IT-Investitionen der Schweizer Branchen
28.04.2022, 06:28 Uhr
IT wird zentraler Wirtschaftsfaktor
Ein Blick auf die fast 1700 Informatik-Projekte des vergangenen Jahres offenbart: Die IT wird in Schweizer Unternehmen aller Sparten vermehrt zum zentralen Wirtschaftsfaktor. Die Konsequenz: IT-Fehler sind ebenfalls geschäftskritisch.
Das Rechenzentrum Ostschweiz soll bis im Sommer 2022 massiv ausgebaut werden
(Quelle: St. Gallisch-Appenzellische Kraftwerke/RZO)
Schon vor 30 Jahren wussten die Computerworld-Redaktoren: Die Zahlen von Marktforschern sind mit Vorbehalt zu geniessen. Bei den aktuellen Prognosen kommt Computerworld zum gleichen Schluss. Drei Analystenhäuser versuchen sich – jeweils nach der Invasion Russlands in der Ukraine – an Einschätzungen der IT-Investitionen der Schweizer Wirtschaft. Die einzige Gemeinsamkeit: Der volatilen Lage in Osteuropa zum Trotz steigen die Ausgaben für IT im Vorjahresvergleich an. Forrester sagt um «nur» 3,3 Prozent, Gartner behauptet um satte 6,8 Prozent und IDC erwartet ebenfalls noch 6,5 Prozent.
In absoluten Zahlen werden die unterschiedlichen Blickwinkel der Auguren sichtbar: Unternehmen in der Schweiz werden 2022 insgesamt 52,6 Milliarden Franken für IT ausgeben, so Forrester. Die Kollegen von Gartner rechnen mit gerade einmal umgerechnet 35,7 Milliarden Franken, während IDC lediglich IT-Investitionen in Höhe von 22,8 Milliarden Franken vorhersagt. Angesichts solcher Summen blickt Computerworld zuversichtlich auf die kommenden Monate, in denen es kontinuierlich mehr neue IT-Projekte zu dokumentieren gibt.
Schon in den vergangenen zwölf Monaten zählte Computerworld fast 1700 IT-Projekte. Das sind noch einmal 300 mehr als im Krisen-Jahr 2020. An der Verteilung auf die verschiedenen Branchen hat sich indes nichts geändert. Weiter mit Abstand am häufigsten dokumentiert sind die IT-Projekte der öffentlichen Hand (vgl. Grafik). Die Behörden kommen auf über 630 Projekte mit IT-Bezug. Die Banken und Versicherungen stecken ebenfalls viel Geld in ihre Informatiklösungen – und haben mittlerweile auch keine Scheu mehr, über die mehr als 210 Projekte zu sprechen. Ein Grund dürfte sein, dass die Finanzdienstleister – wie alle anderen Unternehmen – unter dem Fachkräftemangel leiden. Wer sich als attraktiver Arbeitgeber mit herausfordernden IT-Vorhaben präsentiert, hat im «War for Talent» einen Vorteil.
Bei den Firmen aus dem Dienstleistungssektor waren es 150 Projekte – nach 129 im Vorjahr. Den grossen Nachholbedarf dokumentieren die 104 neuen IT-Lösungen im Gesundheitssektor. Das ist fast ein Drittel mehr als 2020. Einen regelrechten Boom erlebten IT-Anwendungen auch in der Branche Transport und Verkehr, wo sich die Projektzahl von 47 auf 92 fast verdoppelte.
