Coachen statt führen
Early Adopter spuren vor
Bei Liip arbeiten die Mitarbeitenden seit einigen Jahren selbstverwaltet, erklärt Gerhard Andrey, Mitgründer und Partner bei der Agentur Liip. «Die agile Bewegung und unser Open-Source-Engagement waren Inspirationsquelle dafür. Mit dem starken Wachstum – insbesondere 2015 – sind wir mit den doch sehr informellen Strukturen an eine Grenze gestossen. Das war denn auch der Auslöser, Holacracy ernsthaft zu prüfen», sagt Andrey.
Anfang 2016 setzte das Unternehmen komplett auf das neue Modell. Bereits vor der Reorganisation gab es bei Liip kein mittleres Management oder Teamchefs. Die Umstellung sei deshalb weniger deskriptiv als für klassisch aufgestellte Organisationen gewesen.
Herausfordernd war es hingegen, die Menschen fit für das System zu machen. «Als ‹Early Adopter› übernehmen wir einen überproportional hohen Anteil dieser Aufwände. Denn es gibt in der Schweiz noch keinen Arbeitsmarkt der Holacracy-Arbeitnehmenden.» Neue Mitarbeiter einzugliedern, nimmt daher Zeit in Anspruch und ist nicht zu unterschätzen, wie Andrey betont.
Traditionelle Führung heute undenkbar
Neue Mitarbeiter rekrutieren die einzelnen Kreise eigenständig. Dabei erhalten alle Mitglieder ein Vetorecht. Diese Mitverantwortung ist zugleich Hebel, um die Mitarbeitenden in die Verantwortung zu nehmen, die neuen Kollegen erfolgreich zu integrieren.
Entlassen werden Leute, wenn sie keine Rollen mehr innehaben, etwa wegen mangelnder Fähigkeiten oder Disziplin. Wer es dann nicht schafft, innert einer Frist eine neue Rolle innerhalb von Liip zu finden, ist raus. Soweit die Theorie. «Wir haben sehr selten Fälle, bei denen wir jemandem kündigen müssen. Bei flexiblen Rollen lässt sich mit dem nötigen Engagement meist eine Beschäftigung und somit eine neue Rolle finden», ergänzt Andrey.
Auch brauche es eine transparente und gesunde Feedback-Kultur. «Hier verlangen wir wohl als Arbeitgeber mehr von unseren Mitarbeitenden als traditionelle Firmen.» Unterm Strich überwiegen für Andrey aber die Vorteile. Eine traditionelle Führungsstruktur ist für ihn undenkbar geworden.