Nachholbedarf beim Arbeitsplatz 4.0
Neues Büro = neue Kultur?
«Die gesellschaftlichen, technologischen, politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verändern sich rasch», sagt Andreas Wieser von Gesundheitsförderung Schweiz. Er berät Organisationen auf dem Weg in neue Arbeitswelten und ist Mitautor des Leitfadens «Gesundheitsförderliche Büroräume und Workplace Change Management». Es schade Unternehmen sicher nicht, wenn sie in der Organisation bezüglich Strategie, Struktur und Kultur möglichst flexibel seien, erklärt Wieser. Er betrachtet das Büro als Teil der strukturellen Rahmenbedingungen. Es diene in erster Linie den Arbeitsabläufen und sei ein Instrument, um unternehmerische Ziele zu erreichen. Eine aktive Gestaltung der Bürowelt könne für Unternehmen eine grosse Chance sein. Vor allem dann, wenn sie unter dem Aspekt der psychischen Gesundheit und des Arbeitsengagements betrachtet werde. Wieser betont allerdings, dass eine Veränderung der Firmenkultur nicht bloss mit einer Umgestaltung der Büroräumlicheiten zu erreichen sei.
“Wenn sich die Strategie ändert, kann es für Firmen sinnvoll sein, auch die Arbeitsumgebung neu zu gestalten„
Lukas Windlinger Inversini, ZHAW
Zum gleichen Schluss kommt auch die Future Work Group in ihrer Arbeitsplatzstudie. Wesentlich für das Gelingen sei, dass man die Mitarbeitenden auch mit neuen Arbeitsmethoden und der genutzten Technik vertraut mache, betonen die Experten. «In der Gestaltung der Arbeitsumgebung manifestiert sich das Selbstverständnis einer Firma», bringt es Windlinger Inversini auf den Punkt. Wenn sich die Arbeitswelt, die Unternehmenskultur oder die -strategie ändere, könne es für Firmen sinnvoll sein, auch die Arbeitsumgebung neu zu gestalten. «Denn die Mitarbeitenden verbringen nach wie vor viel Zeit im Büro.»
Es braucht klare Spielregeln
Bei der Neugestaltung von Büroräumen sind laut Arbeitsgesundheitsexperte Wieser folgende drei Dimensionen zentral: eine gesundheitsförderliche Bürogestaltung, der mitarbeiterorientierte Wandel sowie die Entwicklung der Kompetenzen von Mitarbeitenden und Führungskräften. Wieser weist darauf hin, dass es in den neuen Arbeitswelten noch wichtiger sei, auf die individuellen Stärken und Schwächen der Mitarbeitenden einzugehen. Um das zu erreichen, brauche es eine klare Strategie und Aufgabenverteilung. Auch die organisatorischen Rahmenbedingungen – etwa bezüglich Home Office und Arbeitszeitenregelung – seien zentral. Es gilt, ein Regelwerk aufzustellen, das klar nachvollziehbar ist, aber dennoch Flexibilität bei der Umsetzung bietet.
Was das bedeutet, konkretisiert ZHAW-Wissenschaftler Windlinger Inversini. Die Motivation für die Veränderung von Arbeitsumgebungen liegt meist im Business, also in den Hauptaktivitäten und Geschäftsstrategien der Unternehmen. Die Gestaltung der Arbeitsumgebung sollte daher die Anforderungen an die Zusammenarbeit im Unternehmen abbilden, welche die Geschäftsstrategie vorgibt. Der Wissenschaftler rät Unternehmen, sich nicht bloss auf eine Arbeitsweise festzulegen, sondern Wahlmöglichkeiten zu bieten. Etwa einen Mix aus Büroarbeit, Home Office, Co-Working und mobil-flexiblem Arbeiten. So sei es möglich, unterschiedlichste Bedürfnisse innerhalb des geschäftsstrategischen Rahmens abzudecken.