Millionen für die Behörden-IT
Die Anmeldung für Impftermine und die Ausstellung des Covid-Zertifikats im vergangenen Jahr waren Geschäfte des Bundes. Die Behörden stellten die finanziellen Mittel bereit und teilweise auch die IT-Systeme. Für die Terminkoordination zeichneten die privaten Firmen DV Bern (VacMe), OneDoc und Soignez-moi (beide gleichnamig) verantwortlich. Sie hatten teils auf Geheiss der Kantone eine Registrierungslösung entwickelt (VacMe) und teils die Terminfindung im Gesundheitswesen als ihr Geschäftsmodell auserkoren. Die Anbieter wurden für die Dienste mit Millionenbeträgen entlohnt. Und halten ihre Dienste weiter vor, sollte doch noch eine zusätzliche Impfung notwendig sein. Auch hierfür zahlt der Bund. Das Bundesamt für Informatik und Telekommunikation BIT selbst hatte im Mai 2021 einen öffentlichen Sicherheitstest des Covid-Impfzertifikats lanciert. Die Entwicklung und die Umsetzung übernahmen dann Health Info Net (HIN) sowie ti&m – ebenfalls für freihändig vergebene Millionenbeträge. Bern als Pilotkanton stellte Mitte Juni erstmals die digitalen Zertifikate aus, kurz darauf folgten Schaffhausen, Uri, Zug, Zürich und bald danach alle weiteren Kantone.
Allerdings stand Anfang Juni 2021 noch nicht fest, für welche Anwendungsbereiche die Zertifikate gültig sein sollen. Die Einsatzszenarien wurden von den Entwicklern als Update in die Apps eingespielt, genau wie die teilweise stark variierende Gültigkeitsdauer der Impfnachweise. Die letztendlichen Kosten für die gesamte Impfkampagne – nicht nur IT, sondern auch Impfstoff, Logistik und Personal – werden von Experten mit einer halben Milliarde Franken beziffert. Angesichts dieser Summe fallen die Informatik-Ausgaben der Behörden kaum ins Gewicht. Ausserdem kamen nur einheimische IT-Firmen zum Zug, sodass immerhin die Schweizer Wirtschaft in Krisenzeiten unterstützt wurde.
Erst auf den Weg gebracht sind virtuelle Sitzungen von Parlamenten und Räten. Heute sind Livestreams der Debatten zum Beispiel in Glarus, Olten, Pratteln und Zug gängig. Teils dienen die Videos auch der Archivierung sowie Protokollierung. Reine oder zumindest teilweise Online-Tagungen erfordern allerdings noch Änderungen in Gesetzen und Verordnungen. Sowohl der National- als auch der Ständerat und Zürcher Kantonsrat beschäftigen sich nach eigenen Angaben mit diesen Optionen.
Kernbanken-IT und Outsourcing
Die Finanzbranche war mit 216 IT-Projekten in den vergangenen zwölf Monaten weniger aktiv als auch schon. Im Vorjahr waren es noch 225 Projekte – ein Rückgang auf hohem Niveau also. Bei den Banken, die für gut die Hälfte aller Informatik-Projekte verantwortlich zeichnen, ging es in vielen Fällen sogar um die Kernsysteme. Die zwei grossen Schweizer Anbieter Avaloq und Finnova verzeichnen sechs Neukunden: Die Genfer S. P. Hinduja Banque Privée, die Basler Kantonalbank und die Tochterbank Bank Cler, die BBVA Switzerland und die BG Suisse sind neu mit dem Avaloq-Kernbankensystem unterwegs. Bei der Ausgründung der Basellandschaftlichen Kantonalbank, Radicant, wird auf Finnova-Technologie gesetzt und im Outsourcing auf Swisscom. Die Privatbank Julius Bär und die St. Galler Kantonalbank haben sich für Crealogix-Technologie entschieden. Das Kernbankensystem «Finstar» der Hypothekarbank Lenzburg kommt neu beim Anlage- und Vorsorgespezialist Tellco, der Edelmetall-Handelsplattform GCB Suisse und dem Token-Marktplatz der Berner Kantonalbank zum Einsatz. Für ein IT-Outsourcing zu Inventx haben sich zuletzt die Kantonalbanken von Appenzell, Glarus, Nidwalden, Obwalden und Uri sowie die Clientis-Gruppe entschieden. Inventx selbst bekam grünes Licht für den Neubau seines Hauptsitzes mit 200 Arbeitsplätzen in Chur. Dem Baustart war ein jahrelanger Rechtsstreit mit Anwohnern vorausgegangen, den das Bundesgericht im Oktober 2021 endgültig entschied.
