Horrorjobs bei Apple
20.03.2017, 14:55 Uhr
Ex-Mitarbeiterin packt aus
Burnouts und strenge Pinkelpausen: Eine Österreicherin veröffentlicht ein Buch über unmenschliche Arbeitsbedingungen in der Apple-Europa-Zentrale in Irland.
Apple, «ein Unternehmen, das für Innovation und Kreativität steht», dachte sich die Wienerin Daniela Kickl. Obwohl die studierte Betriebswirtin zuvor länger als SAP-Software-Entwicklerin gearbeitet hatte, bewarb sie sich bei Apple um einen Kundenberater-Job in der Europa-Zentrale in Irland – und bekam die Stelle. Aufgrund ihrer Führungserfahrung und der hohen Motivation war sie überzeugt davon, bei Apple langfristig Karriere zu machen, um das Geschäft von Grund auf kennenzulernen. Schliesslich sei Apple mehr als ein Unternehmen. Auch ihre zwei Kinder und der Ehemann waren von ihrem abenteuerlichen Vorhaben angetan. Die Reise nach Irland hat man kurzerhand in Kauf genommen, obwohl die Autorin sogar beim Eintritt bei Apple noch von einem Assessment-Eignungstest überrascht wurde.
Acht Minuten WC-Pause pro Tag
Was sie dann während drei Jahren im irischen Cork erleben musste, entpuppte sich bald als kafkaesker Albtraum. Der iPhone-Konzern fährt beim Kundensupport, wie man später im Buch erfährt, eine knallharte Linie, die aus exakt vorgeschriebenen Prozeduren und strengen Hierarchien besteht. So darf beispielsweise ein First-Level-Supporter nicht einfach während der Fernzugriffssitzung eines Mac-Kunden ein Apple-Systemprogramm mit einer Terminal-Anweisung neu starten, auch wenn der Berater vielleicht zufällig über hervorragende Unix-Kenntnisse verfügt. Die Weiterleitung an die Spezialisten rechnet Apple einer sogenannten «escalation rate» an, die bei jedem Mitarbeitenden so niedrig wie möglich sein soll. In einstündigen Teammeetings pro Woche kriegen die Kundenberater stets die aktuellen Zahlen auf Folien vorgesetzt. Auch bei den wöchentlichen Einzelterminen geht es wieder um Zahlen. Sogar die tägliche WC-Zeit inklusive Weg zur Toilette ist auf acht Minuten limitiert.
Arbeiten in einer «Chicken Factory»
Die Arbeitsräumlichkeiten kämen dabei einer «Chicken Factory» gleich, bei der Tische und Stühle aneinandergereiht sind und Mitarbeitende auf engstem Raum miteinander telefonieren müssen. Der Frust der zweifachen Mutter setzte zum ersten Mal so richtig ein, als sie sich nicht einmal zum weihnachtlichen Singspiel ihrer Kinder einen Freitag nehmen konnte. Überhaupt würden alle Schichten von einem automatischen System als «Business Needs» vorgegeben. Nächste Seite: Computerworld meint
Hohe Fluktuation
Auch von Burnouts und von mindestens zwei Selbstmorden will die ehemalige Apple-Mitarbeiterin erfahren haben. Personal wurde aber trotzdem immer wieder schnell ausgetauscht. Denn für jeden, der gehe, finde Apple offenbar wieder «motiviertes Frischfleisch». Beschwerden an die Vorgesetzten, die lediglich als «Kontrollinstanzen ohne jegliche Handlungsbefugnis» agieren, führten zu keinem Erfolg. Zuletzt wandte sie sich mit einem Dossier mit Screenshots auch an hochrangige Apple-Manager und an Tim Cook persönlich. Die Antwort kam zehn Tage später von einer Mitarbeiterin, die offenbar irgendwo im «Verdauungstrakt des Unternehmens» für die «Entsorgung unliebsamer Angelegenheiten» zuständig war. Denn sogar für kritische Mitarbeiter sähe eine Standardprozedur vor, dass Änderungen am System nicht gewünscht seien, so die Autorin. Kickl hielt irgendwann dem Druck nicht mehr stand und liess sich krankschreiben.
Computerworld meint
Das Buch ist unterhaltsam geschrieben. Kickl versteht es gut, viele atmosphärische Aspekte einzubringen, auch wenn da und dort ein paar Attribute von Apple-Mitarbeitern etwas zu sehr in die Länge gezogen werden. Da die Eskalation spannend aufgebaut ist, «verschlingt» man die 280 Seiten in wenigen Tagen. Allerdings dürften strenge Pausenzeiten und Leistungskontrollen zum Alltag vieler Callcenter gehören. Und doch sorgt Apple mit Berichten ehemaliger Verkaufsmitarbeiter immer wieder für Schlagzeilen. Immerhin bekommt man bei Apple nebst vergünstigter Apple-Hardware und eines Gratiszugangs ins Fitnesscenter noch Zuschuss für die private Krankenversicherung. Der Lohn, den die Autorin angibt, ist für Schweizer Verhältnisse mit 1800 Euro brutto im Monat in der Tat sehr niedrig, wobei in Irland fast keine Steuern zu entrichten sind. Kurz: Es ist auch bei Apple kein Zuckerschlecken, wenn man – ausgerechnet – in der Kundenberatung einsteigen will. «Apple intern – Drei Jahre in der Europa-Zentrale des Technologiemultis» erschien am 18. März nach ihrem letzten Arbeitstag bei Apple.