14.03.2011, 06:00 Uhr

Social Media für Manager

Welchen konkreten Nutzen können Unternehmen aus Foursquare oder Twitter ziehen? Laufen Trendverweigerer Gefahr, den Anschluss zu verlieren? Oder ist es besser, Facebook & Co. komplett auszusperren? Begegnen Sie dem Thema Social Media mit Geschäftskalkül.
Face to face mit dem Kunden, Foto: © complize / Photocase.com
Beeindruckende Zahlen weist das Investmenthaus Goldman Sachs für Facebook aus: Das Netzwerk sei innert eines halben Jahres um 100 Millionen auf heute circa 600 Millionen Benutzer gewachsen. Die Internationale Telekommunikationsunion (ITU) zählte Anfang Jahr insgesamt 2 Milliarden Internetnutzer. Demnach ist fast jeder dritte Surfer auch bei Facebook registriert. Die Statistiken führen vor, welche grosse Bedeutung der weltweite Marktführer bei den sozialen Netzwerken mittlerweile für Verbraucher hat. Für Unternehmen und verantwortliche Manager stellt sich heute nicht mehr die Frage, ob in Social Media investiert werden muss, sondern nur noch wie. Denn in Facebook entsteht ein paralleles Netz zum öffentlich zugänglichen World Wide Web, in dem andere Regeln gelten. Verschiedene Analysen, Befragungen und Experten wollen suggerieren, es gäbe einen Königsweg für das Engagement im sozialen Web. So werden die «10 Social-Media-Gebote» formuliert, die «10 besten Unternehmensblogs» gekürt oder die «gelungene Selbstdarstellung in drei Schritten» versprochen. In allen Studien und Expertenmeinungen steckt natürlich ein Fünkchen Wahrheit, aber Erfolg im sozialen Netz oder gar einen Return on Investment (RoI) garantiert kein Analyst. Diese Sicherheiten fehlen nicht von ungefähr, dafür ist Social Media schlicht zu unberechenbar. Allerdings sind fehlende Kennzahlen noch lange kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken oder ein bestehendes Engagement auf Eis zu legen. Vielmehr gilt, was sich schon in der Internetwirtschaft bewährt hat: Probieren geht über studieren. Entscheidend ist dabei: Es sollte keine Kampagne lanciert, keine Benutzerbefragung initiiert werden, die nicht beobachtet und auf ihr Kosten-Nutzen-Verhältnis hin geprüft wird.

Wo bleibt der messbare Nutzen?

Heute wird einer Erhebung der Harvard Business Review Analytic Services zufolge noch viel zu wenig gemessen, welchen Nutzen Social Media bringt. Nicht einmal jedes fünfte Unternehmen wertet das Stimmengewirr im Web 2.0 überhaupt aus. «Anbieter wissen mehrheitlich nicht, wer über ihre Marken oder Produkte spricht. Ganz zu schweigen davon, ob die Aussagen mehrheitlich positiv oder negativ sind», konstatiert Buchautor und Analytikexperte Tom Davenport. «Damit können Verantwort­liche auch nicht einschätzen, welchen Einfluss jemand hat, der ihr Unternehmen kritisiert.» Und sie können auch nicht messen, wie ihre Markenbotschaften ankommen. Die derzeit unbefriedigende Situation wollen Konzernentscheider jedoch kurzfristig ändern. Innert der nächsten zwei bis drei Jahre planen 36 Prozent der Unternehmen, in Lösungen zu investieren, mit denen sich Kundenmeinungen analysieren lassen, ergab die Befragung der Harvard-Experten unter weltweit über 2100 Firmenverantwortlichen.

Tools zur Analyse

SAS ist einer der Hersteller, die Software für Social-Media-Monitoring liefern können. Auf die Situation hierzulande angesprochen sagt Schweiz-Chef Wilhelm Petersmann: «Standard in Unternehmen ist heute eine Abteilung mit zum Beispiel fünf Mitarbeitern, die im Web surfen.» Von erschöpfender Auswertung der Kundenreaktionen könne häufig nicht die Rede sein. Eine Software zur Analyse von Social Media sei insbesondere für Unternehmen mit sehr hohen Marketing­investitionen interessant, etwa Energieversorger, Konsumgüterproduzenten oder Tele­kommunikationsfirmen. Für eine viel breitere Kundengruppe gedacht ist das Reputation Management der Zürcher Agentur CLS Communi­cations. Deren Experten messen beispielsweise, welche Meinungen auf den Social-Media-Kanälen über Unternehmen oder ihre Marken herrschen. CLS-Chefin Doris Albisser verspricht, die Auswertungen zu tieferen Preisen als etwa mit klassischen Umfragen liefern zu können. Wer nicht gleich mit Kanonen auf Spatzen schiessen will, indem er Tausende Franken in individuell zugeschnittene Lösungen steckt, kann vorerst kostengünstige Analyse-Tools heranziehen. Applikationen wie Radian6 (www.radian6.com), ScoutLabs (www.scoutlabs.com) oder Trendrr (www.trendrr.com) sind oftmals webbasiert und damit ohne Administratorrechte nutzbar sowie für einen kurzen Testzeitraum gratis. Vollkommen kostenlos ist Social Mention (www.socialmention.com), das aber auch nur rudimentäre Monitoring-Funktionen besitzt. Allerdings ist das Spezial-Tool aufgrund der speziellen Quellen und Auswertungsmöglichkeiten unbedingt jeder herkömmlichen Internetsuchmachine vorzuziehen.

