16.06.2005, 13:36 Uhr

Itil als Mediator

Häufig kommt es zu Diskrepanzen zwischen den Fachbereichen und der IT-Abteilung in Unternehmen. Der nachfolgende Beitrag thematisiert diese Diskrepanzen und forscht nach ihren Ursachen. Als probates Mittel für eine optimale Zusammenarbeit wird der konsequente Einsatz der Information Technology Infrastrucure Library (Itil) vorgeschlagen, um Kommunikation und Abläufe zu optimieren.
Häufig werden Verantwortliche der IT-Abteilung mit Kritik aus den Fachbereichen der eigenen Organisation konfrontiert: «Sie wissen nicht, was wir wollen und wir können so nicht arbeiten». Die IT-Bereiche ihrerseits kontern: «Wir stellen Euch die neueste Technik zur Verfügung und sie wird nicht genutzt!». Der nachfolgende Beitrag thematisiert häufige Diskrepanzen zwischen den Fachbereichen und der IT-Abteilung in Unternehmen und forscht nach ihren Ursachen. Als probates Mittel für eine optimale Zusammenarbeit wird der konsequente Einsatz der Information Technology Infrastrucure Library (Itil) vorgeschlagen, flankiert durch zusätzliche organisatorische Massnahmen.
Oftmals entsprechen die in den verwendeten Systemen umgesetzten Geschäftsvorfälle nicht den tatsächlichen Arbeitsabläufen im Unternehmen: Das so genannte Business Alignment, die Abstimmung der Geschäftsprozesse mit den IT-Systemen und -Diensten, fehlt. Die Abbildung der Wirklichkeit ist dann fehlerhaft und somit ist auch die Verwendbarkeit der Daten eingeschränkt. Was sind die Gründe dafür? Übereilte Systemeinführung, getrieben von der Sorge um explodierende Projektkosten und Ressourcenknappheit der letzten Jahre kann eine mögliche Ursache sein. Falsch verstandener Zwang zur Verwendung von Standardsystemen, -prozessen und -datenmodellen, sowie übereilter Übergang in den Produktionsbetrieb sind häufige Einführungsfehler. Ändert sich das eigentliche Unternehmensgeschäft, führt dies auch zu Änderungen der Prozesse und Verfahren. Die Systeme hingegen verlieren dabei oft den Anschluss und bilden alte, überholte Welten ab.
In einer Untersuchung der Firma Detecom stellten über 90 Prozent der Befragten die IT als strategisch wichtig bis sehr wichtig dar. Allerdings stellt die gleiche Untersuchung fest, dass die IT die Anforderungen des Geschäfts nur unzulänglich abbildet. Die IT muss also die Agilität der Realwelt unterstützen. Ein untrügliches Zeichen für die Unzufriedenheit von Fachabteilungen, die sich durch die IT nicht ausreichend unterstützt fühlen, ist die Einstellung eigener IT-Fachleute oder gar die Verwendung eigener Systeme und Softwarepakete.

Bedürfnisse analysieren

In vielen IT-Abteilungen herrscht bis heute tatsächlich eine sehr technologie- und systembestimmte Sicht der eigenen Aufgabe. Das Verständnis für das eigentliche Unternehmensgeschäft ist denn auch oftmals nur sehr unzureichend vorhanden. Kritische Erfolgsgrössen des Geschäfts werden häufig nicht verstanden und können deshalb nicht adäquat unterstützt werden. Statt dessen hält man sich an Schlagworten fest, wie beispielsweise Kostensenkung, Kundenorientierung und technologische Führerschaft, die konkrete Ziele ersetzen, ohne die Inhalte zu interpretieren. Auch detaillierte Konzepte der IT, die zusammen mit den Fachabteilungen erstellt werden, können eine solche Situation nicht verbessern. Denn die IT-Fachleute interpretieren sie oftmals erneut aus ihrer Sicht, wenn es in die Umsetzung geht. Die IT-Abteilung ist zudem der erste und bevorzugte Ansprechpartner von externen Anbietern. Damit wirkt sie wie ein Filter, der entscheidende Nachteile bei der Auswahl und Implementierung von Systemen bringen kann. Häufig wird versucht, das fehlende Geschäftsverständnis mit dem Einsatz bewährter Hersteller wie SAP oder neuster Technologien wie WLAN zu kompensieren. Unterstützen diese Komponenten und Systeme die echten Bedürfnisse der Fachabteilungen nicht, sind sie dann im Unternehmen für die Zukunft verbrannt und diese neuen Technologien finden keinen Einsatz mehr.

