Coachen statt führen
Swisscom verknüpft die alte mit der neuen Arbeitswelt
Beim Provider und IT-Serviceanbieter Swisscom setzt man auf verschiedene agile Methoden. Rund 1500 Mitarbeiter arbeiteten mit modernen Methoden wie Tribes und Squads und wenige Teams – darunter sein eigenes – auch nach Holacracy, erklärt Adi Bucher, Lead Link (Head of) Leadership, Transformation & Collaboration (LTC), Swisscom.
Agile Zusammenarbeitsformen nutzen Swisscoms Mitarbeiter insbesondere in der Software-Entwicklung bereits seit Längerem, führt Bucher weiter aus und fügt an: «Holacracy ist ein kleiner Teil und Spezialfall, der bei uns nicht breit angewendet wird.» Die perfekte Organisationsform existiere nicht, jede biete Vor- und Nachteile, bilanziert Bucher, bezogen auf seine Abteilung LTC. Die heutigen Modelle stossen teilweise an ihre Grenzen in Bezug auf Geschwindigkeit, Effizienz und Mitarbeiterzufriedenheit. Agile Organisationsmodelle versprechen hier mehr.
Rasch Ergebnisse erzielen
Agile Zusammenarbeitsformen helfen, schnell eine erste, noch nicht perfekte Lösung zu entwickeln und mit dem Auftraggeber anzuschauen, begründet Bucher die Arbeit nach dem Holacracy-Modell in seiner Abteilung. Feedback werde rasch eingeholt, die Lösung in mehreren Zyklen weiterentwickelt. «Das ist effizienter und schneller, als zuerst monatelang etwas zu bauen, das der Kunde vielleicht gar nicht braucht.»
Mitarbeitende erhalten auch mehr Kompetenzen, Verantwortung und Gestaltungskraft. Insbesondere junge Mitarbeitende suchen vermehrt nach sinnvollen und eigenbestimmten Tätigkeiten und schätzen diese Arbeitsformen. Swisscom steigert damit auch ihre Arbeitgeberattraktivität. «In der Führungsausbildung wie Change-Begleitung kommen agile Modelle immer zur Sprache; es selbst zu erleben, ist für Experten besser, als nur Bücher zu lesen», rät Bucher. Seine Abteilung konnte nach eigenen Angaben die gesteckten Ziele – schneller, flexibler und kundennäher werden – weitgehend erreichen.
Viel Arbeit an den Schnittstellen
Für Bucher ist klar, dass Holacracy auch in einem Konzernumfeld funktionieren kann. Wichtig seien aber die «Spielregeln», insbesondere, was die Themen Anstellungsbedingungen, Lohn etc. angingen. «Wir sind nicht losgelöst vom Rest des Unternehmens und müssen uns an die Anstellungsbedingungen von Swisscom halten. Insofern haben wir die Holacracy-Verfassung nicht zu 100 Prozent übernommen.»
An der Schnittstelle zwischen Holacracy und traditioneller Organisationsform brauche es viel Arbeit: «Die spezifische Sprache von Holacracy muss im Konzernumfeld übersetzt werden. Zudem erscheinen Holacracy-Abläufe auf den ersten Blick komplex und müssen erklärt werden.» Dennoch habe eine Befragung unter den Mitarbeitern im Sommer 2017 gezeigt, dass über 90 Prozent mit Holacracy weiterfahren wollen.
«Wir sind stärker zusammengewachsen»
Doch es gibt auch Herausforderungen. «Das Ansprechen von Spannungen respektive das klare Adressieren von nicht erfüllten Erwartungen untereinander ist eine wichtige Voraussetzung für das Gelingen von Holacracy. Spannungen und Konflikte können wir künftig noch besser austragen. Wir sind als Einheit stärker zusammengewachsen, es ist aber noch nicht alles perfekt», sagt Bucher.
Für Konfliktfälle gebe es eine Rolle, die gemäss Rollenbeschreibung die Autorität hat, einen Entscheid zu fällen. Persönliche Befindlichkeiten müssten aber zurückstehen. «Am Schluss geht es darum, einen Entscheid zu finden, der den Zweck der Abteilung nicht gefährdet und ‹save enough to try› ist.
Transformation benötigt Zeit
Zudem haben wir regelmässige Workshop-Formate, in denen wir Konflikte und offene Punkte ansprechen können. Nach den Meetings reflektieren wir, was wir beim nächsten Mal besser machen können.» Einführungs- und Lernzeit neuer Modelle sollten nicht unterschätzt werden. «Es ist eine Transformation, die Zeit benötigt. Erst nach neun bis zwölf Monaten sind wirkliche Veränderungen spürbar.»
Trotz der positiven Erfahrungen wird Swisscom Holacracy nicht auf den gesamten Konzern ausweiten. «Aber mehr Mitarbeitende werden in offeneren Strukturen arbeiten als heute, in agilen Zusammenarbeitsformen mit mehr Verantwortung und Kompetenzen», konstatiert Bucher.