Von langer Hand geplant war das Outsourcing von IT-Leistungen in die Rechenzentren von Microsoft Schweiz bei der Basellandschaftlichen, der Glarner und der Zürcher Kantonalbank, Leonteq sowie der Bank Avera. Insbesondere das Projekt bei der Zürcher Kantonalbank liess im November aufhorchen, als IT-Leiter Remo Schmidli der Computerworld sagte, bei der Sicherheit keine Kompromisse machen zu wollen. Genau wie alle anderen Partner müsse auch Cloud-Betreiber Microsoft die hohen Anforderungen der Bank an die Security erfüllen, so Schmidli.
Für ein Komplett-Outsourcing der Informatik hat sich die Berner Kantonalbank im vergangenen Jahr entschieden. Anfang April startete dann die eigenständige Tochterfirma aity. Die gemeinsame Ausgründung mit dem IT-Dienstleister DXC verantwortet künftig den Betrieb der Informatik-Infrastruktur und soll das Kernbankensystem IBIS3G zu IBIS4D weiterentwickeln. Während sich die Berner und ihr Partner einig sind über das Outsourcing, zeigt der Fall der Genfer Kantonalbank, dass es bei IT-Vorhaben nicht nur harmonisch zugeht: Mittlerweile vor Gericht streiten die Westschweizer mit ihrem IT-Dienstleister IBM über nicht oder zu teuer erbrachte Leistungen. In erster Instanz war Big Blue im Juni 2021 zu einer Schadensersatzzahlung von 46,8 Millionen Franken verurteilt worden. Jedoch will IBM gegen das Urteil in Berufung gehen.
Post setzt auf Diversifizierung
Die Schweizerische Post als grösstes Dienstleistungsunternehmen des Landes hat zwar mit der Paketflut aus dem stetig wachsenden Online-Handel alle Hände voll zu tun. Sie hat aber auch weniger Briefsendungen und mit neuer Konkurrenz zum Beispiel durch lokale Lieferdienste im Kerngeschäft zu kämpfen. So suchen die Post-Manager seit einigen Jahren ihr Heil in der Diversifizierung. Dabei setzt der Konzern auf Übernahmen – mehrheitlich von KMU. Den Anfang machte im Juli 2021 der Werbevermarkter Livesystems aus Liebefeld, gefolgt vom Online-Speicherdienst Tresorit aus Luxemburg und dem Start-up Bring Labs aus Zürich, das elektronische Postizettel von 12 Millionen Menschen verwaltet. Die Einnahmen der SwissSign Group fliessen seit Oktober vergangenen Jahres in die Kassen der Post. SwissSign ist bekannt als Herausgeber der SwissID und als schweizweit grösster Anbieter von digitalen Zertifikaten. Der Zukauf von Dialog Verwaltungs-Data, einem Spezialisten für E-Government aus Baldegg, ist ähnlich weit weg vom Kerngeschäft wie die Übernahme des Buchhaltungsanbieters Klara vor anderthalb Jahren. Die Klara-Beteiligung stiess zuletzt auch auf Widerstand: Die auf Buchhaltungs-Software spezialisierte Abacus hat die Post bei der Wettbewerbskommission (WEKO) angezeigt. Die Verantwortlichen von Abacus stören sich daran, dass Klara die Buchhaltungs-Software «aufgrund der Quersubventionierungen durch die Post-Gruppe» kostenlos anbieten kann. Die Abacus-Verantwortlichen verlangen, dass die WEKO den Datentransfer zwischen dem Monopolbereich der Post und Klara unterbindet. Der Entscheid der WEKO steht noch aus.