Itil als Mediator

Die fehlerhafte Abstimmung der IT-Abteilung mit den operativen Bereichen ist also meistens die Ursache der oben geschilderten Probleme. Mangelhafte Übersicht über die IT-Leistungsfähigkeit nennen in einer Studie von Pricewaterhousecoopers beispielsweise 80 Prozent der CEOs und CIOs als Hauptquelle für das Scheitern von IT-Initiativen. Wie kann diese Abstimmung also verbessert werden? Ein Modell der Abstimmung von IT und Unternehmensgeschäft liefert das Strategic Business IT Alignment Modell (SAM).
Dieses Modell bestimmt das Zusammenspiel zwischen Geschäftsstrategie, Geschäftsstrukturen und -prozessen sowie der IT-Strategie und der Ausgestaltung im Detail innerhalb von zwei Dimensionen: Einerseits innerhalb der funktionalen Integration und anderseits im Rahmen des strategischen Fits. Das Modell verdeutlicht, dass alle Grössen einander eng bedingen: Änderungen in den einzelnen Bereichen beeinflussen andere Bereiche. Und die Geschäftsstrategie beeinflusst natürlich die IT-Unterstützung und umgekehrt.
Das Werkzeug
Die Itil-Methode setzt auf diesem Modell auf. In einem Kreislauf aus Konzeption, Realisierung und einem permanenten Check-up wird die Ausrichtung der IT an dem Unternehmensgeschäft überprüft und notfalls auch korrigiert. Itil liefert eine umfassende Sammlung von Standards in den Bereichen Aufgaben, Prozesse sowie Kennzahlen der IT insgesamt und zeigt deren Anwendung an Hand von praktischen Beispielen. Gerade die Ausrichtung der IT am Unternehmenszweck und der Geschäftsentwicklung ist ein zentraler Aspekt. Damit stellt Itil das richtige Werkzeug dar, das die IT-Organisationsteile so dringend benötigen. Das Besondere ist die freie Verfügbarkeit und auch der freie Zugang zu diesem Werkzeug.
Heute findet Itil bereits breite Anwendung im anglo-sächsischen Raum und entwickelt sich dort zu einem Quasi-Standard für die Ausgestaltung informationstechnologischer Abläufe und Unterstützung. In Deutschland und der Schweiz steht der Einsatz von Itil erst am Anfang. Hier bauen vor allem Grossunternehmen auf den Best Practices auf. Doch zunehmend setzen auch mittelständische Unternehmen auf die Standards und nutzen die handfesten Vorteile: höhere Transparenz sowie verbesserte Effizienz und Qualität der IT insgesamt. Dies führt letztendlich zu einem kostenoptimalen Ressourceneinsatz.

Vier Phasen

Doch welches Vorgehen kann die Abstimmung der IT auf das Geschäft dauerhaft sichern? Dazu schlägt Itil zunächst ein allgemeingültiges Vorgehensmodell mit vier Phasen vor: Am Anfang steht die Analyse der Geschäftsausrichtung von IT, indem etwa Kernprozesse des Unternehmens auf ihre systemseitige Abbildung und die Nutzung dieser Systeme durch die Anwender getestet werden. Danach steht die Abbildung von Unternehmenszielen in IT-Strategie und -Organisation auf
dem Plan, die mit der Konzeption eines Vorgehensplans endet. Die vierte Phase beinhaltet die Realisierung des Konzepts, eine permanente Erfolgskontrolle, die Sicherung der Qualität von Massnahmen und gegebenenfalls weitere kontinuierliche Veränderung. Schlüssel-tätigkeit des oben besprochenen Vorgehens, ist die erste Analyse und das Erkennen von Handlungsbedarf.

Itil als Mediator

Das Münchner Institute for IT Service Management (MITSM), teilt die Analyseergebnisse der Prozess- und Abstimmungsanalyse an Hand eines Modells ein. Es basiert auf dem erprobten CMM Modell: Der IT insgesamt, aber auch jedem relevanten Prozess im Detail, lässt sich ein bestimmter Reifegrad zuordnen, der zu bestimmten Massnahmen führt, um wiederum einen höheren Reifegrad zu erreichen. Die Massnahmen führen zu Optimierungen von Prozessen und Aufgaben der IT, die dauerhaften Charakter haben. Eine weitere Schlüsselkomponente von Itil ist zudem die konsequente Verwendung von Kennzahlen des Controllings. Diese werden bereits in der Projektabwicklung eingesetzt, aber auch nach der Implementierung der Massnahmen. Dabei liefert Itil konkrete Vorschläge für sinnvolle Zahlen und Grössen, sowie ihre Erfassung. Dieser Einsatz von Controlling-Instrumenten hilft, auch bisher schwer greifbare Grössen zu erfassen, also beispielsweise, in wie weit die IT tatsächlich der Geschäftsausrichtung folgt.

Drei Säulen

Es zeigt sich, dass erfolgreiche Abstimmung der System- und Geschäftswelt eines Unternehmens auf drei Säulen ruht: Itil-Standardverfahren und -methoden, organisatorische Einbindung der Verantwortlichen und geschickte Stellenbesetzung sowie -Ressourcenauswahl. Natürlich sind reine IT-Dienstleistungsorganisationen ein Sonderfall, denn, wo die Erbringung von IT-Leistungen Geschäftszweck ist, stellt die IT-Strategie natürlich gleichzeitig die Geschäftsstrategie dar.
Zusammenfassend kann man feststellen, dass heute in zahlreichen Unternehmen ein tiefer Spalt des Unverständnisses zwischen den operativen Geschäftseinheiten und der IT als Serviceeinheit klafft. Das spiegelt sich auch oft in mangelhafter Systemunterstützung der operativen Einheiten wider. Die bestehende Lücke zu schliessen, ist daher also von vorrangiger Bedeutung. Denn IT-seitige Unterstützung des Geschäfts sichert heute schliesslich das Überleben der Unternehmen. Itil bietet Prozessvorgaben und Methoden zum Abgleich zwischen Geschäft und IT, zur Gestaltung einer effektiven IT-Governance. Diese müssen allerdings durch organisatorische Massnahmen und auch Massnahmen der Ressourcenauswahl begleitet werden.
Lukas Röhrs, Robert Kuhlig



Das könnte Sie auch interessieren