Blockieren ist keine Lösung

Ebenso viel Unsicherheit wie bei der Aussenwirkung herrscht beim internen Gebrauch von Social Media. Einheimische Unternehmen wie Credit Suisse, SBB, UBS und die Ämter von Bund, des Kantons Bern sowie zum Beispiel der Stadt Zürich setzen auf Blockade. Ihren Angestellten wird jeglicher Zugriff auf Facebook & Co. während der Arbeitszeit verweigert. «Vor 10 bis 15 Jahren mussten sich Arbeitgeber für oder wider die Internetnutzung im Büro entscheiden», erinnert sich Urs Schüpbach von Manpower Schweiz. Heute stelle sich diese Frage kaum noch – das Internet gehört zum Arbeitsalltag. Schüpbach glaubt, dass es bei Social Media eine ähnliche Entwicklung geben wird. Manpower gewährt seinen rund 300 Angestellten hierzulande uneingeschränkt Zugriff auf Facebook, LinkedIn, Twitter und Xing. Für das Rekrutierungsgeschäft erwartet Schüpbach das Erschliessen neuer Kanäle: «Auf LinkedIn oder Xing sind heute Lebensläufe in Echtzeit abrufbar.» So könnten von Kunden nachgefragte Qualifikationen umgehend mit Kandidatenprofilen abgeglichen werden. Für die Manpower-Mitarbeiter bedeute dies aber auch, dass sie viel mehr Informationen zu verarbeiten haben als bislang.
Schenkt man einer Umfrage des Marktforschungsunternehmens ICM und Canon Glauben, hat sich die geschäftliche Kommunikationskultur in den vergangenen fünf Jahren stark verändert. Schweizer Unternehmen – von denen 83 Prozent heute auf Onlinekommunikation setzen – sind europaweit führend bei diesem Wandel. So finden hierzulande gut ein Drittel (34 Prozent) weniger Geschäftsessen oder formlose Besprechungen von Angesicht zu Angesicht statt als noch vor fünf Jahren – ebenfalls ein Spitzenwert in Europa. Stattdessen tauschen sich Mitarbeiter immer häufiger über die neuen Medien aus, sei es firmenintern oder mit Kunden und Partnern. Laut Umfrage nutzen die Hälfte der Unternehmen (50 Prozent) mittlerweile mehr die sozialen Netzwerke. Auch Collaboration-Software wie Doodle, IBMs Lotus Connections oder Microsofts SharePoint wird von jedem zweiten Unternehmen verwendet, um effizienter zu kommunizieren. Indes ist der Erfolg zweifelhaft, meint der Futurologe Graeme Codrington, und weist auf den Gesinnungswandel hin, der es erst ermöglicht, aus neuen Medien Profit zu schlagen. «Jede neue Form der Kommunikation wie Papier, Zeitung oder Computer hat das Ziel gehabt, die menschlichen Kontakte effektiver zu gestalten», so Codrington. Hier habe die massive Verbreitung der Informationstechnologie in den vergangenen zwei Jahrzehnten etwas enttäuscht. «Heute werden mehr Daten als je zuvor übertragen und dennoch hat man den Eindruck, als wären unsere menschlichen Verbindungen weniger gehaltvoll, weniger befriedigend und weniger bedeutend geworden», kritisiert Codrington. Schuld daran sei aber nicht die Technik. Laut dem Theoretiker sind vielmehr die heutigen Arbeitstätigen unfähig, sich schnell an die neuen Möglichkeiten der Kommunikation anzupassen.

Filterfunktion Web 2.0

Dass Social Media in Kombination mit den herkömmlichen Kommunikationskanälen zu noch mehr Reizüberflutung führt, ist unbestritten. Jedoch ist es gerade die Stärke der sozialen Medien, Wichtiges aus der Masse des Unwichtigen herauszufiltern. Dazu trägt jeder Nutzer von Web-2.0-Plattfomen bei, indem er zum Beispiel Dinge gegenüber anderen favorisiert. Wenn sich Unternehmen mit ihren Produkten und Angestellten diesen Mechanismen verweigern, laufen sie Gefahr, im drittgrössten Land der Erde nicht präsent zu sein. Denn nach China (1,34 Milliarden) und Indien (1,19 Milliarden) ist das mit rund 0,6 Milliarden Einwohnern Facebook.



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