NDB-Gesetz
26.05.2015, 09:00 Uhr
«Änderungsvorschläge bleiben eine Art Scheinlegitimation»
Bevor das NDB-Gesetz in zwei Wochen vor den Ständerat kommt, hat Computerworld noch einmal mit Gegnern und Befürwortern gesprochen. Nur nicht mit dem Geheimdienst, der wollte nicht.
Mitte Juni entscheidet der Ständerat darüber, ob der Schweizer Geheimdienst (NDB) ein neues Gesetz erhalten soll. Dieses soll ihn gemäss den Befürwortern besser für das 21. Jahrhundert rüsten, indem er unter anderem wie die Strafverfolgungsbehörden Staatstrojaner einsetzen - darber wird ebenfalls im Sommer abgestimmt - und zusätzlich Kabelaufklärung betreiben darf. Letztere würde es ihm ermöglichen, sämtliche Datenströme zu erfassen, die von der Schweiz ins Ausland fliessen. Dabei würde er nicht nur Metadaten, sondern sämtliche Inhalte der elektronischen Kommunikation einsehen können. Klar, gibt es dagegen Widerstand. Im Parlament bilden diese hauptsächlich die Grünen und die Grünliberalen, daneben gibt es Interessensgruppen wie die Digitale Gesellschaft, die sich für eine «offene, freie und nachhaltige digitale Gesellschaft» einsetzt. Als das Gesetz in der Frühlingssession im Nationalrat zur Wahl stand, blieben die Kritiker allerdings chancenlos. Mit 119 zu 65 Stimmen wurde der revidierte NDB-Entwurf angenommen, obwohl sich auch die SP dagegenstemmte, weil sämtliche ihrer Gegenvorschläge abgelehnt wurden. Im Sommer wird der Ständerat über das Gesetz entscheiden und auch er wird es annehmen. Dies ist spätestens klar, seit sich seine Sicherheitspolitische Kommission (SiK-SR) letzte Woche mit 7:0 Stimmen fr das Gesetz aussprach. Trotzdem: In der kleinen Kammer dürften NDB-Chef Markus Seiler und Verteidigungsminister Ueli Maurer auf mehr Widerstand für ihr neues Gesetz stossen. Denn die SiK-SR will die Kontrolle ber den Geheimdienst ausbauen, dazu gehört unter anderem die Einsetzung einer externen Aufsichtsstelle. Computerworld hat sich bei den Gegnern umgehört und festgestellt, dass diese die Bemühungen der Kommission zwar schätzen, sie allerdings für nutzlos halten. «Friede-Freude-Eierkuchen-Gruppe» «Ich begrüsse die Kommissionsentscheide, kenne sie allerdings nicht im Detail. Aber sie sind eher auf meiner Linie, als die Änderungsvorschläge, die in der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats gemacht wurden», sagt Nationalrat Daniel Vischer (Grüne/ZH), der bei der Abstimmung im grossen Rat mit diversen Änderungsanträgen scheiterte. Daran sehe man, so Vischer, dass es in der Ständeratskommission Leute gebe, die ein Gefühl für die Situation im Land hätten. «Während in der nationalrätlichen Kommission eine Friede-Freude-Eierkuchen-Gruppe sitzt, die die Armee super findet und es nicht gewohnt ist, grundrechtliche Fragen zu diskutieren.» Weit genug gehen Vischer die Änderungsvorschläge der Ständeratskommission aber nicht, auch weil Staatstrojaner nach wie vor erlaubt sein sollen: «Die geforderten Bewilligungsverfahren sind und bleiben eine Art Scheinlegitimation. So wird dem Gericht der Schwarze Peter zugeschoben. Denn welcher Richter wird schon einen Geheimdienstauftrag ablehnen, wenn ihm dieser sagt, dass dann morgen ein Terroranschlag stattfindet.» Darum werden die Grünen seiner Meinung nach auch am Referendum festhalten. Im Gegensatz zu anderen Stimmen hält er die Chancen dort für grösser als bei einem BPF-Referendum. Und einen Erfolg für wichtiger: «Es ist doch wesentlich fragwürdiger, wenn der Geheimdienst einen Staatstrojaner einsetzt, als wenn es die Polizei tut.» Dann würden nämlich auch Menschen ohne Tatverdacht auf Straftat belangt. Zudem wäre auch die Vorratsdatenspeicherung, welche Vischer ebenfalls ablehnt, nach einem erfolgreichen Referendum nicht vom Tisch. «Lediglich eine Illusion» «Lediglich die Aufsicht will man verbessern, aber das löst die Grundproblematik des Gesetzes nicht», klagt Martin Steiger, IT-Anwalt und Sprecher der Digitalen Gesellschaft. «Auch wenn der Versuch begrüssenswert ist, sind wir mittlerweile überzeugt, dass ein