Bei weiteren rund 150 Unternehmen aus dem Dienstleistungssektor wurden in den vergangenen zwölf Monaten IT-Projekte umgesetzt. Dabei musste nicht immer gleich gezahlt werden, wie das Beispiel der «BCF Arena» in Fribourg zeigt. Der IT-Partner Hewlett Packard Enterprise (HPE) hat zusammen mit 16 Lieferanten drei Kilometer Netzwerkkabel verlegt, 270 Hotspots und 500 Navigationssender eingerichtet und 200 Livestreaming-Bildschirme installiert. Für die Hardware zahlen die Verantwortlichen des Hockeyclubs Fribourg-Gottéron nun eine monatliche Gebühr. Für die IT-Ausstattung der künftigen «Swiss Life Arena» in Zürich-Altstetten sind die ZSC Lions auf Einkaufstour gegangen. Die Displays, die elektronischen Banden und einen der grössten LED-Würfel Europas (12 × 12 × 8 Meter) liefert Samsung.
Neue Büros für rare Fachkräfte
Die IT-Branche boomt. Die allgegenwärtige Digitalisierung füllt die Auftragsbücher der Anbieter und stellt viele Firmen vor die Herausforderung, genügend Fachkräfte für die vielen Projekte aufzubieten. Die interne Aus- und Weiterbildung ist die am häufigsten genannte Massnahme, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Branchenprimus Swisscom nennt die Zahl von rund 830 Lernenden, Marktbegleiter Sunrise UPC will das Angebot von heute 180 Lehrstellen bis 2025 auf rund 250 Ausbildungsplätze steigern. Im gleichen Zeitraum plant auch der IT-Dienstleister UMB, von heute 18 auf rund 40 Lernende zu verdoppeln. Damit sich die neuen und die bisherigen Angestellten weiterhin wohlfühlen in ihren Büros, haben zuletzt Accenture, Baggenstos, Bechtle Schweiz und HPE neue Arbeitsplatzkonzepte erdacht und umgesetzt. Weiter haben Adesso in Lausanne und St. Gallen, Amazon Web Services am Zürcher Mythenquai, Facebook-Mutterkonzern Meta ebenfalls in Zürich sowie der IT-Dienstleister T&N in Emmen neue Standorte eröffnet.
Bei Swisscom liegt aktuell ein milliardenschweres Projekt auf Eis: der Glasfaserausbau in der Schweiz. Das ursprüngliche Ziel, die Zahl der Glasfaseranschlüsse bis 2025 von 30 Prozent der Haushalte und Geschäfte auf rund 60 Prozent zu erhöhen, gerät je länger, je mehr aus dem Fokus. Denn der Wettbewerber Init7 hatte gegen die Praxis des «Blauen Riesen», nur eine Zuleitung von der Telefonzentrale bis zum Strassenschacht zu verlegen, geklagt. Die Eidgenössische Wettbewerbskommission (WEKO) folgte der Argumentation von Init7 und erliess vorsorgliche Massnahmen gegen die Swisscom, womit der weitere Glasfaserausbau gestoppt ist. Daran haben auch Rekurse der Swisscom vor dem Bundesverwaltungsgericht und im Dezember 2021 vor dem Bundesgericht nichts geändert. Der Ausgang des Streits ist offen, obwohl sich mittlerweile auch die Konkurrenten Salt und Sunrise UPC auf die Seite der Swisscom geschlagen haben.
Die Erschliessung des Ueschinentals im Berner Oberland mit Glasfaser hatte die Swisscom 2020 selbst abgelehnt. Aus Kostengründen, wie es damals hiess. Sehr zum Leidwesen der rund 20 Alpbetriebe, die während des Sommers in dem Tal bewirtschaftet werden. Im Herbst 2021 wurde nun die Mobilfunkanlage in Betrieb genommen.
