersten flächendeckenden Tankstellen-Netze für Elektrofahrzeuge sollen 2017 fertig sein. Also zehn Jahre, aber wir mussten für WiTricity auch einige sehr harte Nüsse knacken. Eine neue App können Sie wahrscheinlich in drei Monaten auf die Beine stellen.
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Zurzeit ist die Rede von den sogenannten Einhörnern, die mindestens 1 Milliarde US-Dollar wert sind. Die prominentesten sind sicher Uber und Airbnb. Ist es heute schwieriger als früher, sich mehr Zeit für technologisch anspruchsvolle Startups zu nehmen?
Giler: Uber und Airbnb, generell die Einhörner, sind die Überflieger, die Ausnahmen. Das ist nicht der Mainstream. Wenn ein Startup von hundert erfolgreich wird, dann wird ein Startup von zehntausend oder von hunderttausend ein solcher Überflieger, ein „Unicorn“.
Ich bin übrigens ein ganz grosser Uber-Fan. Ich miete keine Autos mehr, bin nicht mehr auf Taxis angewiesen, sondern benutze nur noch Uber. Uber hatte da eine ganz fantastische Idee, und Uber ist heute mehr wert als Hertz oder Rent-a-car. Uber bringt mir persönlich einen grossen Mehrwert.
Auch Airbnb hat eine sehr gute „value proposition“. Eigentümer verdienen Geld mit ihren ansonsten leer stehenden Wohungen, und der Kunde kommmt preisgünstig an eine Bleibe für eine bestimmte Zeit. Um in die Multi-Milliarden-Firmenbewertungen der Einhörner vorzustossen braucht man Zugang zum Kapitalmarkt, und das ist der schwierige Teil. Aber in der Welt der Investoren höre ich: Für gute Ideen ist auch Geld da. Wir haben genug Kapital, um gute Firmenkonzepte zu finanzieren.
Es ist leichter, im Silicon Valley an Geld zu kommen als in der Schweiz?
Giler: Das ist so. Es ist sogar leichter als in Boston, wo ich lebe. Es gibt in den Vereinigten Staaten ein West-Ost-Gefälle. Das Silicon Valley hat ein Ökosystem, das bereit ist, Risiken einzugehen. Boston dagegen ist die älteste Stadt der USA. Die Menschen dort sind konservativer in ihren Investitionsstrategien, denken europäischer. Das Silicon Valley ist auch in den USA die grosse Ausnahme.
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Wie sehen die nächsten Schritte für ihre neue Firma Origin Wireless aus?
Giler: Wir haben drei Millionen von Foxconn eingesammelt und versuchen, im nächsten Schritt erste Pilotkunden für uns zu gewinnen: Test-and-Evaluation Customers. Wenn das funktioniert, werden wir schon einige unserer Rechnungen bezahlen können und der Marktstart könnte dann 2017 erfolgen. Eine zweite Finanzierungsrunde, zusätzlich zu den drei Millionen, könnte uns – so die Hoffnung – den Cashflow Breakeven bringen.
Ihre Sicherheitslösung ist preisgünstiger als Sicherheitssysteme, die heute auf dem Markt sind. Wie hoch fallen die Kosteneinsparungen für Kunden aus?
Das grösste Problem der Sicherheitsfirmen, die zum Beispiel Gebäude überwachen, sind ja nicht die Eindringlinge. Das grösste Problem sind die falschen Alarme. Da fällt etwas Staub auf einen Bewegungsmelder, der löst einen Alarm aus, die Polizei rückt an und das treibt die Kosten in die Höhe. Solche Fehlalarme können wir mit unserem sensorlosen Sicherheitssystem vermeiden, die Kosten sinken um Millionen.
Ein zweites Beispiel: Der grössten Kostentreiber für Versicherungen sind Wasserschäden. Wir können mit unserer Lösung zuverlässig Wasserschäden erkennen und diagnostizieren. Ich habe gar nicht vor, die Sicherheitsausstatter anzusprechen. Ich will den Versicherungsunternehmen unsere Lösung demonstrieren und ihnen zeigen, wie sie damit ihre Kosten reduzieren können.