Nachrichtendienst nicht wirksam beaufsichtigt werden kann. Man sieht gerade wieder in Deutschland, dass die Geheimdienste auch in demokratischen Rechtsstaaten tun, was sie wollen.» Mit der externen Aufsichtsbehörde würde darum lediglich die Illusion geschaffen, dass eine Behörde, die man faktisch nicht kontrollieren kann, kontrollierbar werde. Und das Genehmigungsverfahren durch das Bundesverwaltungsgericht sei ebenso wenig wirksam: «Die Geheimdienste können dem Richter ja irgendetwas erzählen. Beispielsweise, dass morgen die Welt untergeht, wenn er die Erlaubnis für eine Überwachung nicht erteilt. Und um da zu widerstehen, braucht es sehr starke Persönlichkeiten.» Zudem fänden die Entscheidungen hinter verschlossenen Türen statt, es fehle an Transparenz. Im Nachhinein könne man nichts mehr überprüfen. «Die heutige Praxis besagt beispielsweise im Kanton Zürich, dass diese Rechtsprechung nicht veröffentlicht wird.» Die Änderungsvorschläge der SiK-SR sind für Steiger darum zwar gut gemeint, aber nicht praxistauglich. Praxistauglich klingt aber eigentlich der Versuch, die Anwendung des Gesetzes zu kontrollieren. Während der Nationalrat verlangte, dass der NDB «in besonderen Situationen» beauftragt werden kann, setzt sich die Ständeratskommission dafür ein, dass dieser Begriff in «Wahrung wichtiger Landesinteressen» geändert wird. Doch für die Digitale Gesellschaft ist auch dies reine Augenwischerei: «Das ist ein unbestimmter Rechtsbegriff.» Wäre der NDB eine vertrauenswürdige Behörde, wäre ein solcher Spielraum allenfalls akzeptabel. «Aber das ist der NDB ja leider nicht», so Steiger. «Vielleicht wäre es ehrlicher, man hätte gar kein Gesetz», resümiert darum der Anwalt. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Ständeratskommission wehrt sich «GPDel überprüft die NDB-Geschäfte» Nicht verstehen kann diese Kritik Alex Kuprecht (SVP/SZ), Präsident der Sicherheitspolitischen Kommission des Ständerats: «Diese Aussagen stimmen nicht. Der NDB kann lediglich machen, was ihm das Gesetz erlaubt. Und es gibt genügend Instanzen, die prüfen, dass dieses eingehalten wird.» Die Bundesanwaltschaft, die Unabhängige Kontrollinstanz (UKI) und die VBS-interne NDB-Aufsicht zählt Kuprecht dazu. Mindestens die letztgenannte Behörde ist aber in Klammern zu setzen, rapportiert sie in letzter Instanz an die gleiche Person, von der sich auch NDB-Chef Markus Seiler Befehle anhören muss: Verteidigungsminister Ueli Maurer. Zudem sitzen in der internen VBS-Kontrollen gemss Aussagen von Experten lediglich vier Personen, deutlich zu wenig, um die Geheimdienstaktivitäten zu überwachen. Diese Missstände sind auch Kuprecht bekannt. Er geht aber davon aus, dass das Personal nun aufgestockt wird. Und langfristig sei ohnehin der Plan, die interne Aufsicht auszulagern. Kuprecht kann sich vorstellen, dass dann ähnlich wie beim Bundesverwaltungsgericht ein unabhängiges Kontrollorgan übernimmt, das von einem ehemaligen Bundesrichter geführt wird. Dem Experten vom Bundesamt für Kommunikation (BAKOM), ETH und weitere Juristen zur Seiten stehen. Aber auch beim aktuellen System soll es keinen Grund zu Misstrauen geben: «Die Geschäftsprüfungskommission der Räte (GPDel) – wird die NDB-Geschäfte und die dazugehörenden Entscheide überprüfen.» Für Kuprecht entstammen auch die Vorwürfe, dass sich die Richter vom NDB einschüchtern lassen könnten, einer Geschichte der Gebrüder Grimm. «Das Bundesverwaltungsgericht hat die Entscheide zur Kabelaufklärung an bestimmte Richtlinien gebunden. Es gibt genügend Experten die sicherstellen, dass diese Richtlinien eingehalten werden.» Aber auch Kuprecht ist sich bewusst: «Wir müssen das Vertrauen der Bevölkerung in den Geheimdienst stärken. Das geht nicht von heute auf morgen.» Der Hauptakteur in dieser Geschichte, der NDB, tut selbst übrigens nichts, um das Vertrauen zu stärken. Er verweigert sich auf Anfrage jeglichen Kommentars. Der Ständerat wird gemäss Sessionsprogramm am 11. Juni 2015 über das Nachrichtendienstgesetz entscheiden.