8000 Dossiers, 5 Millionen Zertifikate
Das elektronische Patientendossier ist mittlerweile in der Schweiz ausgerollt. Obgleich es eine ideale Plattform auch für das Covid-Impfzertifikat hätte sein können, wurden die IT-Infrastrukturen separat aufgebaut: Die sieben zertifizierten Stammgemeinschaften verwalten das Patientendossier, das Bundesamt für Informatik das Impfzertifikat. Der Zuspruch bei den Bürgerinnen und Bürgern ist höchst unterschiedlich: Rund 8000 Dossiers meldete das Bundesamt für Gesundheit Anfang April, die Zertifikate-App verzeichnet aktuell über 5 Millionen Downloads. Letzteres darf mit Fug und Recht als erfolgreiches IT-Projekt im Gesundheitswesen bezeichnet werden. Beim Patientendossier muss sich der Erfolg noch einstellen.
Bei weiteren Projekten ist mittlerweile der Stecker gezogen worden. Die Stiftung Meineimpfungen hat ihre gleichnamige Plattform wegen gravierender Sicherheitsmängel abschalten müssen. Das Nationale Organspenderegister von Swisstransplant ereilte das gleiche Schicksal, genau wie das «Mammoregister» der Schweizerischen Gesellschaft für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie. Die Betreiber arbeiten mit dem Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten an der Behebung der Sicherheitsmängel. Zumindest Swisstransplant und das Mammoregister sollen wieder ans Netz. Für das digitale Impfbüchlein sucht der Bundesrat nach einer Lösung, die kompatibel ist mit dem elektronischen Patientendossier. Im nächsten Jahr steht an dieser Stelle, ob daraus ein erfolgreiches IT-Projekt geworden ist.
Wartung mit DatenBrille und Drohne
Das Management von Burckhardt Compression in Winterthur kann bereits einen Erfolg bei ihrem Projekt vermelden. Sie haben mit Microsoft und PTC eine Fernwartungslösung für die firmeneigenen Kolbenkompressoren von Schiffen entwickelt. Früher mussten die Servicetechniker für die regelmässigen Wartungsarbeiten an den Standort des Kompressors reisen, was ressourcenintensiv, nicht skalierbar und zeitaufwendig war. Neu können die Ingenieure mit Microsoft Dynamics 365 Remote Assist und der Augmented-Reality-Software Vuforia von PTC die Wartung an jedem Ort der Welt koordinieren. Dafür werden die Schiffstechniker mit einer HoloLens-Datenbrille ausgestattet, die ein Overlay über dem eigentlichen Kompressor darstellt. Zusätzlich können per Video-Chat in Echtzeit Anweisungen gegeben werden, welche Arbeiten jeweils für die Instandhaltung und Wartung auszuführen sind. Aufgrund des Erfolgs mit der Fernwartung plant Burckhardt Compression nun, auch Kompressoren anderer Hersteller in sein Serviceangebot aufzunehmen.
Im Zementwerk von Holcim in Siggenthal fand im August vergangenen Jahres eine Weltpremiere statt: Eine Drohne des ETH-Start-ups Voliro absolvierte erfolgreich eine Reihe von Messflügen in den Anlagen. Sie bestimmte unter anderem die Stahlwandstärken des Zementofens und des Zyklonvorwärmers. Diese Arbeiten erfordern sonst Industriekletterer oder das kostspielige Stilllegen der Produktionsanlagen. Holcim Schweiz sieht nun Einsatzmöglichkeiten der Flugroboter vor allem bei regelmässigen Inspektionen von Bauwerken und Stahlstrukturen.
