Gemeinsamer Gegner 19.07.2019, 16:36 Uhr

Facebook-Währung Libra eint die G7

Die Finanzminister der sieben grossen Industrieländer wollen die Einführung der Facebook-Währung Libra so schwer wie möglich machen. Sie äusserten bei einem Treffen «schwere Bedenken» – obwohl viele nahmhafte Partner an Bord sind.
(Quelle: Facebook)
Man hatte sich schon daran gewöhnt, dass die Bündnisse der grossen Wirtschaftsmächte nicht mehr sind, was sie mal waren: G20-Treffen dominiert vom Handelskonflikt zwischen den USA und China, auch die G7 war zuletzt mehr G6 gegen Trump. Umso stolzer sind die Finanzminister der sieben grossen Industrieländer jetzt über einen Schulterschluss. Facebook macht's möglich, der Internetriese und seine geplante Währung Libra sind zum gemeinsamen Gegner geworden. Bei ihrem Treffen in Chantilly bei Paris äusserten die Minister und die Chefs der grossen Notenbanken unisono «schwere Bedenken» gegen das Facebook-Geld.
Das ist ein Warnschuss, der es für den Internetgiganten schwer machen wird, seine Pläne pünktlich zu verwirklichen. Dabei könnte die Libra vielen Verbrauchern nach Meinung von Finanzexperten enorm nutzen – wenn man es richtig anstellt.

Neue Währung

Facebook-Chef Mark Zuckerberg hatte seine Idee für eine neue Währung im Juni vorgestellt, 28 private Unternehmen wie Mastercard, Visa, Paypal und Uber gehören zu den Partnern. Das Ziel: Schon 2020 sollten Nutzer mit klassischen Währungen wie Dollar, Euro oder Yen Libra kaufen können.
Über Apps wie Facebooks Chat-Dienste WhatsApp und Messenger könnten sie dann Geld überweisen, Restaurant-Rechnungen unter Freunden aufteilen und auch online bezahlen. Kursschwankungen sollen vermieden werden, indem man die Libra an einen Korb etablierter Währungen koppelt und durch Staatsanleihen absichert.

Fortschritte und Risiken

Gerade für Überweisungen über Landes- und Währungsgrenzen hinweg könnten solche digitalen Währungen Fortschritte bringen, sagt Jens Weidmann, Chef der Deutschen Bundesbank. Denn bisher dauern solche Überweisungen oft tagelang – und kosten viel Geld. In Ländern mit stark schwankenden Währungen könnte Libra Sicherheit geben. Doch genau wie die Finanzminister sieht Weidmann auch grosse Risiken: Ein Kreditrisiko, wenn der Anbieter beim Rücktausch nicht zahlungsfähig ist, ein Wechselkursrisiko, wenn die Digitalwährung nicht an die Heimatwährung des Nutzers gekoppelt ist. Möglicherweise auch Risiken für die Finanzstabilität.
Der deutsche Finanzminister Olaf Scholz (SPD) geht sogar noch weiter: Er sieht die Demokratie gefährdet. Es gehe darum, «ob wir unser eigenes Geschick auch in unseren eigenen Händen haben», sagte er am Donnerstag nach dem Treffen mit seinen Amtskollegen. Der Staat könnte massiv an Einfluss auf das Geld- und Finanzsystem verlieren. Ausserdem gibt es Bedenken, mit Libra könnte Geldwäsche erleichtert werden. Denn über ein Facebook-Konto mit falschem Namen könnte man recht einfach und anonym schmutziges Geld in Libra tauschen – und später dann in Dollar oder Euro. Auch für Terrorfinanzierung, so die Befürchtung, könnten Tür und Tor offen stehen.

Am liebsten verbieten

Auf internationaler Ebene müsse deshalb sehr schnell gehandelt werden, sagt Scholz. Auch US-Präsident Donald Trump und sein Finanzminister Steven Mnuchin sind skeptisch – obwohl Facebook ein amerikanisches Unternehmen ist. Am liebsten würden die Finanzminister, so hört man heraus, die Libra einfach verbieten. Oder die Bedingungen zumindest so unattraktiv machen, dass Facebook seine Pläne von alleine aufgibt.
Denn einfach verbieten kann man die Libra in einer Marktwirtschaft nach Einschätzung der Experten nicht. Aber man kann es Facebook immerhin so schwer wie möglich machen. Die Finanzminister und Notenbanker wollen die höchsten regulatorischen Standards ansetzen. Wenn auch Kredite angeboten würden, müsste man das Libra-Konsortium wie eine Bank betrachten, heisst es – und kein Wirtschaftsbereich ist so umfassend und streng reguliert, wie dieser. Man fiele unter die Bankenregulierung, bräuchte etwa eine Banklizenz, Vorkehrungen gegen Geldwäsche und Terrorfinanzierung und müsste darlegen, wie das Geld angelegt wird.

Keine Konkurrenz

Von Facebook heisst es, die einzelnen Libra-Wallets – sozusagen digitale Geldbörsen – sollen der üblichen Regulierung unterliegen. Das digitale Geld konkurriere nicht mit nationalen Währungen, betont der zuständige Facebook-Manager David Marcus. Es soll zudem eher ein Zahlungssystem sein – ähnlich wie bei Paypal - und kein Anlage- oder Spekulationsobjekt. Die Geldpolitik der Notenbanken wolle man nicht beeinflussen. Ausserdem solle die Libra Association, die von Genf aus das System steuern soll, von der Schweizer Finanzmarktaufsicht Finma beaufsichtigt werden (Computerworld berichtete).
Doch vielen bleibt unklar. Wer genau sorgt für den Verbraucherschutz, wenn zum Beispiel ein Nutzer aus den USA ein Libra-Wallet aus Spanien einsetzt? Wie sicher werden illegale Finanzgeschäfte unterbunden? Wird man anonyme Konten nutzen dürfen? Für die Aufseher ist das ein rotes Tuch. «Kenne deinen Kunden» ist in der Finanzwelt ehernes Prinzip. Bevor all das beantwortet sei, dürfe Libra nicht an den Start gehen, macht Scholz klipp und klar. «In keinem Fall kann eine solche Initiative in die Welt gesetzt werden, ohne dass alle diese Fragen vorher geklärt sind.»

Stärker als der Dollar

Doch die Finanzminister fürchten noch anderes: Sie haben Angst, die Libra könnte mit der Zeit sogar stärker als der Dollar werden. Doch muss man Konkurrenz durch eine Währung fürchten, die selbst an den Euro und den Dollar gekoppelt wird? Welcher amerikanische Verbraucher sollte all sein Geld in Libra umtauschen und damit Kursschwankungen in Kauf nehmen, die er beim Dollar nicht hätte? Wirklich interessant wäre Libra, so sagen die Banker, allenfalls in kleinen Ländern mit schwachen Währungen.
Facebook gab jüngst im US-Kongress zu bedenken, wenn nicht das Konsortium rund um das Online-Netzwerk eine Digitalwährung einführe, werde es womöglich ein chinesisches Unternehmen. Und das wäre mit westlichen Standards wohl noch viel schlechter zu regulieren. Die G7-Staaten haben eine andere Lösung im Köcher: Sie wollen Überweisungen selbst einfach, schneller und international billiger machen – und hoffen damit, Facebook und anderen Interessenten den Wind aus den Segeln zu nehmen.



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