Microsoft 01.12.2010, 14:25 Uhr

Abschied auf Raten

Microsofts Zusammenführung der Unified-Communications-Entwicklung (UC) in den USA und die Aufgabe des Standorts Zürich war eigentlich absehbar.
Der Entscheid von Microsoft, seine UC-Entwicklungsabteilung in Zürich-Wollishofen, grossspurig Zurich Development Center (ZDC) genannt, zu schliessen und am Firmenhauptsitz in Redmond anzusiedeln, mag auf den ersten Blick überraschen. Schliesslich wurde das ZDC oft mit den Forschungseinrichtungen, die IBM und Google hierzulande unterhalten, von Microsoft gerne in einem Atemzug genannt. Bei näherem Hinschauen hat sich der Rückzug aus der Schweiz allerdings schon seit Längerem abgezeichnet. Bei der Eröffnung des ZDC vor ziemlich genau zwei Jahren wurden noch riesige Zukunftspläne geschmiedet. Zürich sollte sich zum VoIP- und Collaboration-Mekka entwickeln. So sagte der damalige Leiter des Zentrums, Erich Gebhardt, gegenüber Computerworld: «Wir glauben, dass Zürich in fünf Jahren eine weltweite Topadresse für VoIP-Firmen sein wird. Dank der ETH können wir Talente auch vor Ort akquirieren.» Immerhin: Ein Jahr darauf gesellten sich zu den 45 Microsoft-Programmierern die Angestellten der Swisscom-Tochter Webcall als Untermieter. Der Plan, zum IP-Telefonie-Zentrum zu werden, schien also zunächst aufzugehen. Doch nur wenige Monate danach, im Juli 2009, erstaunte die Meldung, dass der ZDC-Leiter Gebhardt seinen Job bei Microsoft an den Nagel hängt und zu Swisscom wechselt. Gebhardt war nicht irgendwer. Er war im Jahr 2000 der Gründer der Internet-Telefoniefirma Media-Streams, die gut fünf Jahre später von Microsoft übernommen wurde, und damit Kopf, Herz und wohl auch treibende Kraft der Zürcher UC-Entwicklung. Nicht nur der Leiter ging. Die Mitarbeiterzahl des Zentrums schrumpfte graduell. Von den ursprünglich 45 Programmierern waren Anfang Jahr noch deren 30 in Wollishofen tätig. In der aktuellen Meldung über die Schliessung ist noch von 26 Entwicklern die Rede. Auch ob der Zürcher Forschungsstandort derart viel zur UC-Plattform von Microsoft beigetragen hat, darf hinterfragt werden. Vor der Lancierung von Lync 2010 im September gab man sich bei Microsoft relativ zugeknöpft, wie gross der Anteil der Wollishofer am Endprodukt nun wirklich ist. Gegenüber Computerworld wurde damals lediglich bestätigt, dass der Client teilweise und einige Funktionen des Servers in Zürich entstanden seien. Angesichts dieser Hinweise, macht der nun erfolgte Entscheid für Microsoft durchaus Sinn, die Weiterentwicklung der hauseigenen UC-Plattform an einem zentralen Standort, nämlich in Redmond zu konzentrieren.

Rückschlag für eZürich?

Was bedeutet der Wegzug aber für den ICT-Standort Zürich? Daniel Heinzmann, Direktor Organisation und Informatik Zürich (OIZ), bedauert zwar den Entscheid von Microsoft auf Anfrage von Computerworld. Er sieht darin aber keinen Rückschlag für das eZürich-Projekt: «Im Gegenteil. Es zeigt deutlich, wie wichtig die Initiative eZürich ist. Wir können uns nicht auf den Lorbeeren ausruhen, heute ein guter Standort zu sein», so der OIZ-Direktor. Er plädiert dafür, die Weichen jetzt richtig zu stellen. Bereits im kommenden Januar werden alle Topshots der Schweizer ICT-Branche diskutieren, wie die Limmatstadt zum europaweit führenden ICT-Standort werden könnte. Gemeinsam wollen Sie hierzu konkrete Strategien, Projekte und Massnahmen formulieren. Auch Microsoft-Schweiz-Chef Peter Waser wird an dem dreitägigen Workshop teilnehmen, zusammen mit zahlreichen anderen Grssen der helvetischen Informations- und Kommunikationswelt.



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