Bei vielen der weiteren insgesamt 99 IT-Projekten der Schweizer Industrie handelte es sich um die Einführung neuer Geschäfts-Software. Oft wurden Lösungen von Weltmarktführer SAP implementiert. Neu auf S/4Hana setzen die Cornèr Banca in Lugano, die Industriebetriebe Bangerter Microtechnik und Schlegel Group, die Lebensmittelproduzenten Ricola und Royal Döner sowie der Pflanzenextraktspezialist Botanica, der Salzversorger Schweizer Salinen, Japan Tobacco International in Genf und WWZ Energie in Zug. Die KMU-Lösung von SAP, Business ByDesign, haben der Velofertiger BMC und eqe, ein Spezialist für den Industriestahlbau mit Sitz in Schöftland, eingeführt. Auf das ERP des Schweizer Anbieters Abacus setzen neu ähnlich viele Betriebe: darunter der St. Galler Anlagenbauer Frigel, der Mineralwasserproduzent Goba aus Gontenbad bei Appenzell, die Küchenbau-Profis von Hans Eisenring, der Bekleidungshersteller Hatex, der Halbleiterproduzent HMT microelectronic, der Anlagenbauer iepco, der Metallfertigungsbetrieb S Combi sowie der Auftragsproduzent Walser + Co.
Problematische Schulinformatik
Für viele Diskussionen sorgten in den vergangenen zwölf Monaten zwei Schulinformatik-Projekte. Die Stadt Bern musste eingestehen, dass sie mit «base4kids2» ein «einzigartiges innovatives Leuchtturm-Projekt entwickeln wollte, ohne über die notwendigen Ressourcen und das notwendige Wissen zu verfügen». Das Vorhaben musste neu aufgesetzt werden. Unter anderem wurde die Ablösung der Open-Source-Software Collabora durch Microsoft Office 365 beschlossen. Durch zusätzliche iPads für die fünften und sechsten Klassen sowie zwölf Klassensätzen Notebooks mit verbesserten Peripheriegeräten konnten auch die Defizite im Bereich Hardware ausgeglichen werden. Zu den ursprünglich 24 Millionen Franken für «base4kids2» kam noch ein Nachkredit von 2,7 Millionen Franken. Nach der Neustrukturierung sei das Projekt nun auf Kurs, heisst es in einem Prüfbericht, den der Gemeinderat im März veröffentlichte.
Im Kanton Luzern müssen die Volksschulen derzeit ohne eine Administrations-Software auskommen. Die von Base-Net Education programmierte Lösung «Educase» sollte 2019 zwei Altanwendungen ersetzen, war allerdings selbst noch fehlerhaft. Der Kanton entschloss sich im Februar dieses Jahres, das Projekt abzubrechen. Da die Zahlungen an Base-Net ebenfalls gestoppt wurden, schaltete der Entwickler die Software ab. 64 von 80 Gemeinden hatten bereits auf «Educase» umgestellt. Sie müssen nun wieder die Altanwendungen nutzen. Der Kanton will nun «zügig» die öffentliche Ausschreibung eines neuen Computerprogramms in die Hand nehmen. Parallel untersucht die Aufsichts- und Kontrollkommission
des Luzerner Kantonsrats das Scheitern des Projekts. Ursprünglich waren für «Educase» rund 7,7 Millionen Franken veranschlagt gewesen.
des Luzerner Kantonsrats das Scheitern des Projekts. Ursprünglich waren für «Educase» rund 7,7 Millionen Franken veranschlagt gewesen.
Für weniger Wirbel sorgten Beschaffungen von Schulcomputern zum Beispiel in Gossau SG, wo Schüler künftig ab der fünften Klasse ein persönliches Tablet erhalten. Kostenpunkt: rund 930 000 Franken. Winterthur beschaffte im Rahmen des Projekts «ICT-Sek» für rund 2,7 Millionen Franken 2800 Tablets für die elf städtischen Sekundarschulen. Die Mittel- und Berufsfachschulen des Kantons Zürich wurden für 9 Millionen Franken mit neuer Hardware ausgestattet, die Schulen der Stadt Zürich kauften Notebooks von HP und Lenovo für rund 7 Millionen Franken. Die Schule Dietikon bekam dagegen 80 Laptops geschenkt. Sunrise UPC hatte die Computer aussortiert. Sie wurden im Januar an über 70 Familien verschenkt, für die eine private Anschaffung eines Laptops zu kostspielig ist.
Online-Boom im Handel hält an
Mit dem neuen Mac-Konfigurator können sich betuchte Konsumentinnen und Konsumenten ihren Apple-Computer neu online zusammenstellen. Melectronics lancierte den Dienst als erster Händler ausserhalb des Apple-Konzerns. Die Migros-Tochter trägt damit zum Boom des Online-Handels bei, welcher der Genossenschaft im vergangenen Jahr mehr als 3 Milliarden Franken Umsatz beschert hat. Ein Drittel davon stammt allerdings von der Tochtergesellschaft Digitec Galaxus. Der Marktbegleiter Coop verfehlte dagegen die Grenze von 3 Milliarden Franken Umsatz knapp. Für den Leiter der Direktion Trading, Daniel Stucker, ist die Online-Präsenz nicht nur für das Verkaufen von Waren wichtig, sondern auch für das Prinzip «Omni-Channel». Ein Beispiel ist das «Online-Schminkerlebnis» der Import-Parfümerie. Dort können Kundinnen die Produkte von L’Oréal virtuell ausprobieren und sich «online schminken», bevor sie diese im Laden kaufen.
Neue Player im Online-Handel sind seit dem vergangenen Jahr Valora mit einem Tabak-Shop. Der Betreiber hat eigens eine Altersverifizierung mit Ausweis-Scan entwickelt, um sicherzustellen, dass die Tabakprodukte nur an erwachsene Personen verkauft werden. Die Ofrag Vertriebsgesellschaft als offizieller Piaggio-Distributor in der Schweiz lancierte einen Vespa-Konfigurator, mit dem der Roller und auch passende Accessoires wie Helme und Bekleidung online bestellt werden können. Noch im Testbetrieb ist der Online-Service des deutschen Detailhändlers Aldi. Gemeinsam mit dem Start-up Annanow prüft der Konzern in Winterthur und Zürich, ob der Lebensmittellieferdienst aldi-now.ch rentiert. Einen Schritt weiter ist die Landi, bei der seit Anfang Jahr das gesamte Sortiment nach Hause bestellt werden kann.
Blockchain-Frachtbrief für Container
Damit die online bestellten Güter zu den Konsumentinnen und Konsumenten kommen, braucht es neben der Post diverse Logistik- und Transportunternehmen. Die Branche Transport und Verkehr war mit 92 IT-Projekten besonders aktiv im vergangenen Jahr. Zum Vergleich: 2020 hat Computerworld nur 47 IT-Projekte gezählt.
Die neu grösste Containertransportgesellschaft der Welt, Mediterranean Shipping Company oder kurz MSC, hat im April vergangenen Jahres eine Blockchain-Lösung für Frachtbriefe lanciert. Die «Electronic Bill of Lading» ersetzt das Papier, spart Portokosten, verhindert Verspätungen und Unterbrechungen im Warenverkehr, so der Genfer Konzern. Als schon langjähriger Cloud-Kunde von Microsoft setzt MSC neu auch auf die Security-Produkte der Redmonder, sowohl für die lokalen Installationen in den über 500 Hafenbüros als auch global in der Cloud. Die bis anhin ebenfalls weltweit verteilten SQL-Datenbanken für Business-Intelligence-Auswertungen hat MSC zuletzt auch in der Microsoft-Cloud zentralisiert.
Beim Transportspezialisten Planzer fiel die Wahl beim Outsourcing ebenfalls auf Microsoft. Das Unternehmen hat seine veraltete Infrastruktur abgelöst und die über 200 Server in die Azure-Cloud ausgelagert. Der auf Express- und Gesundheitslogistik spezialisierte Citytrans entschied sich nicht für einen globalen Anbieter, sondern wählte die Zürcher Teleinformatik als Outsourcing-Partner. Anstatt eines einzigen IT-Ansprechpartners wie früher können die 200 Citytrans-Angestellten nun auf das Team von rund 40 Spezialisten zugehen, sollten das ERP oder die Telefonanlage streiken.
Die Städte Basel, Bern und St. Gallen testen unterdessen neue Transportkonzepte, die auf Apps basieren. Der Dienst «Smargo» in Basel und Bern erlaubt es KMU sowie Konsumenten, via Smartphone elektrische Kleinlieferwagen, Cargoscooter und Transportrikschas zu mieten, wenn sie Bedarf haben. Einkäufe aus der St. Galler Innenstadt liefert der Kurierdienst «viaVelo.sg» per Tastendruck am Natel nach Hause. Dafür spannt die Stadt mit 25 lokalen Geschäften zusammen.
Landwirte näher bei den Kunden
Mehr als ein Drittel der Landwirtschaftsbetriebe setzt auf dem Hof digitale Technologien ein. Spitzenreiter ist das Smartphone, das für 28 Prozent ein wichtiges Entscheidungsinstrument ist – zum Beispiel zur Krankheitserkennung, zur Kontrolle und Steuerung des Stallklimas, zur Fütterung oder zur Bewässerung. Mehr als 60 Prozent der Betriebe haben sich diversifiziert. Die wichtigste Form ist die Direktvermarktung, zum Beispiel mit einem Hofladen. Sie rücken so auch näher an die Konsumenten.
Das Team des Föhrenhofs in Altdorf im Kanton Schaffhausen wollte seine frischen Eier nicht mehr nur an die Grosshändler liefern, sondern auch direkt vermarkten. Andere Bäuerinnen und Landwirte schlossen sich an. Mittlerweile sind es über 30 Produzenten, die über die Website regio-puur.ch ihre Produkte anbieten. Die Hofladen-Container «Rüedu» exportierte der Hofladen-Verbund JuckerFarm Ende vergangenen Jahres von Bern nach Zürich. Und setzte beim Sortiment selbstverständlich auf lokale Produkte.
Die «SaisonBox» ging noch einen Schritt weiter: Hier muss die Konsumentin oder der Konsument für eine Bestellung nur noch das Smartphone zur Hand nehmen. SaisonBox stellt die Website inklusive Controlling, Rechnungswesen und Software sowie Werbematerial zur Verfügung. Die Betriebe managen die Bestellungen mit ihrer Produzenten-App, die Packer- und die Driver-App übernehmen die Logistik. Den Kundinnen und Kunden werden die Waren dann nach Hause geliefert.
Smart Meter und die Pöstler
Die Energiestrategie des Bundes verlangt die Umstellung von konventionellen Stromzählern auf Smart Meter bis Ende 2027. Die Stadtwerke Wetzikon benötigen für den Austausch zusätzliche Ressourcen. Deshalb haben sie sich an den IT-Dienstleister Aveniq gewandt: Er hat eine App entwickelt, mit der Pöstlerinnen und Pöstler die Ablesung der Gas-, Strom- und Wasserzähler übernehmen können. Seit Januar ist die App bei Industriekunden im Einsatz, ab November übernehmen die Post-Mitarbeitenden alle Vertragspartner der Stadtwerke. Die technischen Kundenberater, welche die Zähler bisher abgelesen haben, können sich dann um den Rollout der Smart Meter kümmern.
Die Hardware möchte zum Beispiel Quickline liefern. Das Unternehmen hat gemeinsam mit Energieversorgern eine Smart-Meter-Lösung entwickelt, die nicht nur das Messen von Fernwärme, Gas, Strom und Wasser ermöglicht, sondern auch das Steuern des Verbrauchs. Die erforderliche Konnektivität will der Telekommunikationsanbieter bereitstellen. «Energieversorger lagern Komplexität aus und behalten dennoch die Kontrolle über die Wertschöpfung – genau wie im Bereich der Telekommunikation», meint Rudolf Eicher, Geschäftsführer Energie Seeland. Die IT ist zentral und unterstützt das Geschäft.